Wenn das Gefüge der Welt ins Wanken gerät

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Kleine Triggerwarnung zum Ende des Kapitels.
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Seit gut drei Wochen war mein neuer Bartresen nun schon in Betrieb und ich musste sagen, er schlug sich hervorragend.

Jan war, genauso wie ich, ziemlich begeistert gewesen. Grinsend hatte er behauptet, die Farbe des Holzes würde zu dem Ton seiner Augen passen und hatte ihn kurzerhand auf den Namen ‚Torben der Tresen' getauft, damit er mehr Persönlichkeit hatte, verstand sich. 

Seit dem hatte ich Mühe ihn von Torben weg zu bekommen, es schien, als wäre es die ganz große Liebe zwischen ihnen. Doch Jan war in erster Linie Kellner und sollte normalerweise erst gegen Abend den Barkeeper geben.
Als wäre dies nicht schon anstrengend genug, hatte ich auch noch meine Last damit Sammy und Blondie aus dem Weg zu gehen. Die zwei machten mich mit ihrem ständigen Turteln einfach verrückt. 

Von Löckchen hatte ich, seit er kurz nach der Enthüllung von Torben einen Anruf bekommen hatte und daraufhin ziemlich schnell verschwunden war, nichts mehr gehört. Ich hatte zehn Tage lang auf ein Lebenszeichen von ihm gewartet, doch nichts. Absolut gar nichts. Irgendwann hatte ich es nicht mehr ausgehalten, meinen Stolz heruntergeschluckt. Ich hatte ihn drei Mal angerufen und jedes Mal war er nicht ran gegangen. Da konnte man nun wirklich nicht mehr von schlechtem Timing reden. Ich hatte mich zum absoluten Vollidioten gemacht und er besaß noch nicht einmal den Anstand mir kurz und knapp mitzuteilen, dass er keinen Bock mehr auf mich hatte. Stattdessen ließ er mich lieber in der Schwebe hängen, in der unendlichen Ungewissheit gefangen, kurz vorm Verrücktwerden, durch all das Nachdenken und Grübeln. Ich wusste nie woran ich bei ihm war. Jedes Mal, wenn ich dachte es würde ganz gut zwischen uns laufen, verpisste er sich einfach und ließ mich stehen, wie den letzten Trottel. Und langsam hatte ich wirklich genug von seinem Verhalten. Ich ließ mich nicht länger rum schubsen, wie eine Puppe, die stumm alles über sich ergehen ließ.

Ich hatte mich schon viel zu sehr von ihm verändern lassen, dabei hatte ich mir doch geschworen, dass dies nicht mehr vorkommen würde.
Es war endlich an der Zeit ihn zu vergessen.

„Hey, Cornelius..."

„WAS?" Ich hatte vergessen gesagt, von guter Laune war nie die Rede.

„Fahr dich mal runter, Boss! Wollte nur wissen, ob Leon heute arbeitet." Ramon hob beschwichtigend die Hände, als würde ich mit einer geladenen Waffe auf ihn zielen.

„Sehe ich aus wie die Auskunft oder was? Der Dienstplan hängt da, wo er immer hängt." Restlos entnervt wendete ich mich wieder meinem Kochtopf zu. Eigentlich hatte ich mir den Vormittag freigeräumt um endlich mal wieder neue Rezepte auszuprobieren, doch irgendwie wollte heute nichts funktionieren.

„Ich hab zwar keinen Plan, was dein Problem in letzter Zeit ist, aber du brauchst deinen Stress echt nicht an uns auslassen." Auch Ramons Stimme wurde einen Tick schärfer. Er gehörte zu diesen Menschen die immer offen und ehrlich ihre Meinung sagten. Eine Eigenschaft, die ich sehr zu schätzen wusste.

Ich seufzte entkräftet. „Sorry Ramon. Es ist nur... kompliziert."

Er musterte mich einen Moment. „Das sind Gefühle immer, nicht wahr?" Seine Stimme war nun um einiges sanfter und voller Verständnis.

„Leon hat sich für heute krankgemeldet. Ihm scheint es wohl echt nicht gut zu gehen." Ich überlegte einen Moment. „Seine Adresse steht übrigens auf dem Adresszettel, der im Flur hängt. Falls du ihm einen Krankenbesuch abstatten willst, oder so." Ich zwinkerte ihm grinsend zu. Ich sollte wenigstens versuchen bessere Laune zu verbreiten.
Der Zettel, auf dem die Kontaktdaten von meiner Wenigkeit und all meinen Angestellten standen, war eigentlich nur für irgendwelche Notsituationen oder dringenden Anliegen gedacht. Da diese Situation quasi einer lebensbedrohenden Notsituation gleichkam, würde das wohl schon klar gehen. 

Optimisten werden immer zuerst gefressen Where stories live. Discover now