Auf rosaroten Wolken

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Als ich weitere fünf Minuten später gehetzt vor dem Gewächshaus zum Stehen komme, überlege ich, ob ich nun einfach in den Unterricht platzen, oder leise den Raum betreten und einfach an meinen Platz gehen sollte. Ich entscheide mich dazu, einfach zu Professor Mason zu gehen und mich zu entschuldigen. Ich kann ja den wahren Grund nennen, weshalb ich zu spät kam. Die Sache mit dem blonden Jungen kann ich ja auch einfach weglassen - was interessieren meine Peinlichkeiten einen Lehrer?

Entschlossen hole ich noch einmal tief Luft und drücke die Türklinke runter. Ich sehe in den Raum. Dort stehen alle Schüler hinter drei Tischen, sie sind als U aufgestellt worden. Alle Schüler haben etwas Flauschiges an den Ohren und als ich genauer hinsehe, kann ich erkennen, dass es Ohrenschützer sind. Außerdem steht vor jedem Schüler ein Blumentopf.

Nun schaue ich zu Professor Mason rüber. Auch sie hat flauschige Ohrenschützer auf. Das alles sehe ich im Bruchteil einer Sekunde.
Ich erkenne noch, wie Professor Mason ihren Arm in einen Blumentopf steckt und eine sehr komisch aussehende Wurzel herauszieht, bevor alles um mich herum schwarz wird.

"...großes Glück gehabt. Wenn sie einwenig größer gewesen wäre, würde sie nun nicht mehr unter uns weilen."
"Sie haben vollkommen Recht, Professor. Selbst ich weiß, dass der Schrei einer ausgewachsenen Alraune tödlich sein kann." "Allerdings. Damit ist nicht zu spaßen. Aber wer hätte denn auch wissen sollen, dass Miss Potter zu spät zum Unterricht erscheint?". Wie von weit her höre ich Stimmen. Ich öffne meine Augen einen Spalt breit, doch schließe sie sofort wieder, weil ein hinterhältiger Sonnenstrahl mir genau ins Auge scheint.

Aus dem, was ich gesehen habe schließe ich, dass ich wohl im Krankenflügel sein muss. Aber warum? Da fällt es mir wieder ein. Ich bin zu spät zum Unterricht gekommen und als ich gerade ins Gewächshaus gehen wollte, wurde mir plötzlich schwarz vor Augen. Ich bin wahrscheinlich ohnmächtig geworden.

Nun versuche ich, mich mehr auf das Gespräch zu konzentrieren. "Wie gesagt, wir können von Glück reden, dass die Alraune noch nicht ausgewachsen war.", sagt gerade eine hohe Frauenstimme. Das muss die von Professor Mason sein. Eine andere Stimme antwortet auf die meiner Lehrerin. "Sicher, Professor, einen Tod zu verantworten ist nicht leicht.". Das ist die Krankenschwester des Krankenflügels. "Nun machen Sie mal keinen Elefanten aus der Maus. Schließlich ist ja alles gut gegangen.", antwortet mein Dad. Was macht er denn hier? Ach, stimmt, der Schulleiter wird ja auch über solche Fälle informiert.

Aber über was reden sie da überhaupt? Was ist denn eine Alraune? Habe ich das nicht schonmal irgendwo gehört? Doch bevor ich noch weiter darüber nachdenken kann, falle ich schon wieder zurück in einen traumlosen Schlaf...

Verwirrt blinzelnd, öffne ich meine Augen. "Na endlich. Du bist wach! Ich dachte schon, ich müsste hier verhungern.", brüllt mir eine Stimme ins Ohr. "Ruby?", frage ich verschlafen. "Was machst du denn hier?". Sie antwortet, als ob es das Natürlichste auf der Welt wäre: "Darauf warten, dass du endlich wach wirst, natürlich." "Schon geschehen. Kannst du mir jetzt bitte endlich erklären, was - bei Merlins pinker Unterhose - hier los ist?". Ruby öffnet den Mund, um zu antworten, aber sie wird unterbrochen. "Gut, dass Sie nun wach sind, Miss Potter.". Die Krankenschwester kommt aus ihrem Büro. "Wie geht es Ihnen?".

"Gut", antworte ich kurzangebunden. "Wollen Sie irgendetwas Bestimmtes haben?", fragt die Krankenschwester weiter. Alles, was ich im Moment haben will, ist, dass ich wieder mit Ruby allein sein kann und sie mir alles erzählt. "Nein.", antworte ich. "Okay. Dann komme ich nachher nochmal wieder und schaue, wie es Ihnen dann geht.". Ich nicke und stöhne erleichtert auf, als sie wieder in ihrem Büro verschwunden ist.

"Okay. Was ist passiert?", frage ich Ruby neugierig. Sie spielt nervös mit den Fransen ihres blauen Rockes. "Naja... Du hast uns allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Wir dachten, du wärst tot!". Ruby holt tief Luft. "Als du ins Gewächshaus gestürmt kamst, ist mir eingefallen, dass ich dich komplett vergessen habe. Ich hätte Professor Mason sagen können, dass sie noch nicht mit dem Unterricht beginnen sollte. Aber ich habe vollkommen verdrängt, dass du zu spät kommen würdest. Es tut mir so leid, Lily.".

Mittlerweile ist sie schon den Tränen nahe. "Beruhige dich! Erzähl nochmal ganz langsam. Ich verstehe ja kein Wort.", sage ich. Stockend erzählt Ruby: "Professor Mason kam rein und sagte, dass wir Alraunen behandeln werden.". "Moment mal", unterbreche ich sie. Mir ist soeben etwas eingefallen. Alraunen sind doch diese komischen Dinger, deren Geschrei tödlich sein kann. Der von den Ausgewachsenen, zumindest. Wohnen sie nicht in der Erde? Deshalb bin ich wahrscheinlich ohnmächtig geworden, als Professor Mason eine Alraune umgetopft hat. Wahrscheinlich war die Alraune noch sehr jung.

Nun erinnere ich mich auch, wie ich von den Alraunen erfahren habe. Albus hat im letzten Schuljahr ein Brief nach Hause geschickt, in dem er geschrieben hat, wie es ihm geht. Er hat in dem Brief auch erwähnt, was für eine schwere Arbeit es ist, Alraunen umzutopfen. Aber das war in seinem 2. Schuljahr...

"Wieso behandeln wir Alraunen jetzt schon? Ich dachte, sie kommen erst im 2. Schuljahr ran?", frage ich. Ruby nickt. "Das dachte ich auch. Deshalb habe ich Professor Mason auch gefragt, was es mit dieser Tatsache auf sich hat.". "Und?". Die Neugier in mir ist geweckt. "Was hat sie gesagt?". "Sie hat gesagt, dass der Schulleiter schon seine Gründe für die Lehrplanänderung hätte.". Diese Reaktion stimmt mich nachdenklich. Ich muss bei der nächsten Gelegenheit auf jeden Fall mit meinem Dad darüber reden!

"Es tut mir wirklich so leid, Lily!", entschuldigt sich Ruby nochmals. "Ich hätte dich wirklich nicht vergessen dürfen. Wie konnte das nur passieren?". Ich grinse. "Längst vergeben und vergessen. Fehler macht doch jeder mal. Aber mich würde schon brennend interessieren, wie das passieren konnte.". Ruby wird rot wie eine Tomate. "Also, ähm...", stottert sie. Aha! Wusste ich doch, dass da mehr, als nur ein schlechtes Gedächtnis hinter steckt.

"Kannst du dich noch an die Zaubertränkestunde von heute Vormittag erinnern?", fragt sie. Natürlich kann ich, obwohl es sich für mich nicht so anfühlt, als ob das heute Vormittag gewesen war. In der Zwischenzeit ist viel zu viel passiert!
Ich nicke. "An unserem Tisch saßen doch zwei Jungs aus Slytherin.". Ruby wird noch röter, wenn das überhaupt möglich ist. Ich weiß ganz genau, was jetzt kommt, aber irgendwie will ich es mir nicht entgehen lassen, wenn Ruby es selbst erzählt. "Naja, der eine von beiden - der große, schlanke Junge, mit den süßen Sommersprossen im Gesicht und diesen braunen Haaren - hat mich auf dem Weg zum Gewächshaus abgefangen. Er hat mich gefragt, wie ich heiße.". Ihr Gesicht nimmt einen schwärmerischen Ausdruck an.

"Er ist so nett und aufmerksam.". Ich versuche, mir ein Lachen zu verkneifen. "Dich hat es wohl ganz schön erwischt, oder?", frage ich. Ruby blickt mich fragend an. Ich kann es gar nicht glauben. Ruby hat sich schon am ersten Tag in Hogwarts verliebt. Und dann auch noch in den "Stock". Sie kennt ihn doch noch nicht mal.
Aber es scheint so, als hätten wir beide zum selben Zeitpunkt eine Begegnung mit unseren Tischnachbarn in Zaubertränke gehabt. Was für ein lustiger Zufall!

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Hallo,
hier ist noch ein neues Kapitel. Nehmt es als Dankeschön für 99 Reads ☺️
Ja, über 99 freue ich mich schon fast mehr, als wenn es 100 wären.
Außerdem habe ich dieses Buch nur so auf gut Glück angefangen, aber dass es schon 99 Reads hat, ist echt der Wahnsinn!
Danke😉

Eure Vilureef

Die Tochter Harry Potters Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt