Schlagende Herzen - Zwei Herzen im Einklang

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Viel zu früh am Morgen, so kam es jedenfalls für Jyn vor, lehnte sie am Fenster und schaute hinaus, wo Charles mit einer Pistole in der Hand auf Erik zielte. Vielleicht half es dabei zu lernen, wie man Kugeln aufhält,aber das motorische Gedächtnis wurde damit nicht gefordert. Seine Fähigkeiten sollte man ohne Nachdenken zu müssen einsetzen können -einfach nebenbei. Intuitiv. In dieser Sache war Raven den anderen meilenweit voraus. Ohne sich den ganzen Tag darauf konzentrieren oder anstrengen zu müssen, schaffte sie es, wie ein normaler Mensch auszusehen. Aus eigener Erfahrung wusste Jyn, wie hilfreich und auch spaßig es sein konnte, seine Fähigkeit einzusetzen, ohne sich darauf konzentrieren zu müssen.

"Abdrücken ist leicht.", mit den Händen in den Taschen und aufgeplusterten Wangen schloss Jyn die Türe hinter sich und schlenderte zu Charles und Erik hinüber, "Nur mit den Konsequenzen zu leben ist das eigentliche Problem."

"Sag die Frau, für die Menschen wie Puppen sind.", hustete Charles, worauf Jyn ihm unbekümmert die Pistole abnahm, das Magazin hinausgleiten ließ, um nachzuschauen, wie viele Patronen es noch enthielt, setzte es wieder ein und zog zum Schluss den Lauf zurück, bis dieser klackte, "Gehören jetzt auch Waffen zu deinem Repertoire?"

"Was dich nicht umbringt, macht dich nur.... besser..... komischer.", lachte sie, ließ die Pistole um ihren Zeigefinger kreisen und gab diese dann Charles zurück, "Die Zeit hat mich alles Mögliche lernen lassen. Um aber auf deine Frage zurückzukommen. Nein. Funktion ja, schießen hat mich nie begeistert. Nicht alles im Leben lässt sich kontrollieren, genauso wie unsere Fähigkeiten. Wir können diese zwar in die richtigen Bahnen lenken, aber unser vollkommenes Potenzial zeigt sich erst dann, wenn wir dazu bereit sind oder es am nötigsten gebraucht wird. Ihr wollt es zu sehr. Es ist kein Fremdkörper, den ihr kontrollieren, überwachen oder herausschneiden müsst. Mein Gott, es ist da und war es schon immer. Es ist nichts, worüber ihr nachdenken solltet, wie es funktioniert, weil es zu einem gehört. Ein Fluss muss auch nicht überlegen, in welche Richtung er zu fließen hat."

"Was war mit Trike?", wandte Charles ein und Jyn kniff ein Auge daraufhin zu, "Ihm hast du auch deine gesamte Aufmerksamkeit geschenkt."

"Na, hm na.... wie du mir, ich so dir. Zählt demnach nicht. Erinnert ihr euch noch, als ich zurück war und wir uns im Foyer unterhalten haben? Erstickt und ertrunken, so ganz nebenbei.", bei dem Versuch eines Lächelns legte sie Zeige- und Mittelfinger auf Erik's Wange, Daumen unter sein Kinn und drehte sein Gesicht zu sich, "Guck mich an, nur mich. Dürfte dir ja nicht so schwer fallen. Alles um uns herum kann dir im Augenblick vollkommen egal sein. Konzentriere dich nur auf mich, ja? Jetzt nimm Charles die Waffe ab."

"Dein ernst? Wie soll man....", um ihn sofort zu unterbrechen und am Denken zu hindern, küsste sie ihn zweimal flüchtig auf die Lippen, "Ich glaube, dies dürfte nicht das geringste Problem sein. Meine Aufmerksamkeit hast du bereits dann, wenn du in der Nähe bist. Wie soll es funktionieren, wenn ich mich darauf nicht konzentrieren darf?"

"Fühle es. Ich höre deinen Herzschlag, genauso wie den von Charles als würde es offen liegen. Ununterbrochen pumpt es das Blut durch unseren Körper. Zu jeder Zeit, selbst wenn wir schlafen. Um es nachvollziehen zu können, musste man eines erst mal in den Händen gehalten haben.", erneut näherte sie sich seinem Lippen, hielt allerdings wenige Millimeter davor an, "Was wir bereits können, können wir nicht verlernen. Metall ist kein Fremdkörper für dich. Nimm es an. Als ich die Schlange von dir bekommen habe, in diesem Augenblick, hattest du auch ein ganz anderes Interesse."

"Dann solltest du mich vielleicht erneut ablenken.", interessiert legte einen Finger unter ihr Kinn, küsste sie und reichte ihr, nach dem er sich von ihren Lippen löste, die Pistole, "Ist das, was du wolltest?"

"Theatralik und Täuschung. Bin beeindruckt.", wissentlich nickend spitzte sie die Lippen, zog die Wangen nach innen und klopfte mit dem Ringfinger gegen ihre Daumenkuppel, "Hätte von mir sein können. Vielleicht wäre Russian Roulette weit aus interessanter. Dabei stehen die Chancen, eins zu sechs erschossen zu werden. Hat einen gewissen Überraschungseffekt."

Schmunzelnd zwinkerte Jyn Erik und Charles zu und bei jedem Schritt, den sie rückwärts machte, wippte sie leicht mit dem Kopf, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte. Zwar die etwas radikalere Methode zu lernen aber radikal war eben effektiv.


Mit unterdrücktem Lächeln saß Jyn auf der Treppe, schaute durch die Geländerstäbe ins Foyer und legte die Hände auf ihre Oberarme. Egal wie sehr Henry es versuchte sich nicht anmerken zu lassen, was nicht sonderlich klappte, aber jedes mal, wenn Raven in seiner war, konnte sie es sehen. Für sie waren Menschen wie ein offenes Buch. Ihr Körper verriet alles über einen Menschen, dazu brauchte man nicht ihre Gedanken lesen zu können. Egal ob es nur ein unbewusstes Zucken im Gesicht war, ein erhöhter Herzschlag oder unsinniges Gestikulieren. Plus ein bisschen Menschenkenntnis, was durch aus hilfreich war und die Sache erleichterte.

Unerwartet hockte sich Erik hinter Jyn, drückte ihr ein Kuss auf den Hinterkopf und hielt ihr ein Glas mit Schraubverschluss vor die Nase.

"Oh mein Gott.", vollkommen begeistert nahm Jyn Erik das Glas ab, drehte es im Licht und betrachtete fasziniert das darin schwimmende Herz, "Wie wunderschön du doch bist."

"Dachte ich mir.", unverständlich, wie sich jemand über Herz freuen konnte, legte er die Armen um ihren Bauch und sah dabei zu, wie sie mit dem Fingernagel des Zeigefingers über das Glas kratzte, "Jede Frau wünscht sich Blumen und du freust dich über ein menschliches Herz."

"Warum auch nicht?! Schau es dir doch an. Es ist eines der faszinierendsten Dinge, die es auf der Welt gibt. Genau wie unser Gehirn.", ohne Aufhören können zu lächeln, rutschte sie ein Stück nach hinten, lehnte sich gegen Erik's Brust und das Herz im Glas fing an zu schlagen und pochen, "Wie ich doch sagte. Wunderschön und faszinierend zugleich. Kein Gehirn, okay? Es gehörte einer Frau. Vierunddreißig. Nicht das Herz einer Sportlerin, ein Normales. Umgebracht hat sie die Leber."

"Du hältst ein Herz in den Händen und dennoch weißt du, dass die Leber der Grund war?", fragte er in einen Tonfall, als ob sie selbst nicht anwesend wäre, "Es dürfte noch nicht einmal schlagen."

"Blutkreislauf. Alles fließt zum Herzen. Das Blut der Niere, der Leber oder auch der Milz, irgendwann gelangt es zum Herzen.", verträumt lehnte sie ihren Kopf gegen seinen und neigte das Glas etwas zur Seite, "Es hat mal geschlagen. Dann kann man es auch wieder zum Schlagen bringen. Was stirbt kann auch wieder Leben. Menschen und Tiere nicht, ich kann es nicht, doch irgendwer kann es sicherlich. Überhaupt, wie kommt man auf diese Idee und woher kommt es?"

"Du hast etwas gesagt, dann Charles und ja.", schweifte er aus, weshalb sie mit leicht geöffnetem Mund und in Falten gelegter Stirn über die Schulter sah, "Aus einer Art Krankenhaus. Nicht direkt ein Krankenhaus aber......"

"Die Pathologie zufälligerweise?", ergänzte sie mit hochgezogenen Augenbrauen und winkte gleich darauf ab, "Nein, ist egal. Manche Sachen will man einfach nicht wissen."

Sollte man nicht wissen. Auf so eine Idee erst mal zu kommen. Als Jyn zum ersten mal ein Herz in den Händen hielt, hat zum Glück niemand mitbekommen wie es begonnen hatte zu schlagen.




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Habt ihr irgendwelche Wünsche für die letzten Kapitel von Part I ?

✔Unter uns der Tod - A X-Men Story✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt