Der Mondstein

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Drei Monate später hat sich das Wetter wieder verändert. Die Sonne beschert uns jeden Tag länger mit ihrem Besuch und man sieht viele Schüler, die statt ihre Hausaufgaben zu machen, im See baden gehen und warten, bis die Sonne untergeht und ein sternenklarer Himmel sie empfängt.

Ich kann es mir jedoch nicht leisten, am See zu sein, denn schon vor ein paar Wochen habe ich damit begonnen, für die Prüfungen zu lernen. Wenn sie wirklich so schrecklich sind, wie James immer meint, dann möchte ich auch auf sie vorbereitet sein.

An einem Montag im Juni sitze ich mit Ruby in der großen Halle. "Wir haben jetzt Zaubertränke, oder?", fragt sie mich, als Flügelgeflatter die Große Halle erfüllt. Die morgendliche Post kommt an und jeder schaut mit einem erwartungsvollen Blick nach oben, um zu sehen, ob er Post bekommen hat.

"Ist etwas Wichtiges passiert?", frage ich Ruby, die gerade von einer mir unbekannten Eule den Tagespropheten gebracht bekommen hat. Ruby liest konzentriert das Titelblatt und meint dann: "Nein. Ein paar Spenden für das St. Mungo Hospital und ein Umbau im Zaubereiministerium. Nichts Wichtiges, also.". Ich nicke. Eigentlich hätte ich fast mit einem erneuten Ausbruch aus Askaban gerechnet, aber scheinbar ist dem nicht so.

"Was hast du sonst noch so bekommen?", frage ich weiter und zeige auf den Brief, der von einer zweiten Eule gebracht wurde. Ruby nimmt ihn in die Hand und sagt dann: "Der ist von meinen Eltern.". Danach ist sie für einige Minuten still, weil sie dabei ist, den Brief zu lesen. "Deine Eltern haben sich am Wochenende mit meinen getroffen.", meint Ruby schließlich.

Ich sehe sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Sie kennen sich doch von früher aus der Schule. Und jetzt haben sie sich mal zum Abendessen verabredet.", erklärt sie schnell. Jetzt fällt mir auch wieder ein, auf was für einen Zufall wir gestoßen sind, als ich mich damals bei Ruby entschuldigt habe. Ich glaube, das war in den Winterferien. Wo ist nur die Zeit geblieben?

Fünf Minuten später stehen Ruby und ich vor dem Raum, in dem wir gleich Zaubertränke haben werden. "Wollen wir heute Nachmittag für Verwandlung lernen?", frage ich Ruby, aber sie gibt mir keine Antwort. Sie starrt die ganze Zeit auf einen Punkt hinter mir und auch ohne mich umzudrehen, weiß ich, wen sie da ansieht.

Ich seufze: "Wieso sprichst du ihn nicht einfach an?". Ruby zuckt zusammen, als würde sie jetzt erst merken, dass ich immer noch neben ihr stehe. "Nie im Leben würde ich ihn ansprechen!", meint Ruby empört. "Er kennt mich doch nicht mal und würde mich wahrscheinlich sofort abservieren.". Ich sehe sie irritiert an. "Ich wäre mir da nicht so sicher. Du kennst Jack schließlich auch nicht.".

So sehr es mich auch erschüttert hat, dass Jack Scorpius und mich in eine solche Gefahrensituation gebracht hat, möchte ich dennoch, dass Ruby auf Jack zugeht. Ich würde es ihr von Herzen gönnen, wenn Jack sie genauso mag, wie sie ihn. Ruby schüttelt den Kopf: "Er mag keine Gryffindors.". "Es gibt immer wieder Ausnahmen.", sage ich und muss gleichzeitig an Scorpius und mich denken.

Ich seufze und Ruby sieht mich gleich mit einem wissenden Blick an: "Ich habe Scorpius und dich schon lange nicht mehr zusammen gesehen.". Wie sehr sie damit ins Schwarze getroffen hat, kann Ruby ja nicht wissen. "Ich habe ihn nicht mehr so oft gesehen.", meine ich schulterzuckend. Dass Scorpius mir so offensichtlich aus dem Weg geht, schiebe ich darauf, dass er für die Prüfungen lernen muss. Aber trotzdem habe ich ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache.

In diesem Moment kommt Professor Hensley um die Ecke und begrüßt mich mit einem Lächeln. Das tut er immer, wenn er mich sieht. Ich würde schon sagen, dass ich seine Lieblingsschülerin bin, aber trotzdem habe ich die gleichen Voraussetzungen, wie alle anderen auch. Professor Hensley lobt mich nicht, wenn ich etwas falsch gemacht habe, aber er lobt mich mehr als andere, wenn ich etwas Richtiges gemacht habe.

