✔Wie unsere Geschichte ihr Ende nahm

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Blubbernd blätterte Jyn die aktuelle Seite auf ihrem Klemmbrett um und kritzelte schnell ein paar Notizen auf den Fuß der Seite. Nur noch ein paar Jahre, nur noch ein paar Jahre, dachte sie sich immer wieder und legte das Klemmbrett zur Seite, um sich gleich das Nächste zu nehmen. Es war nicht so, dass dies hier schlecht sei, bloß, berauschend war aber auch nicht. Leitende Oberärztin der Notaufnahme, eine fünfzig bis sechzig Stunden Woche oder mehr und umgebenden von Verletzten bis schwerverletzten Menschen, von denen es nur selten welche gab, die es nicht schafften. Was schließlich der Sinn dieses Jobs war, Menschen nicht sterben zu lassen. Gruselig.

"Blake", es war der Chefarzt und Leiter der Allgemeinchirurgie, der nach Jyn rief, "Station Fünf. Haben Sie Ihren Pieper nicht gehört?"

"Nein, weil nichts war", um dennoch sicherzugehen, warf Jyn einen flüchtigen Blick auf ihren Pieper, womit sie recht behalten sollte, "Wie ich schon sagte, da war nichts."

"Station Fünf", wiederholte der Chefarzt bestimmt und deutete mit einer Kopfbewegung energisch nach oben, damit sich Jyn in Bewegung setzte, "Ist ganz nach Ihrem Geschmack. Dürfte Ihnen gefallen."

Dürfte ihnen gefallen. Eine Aussage, die ausnahmslos auf alles zutreffen konnte. Messerstecherei zum Beispiel. Das einzige was in letzter Zeit spannend gewesen war, war ein Motorradfahrer, der nach einen Unfall eingeliefert worden ist. Nicht spannend? Dieser war ohne Helm gefahren. Fahrradfahrer ohne Helm? Normal und ja, wer trägt beim Fahrrad fahren heutzutage noch einen Helm? Die wenigstens, beim Motorrad fahren jedoch, da dürfte die Straße ziemlich unschön ausgesehen haben. Rot eventuell und das, wäre nicht mal das Schlimmste.

Summend warf Jyn das Klemmbrett zurück zu den Restlichen auf den Stapel, trottete durch die Notaufnahme und blieb auf halbem Wege stehen. Kurz darauf begann sie zu blinzeln und blickte über die Schulter nach hinten. Schmunzelnd zog sie den linken Mundwinkel hoch; neigte den Kopf leicht zur Seite, zu einer stummen Begrüßung und ging dann kaum merklich mit dem Kopf schütteln sowie einmal Augen rollen, hoch auf Station fünf. Noch vierunddreißig Jahre und womöglich, werden diese doch nicht so schlimm werden, wie zunächst angenommen. Anders als geplant, anders als wie gehofft und anders als zu träumen erhofft.

Auf der fünf angekommen, nahm sie gleich eine Mappe entgegen und blieb dabei mit ihrem Blick auf ihrem rechten Unterarm hängen. Schlangen waren schon immer faszinierende Geschöpfe. Außerdem gab es einen Grund, warum man ihr eher den Arm abhacken musste als dass sie dieses Armband freiwillig abnahm. Seit mittlerweilen sechs Jahren trug sie es ununterbrochen. Und auch die Dornenranke war ein Teil ihres Lebens geworden, die nicht mehr wegzudenken war.

Alte Versprechen, (Zu)künftige, die wohl an der Zeit waren eingehalten zu werden.






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Anmerkung (Februar 2021): Die Fortsetzung "Einmal Tod ist nicht Tod genug" ist online.

✔Unter uns der Tod - A X-Men Story✔Where stories live. Discover now