Im Kerker setze ich mich auf meinen gewohnten Platz neben Ruby und gegenüber von Scorpius und Jack, so, wie wir uns in der ersten Stunde vor nun neun Monaten hingesetzt haben. Scorpius würdigt mich keines Blickes und das Gefühl in meinem Bauch wird stärker. Ruby lächelt Jack zu, aber der hat sich, nachdem er sich hingesetzt hat, sofort zu Professor Hensley umgedreht.

"Heute werde ich mal schauen, wie fit ihr für die Prüfungen seid.", beginnt Professor Hensley die Stunde und ich kann durch seine Worte erahnen, dass er jemanden mündlich testen wird. Es ist mir egal, wenn ich es bin, denn ich bin für alles gut vorbereitet. "Toby, würdest du bitte zu mir nach vorne kommen und einen Heiltrank gegen Furunkel brauen?", sagt Professor Hensley. "Die Anderen schauen bitte zu und sagen mir nachher, was Toby richtig, und was er falsch gemacht hat.".

Toby Bridges ist in meinem Jahrgang und auch in Gryffindor. Er ist sehr schüchtern und zurückhaltend, weshalb er nicht so sehr auffällt. Ich habe schon viel mit ihm geredet und erfahren, dass er keine Geschwister hat und seine Eltern beide im Zaubereiministerium arbeiten. Er besitzt einen kleinen Minimuff, der ab und zu mal durch den Gemeinschaftsraum läuft. Toby kann sehr gut mit dem Besen fliegen, aber in Zaubertränke ist er unbegabt.

Wie in Zeitlupe läuft Toby nach vorne zu Professor Hensley. Ich habe sehr viel Mitleid mit ihm und bin ein wenig wütend auf Professor Hensley, weil er ganz genau weiß, dass Toby nicht gut in Zaubertränke ist. Als Toby vorne steht und mich kurz ansieht, lächele ich ihm unauffällig zu. Denn ein Lächeln kostet mich nichts, aber ich weiß, dass es in diesem Moment für Toby sehr viel wert ist.

Ich spüre, wie ich gegen mein Schienbein getreten werde und unterdrücke nur mit Mühe den Drang, laut aufzustöhnen. Ruby sieht mich entschuldigend an, was mir klarmacht, dass sie mich getreten hat. "Warum..?", fange ich an, doch Ruby sieht nur geradeaus und ich folge ihrem Blick. Sie schaut zu Scorpius, der Toby mit zusammengekniffenen Augen ansieht und die Arme vor der Brust verschränkt hat.

"Was ist nur los mit ihm?", flüstert mir Ruby zu, aber ich kann nur mit dem Kopf schütteln. "Ich habe keine Ahnung.". Wie gerne würde ich wissen, was gerade in seinem Kopf vor sich geht. Warum geht Scorpius mir aus dem Weg? Hat er nach allem, was wir bis jetzt durchgemacht haben, gemerkt, dass es doch nichts mit unserer Freundschaft wird? Oder warum ist er so abweisend?

"Lily?", werde ich von Professor Hensley aus meinen Gedanken gerissen. Ich schrecke aus meinen Gedanken und sehe ihn erwartungsvoll an. "Kommst du nach der Stunde noch kurz zu mir? Ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen.". Ich nicke. Danach zerbreche ich mir den Kopf darüber, was Professor Hensley mir zu sagen hat. Ob es etwas Gutes oder eher etwas Schlechtes ist. Und mit dieser düsteren Aussage lässt er mich bis zum Ende der Stunde allein.

"Sie wollten mich sprechen, Sir?", sage ich zu Professor Hensley, als alle schon verschwunden sind, um pünktlich zum Mittagessen zu kommen. "Ja, Lily. Ich wollte dich um etwas bitten.". Zum Einen bin ich erleichtert darüber, dass es nichts schlimmes ist, aber zum Anderen habe ich auch Angst davor, um was Professor Hensley mich bitten könnte.

"Könntest du bitte für mich in den Verbotenen Wald gehen, wenn das Spiel zwischen Gryffindor und Ravenclaw stattfindet? Ich muss das Spiel kommentieren und kann mich deshalb nicht selbst darum kümmern.", erklärt Professor Hensley. Ich werde ein bisschen stutzig, als er erwähnt, dass ich in den Verbotenen Wald muss. Auch wenn ich das Verbot manchmal missachte, gilt es dennoch für jeden Schüler.

Professor Hensley erklärt mir noch, dass ich einen gewissen Mondstein finden soll, den er für einen bestimmten Trank braucht. Er hat mir auch erklärt, wo ich diesen Stein finden kann. Nach langem Überlegen stimme ich zu und mache mich auf den Weg zum Mittagessen, nichtahnend, in welche Gefahr mich diese Zustimmung noch bringen wird...

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Hi,
ich melde mich jetzt auch mal wieder 💞
Es tut mir Leid, dass ich in dieser Woche bisher noch nichts geupdatet habe, aber ich musste mich erst mal wieder auf die Schule einstellen ✨
Danke für 834 Reads, ihr seid echt klasse 🙈
Ein schönes Wochenende!

Eure Vilureef

Die Tochter Harry Potters Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt