Scorpi-Schätzchen

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Am nächsten Morgen stehe ich wie gewohnt auf und mache mich fertig für die Schule. Ich gehe auch zum Frühstück, so wie sonst immer. In der Großen Halle werfe ich ab und zu verstohlene Blicke hinüber zu Scorpius und das leckere Essen kann ich heute gar nicht so richtig genießen. Dafür bin ich viel zu aufgeregt. Ob Scorpius etwas Spannendes erlebt hat? Irgendwie verrät mir mein Bauchgefühl, dass etwas passiert ist. Vielleicht täuscht es mich ja nicht...

Als Scorpius aufsteht, weiß ich, dass er nun darauf wartet, dass ich ihm folge. Ich schiebe meinen Stuhl ebenfalls zurück, aber erst, als er schon aus der Halle verschwunden ist und folge ihm dann. Ruby habe ich vorher gesagt, ich hätte ein wichtiges Buch oben vergessen. Mir ist klar, dass sie langsam misstrauisch wird. Und ich halte sie auch für ein schlaues Mädchen, deswegen kann ich mir schon denken, dass sie weiß, wohin ich verschwinde.

Trotzdem erzähle ich es ihr nicht. Ich weiß selbst nicht, warum. Vielleicht, weil ich es nicht über meine Lippen bringen kann. Vielleicht, weil ich weiß, dass sie schon etwas ahnt. Vielleicht, weil ich trotz allem kein gutes Vertrauen zu ihr habe, denn das fällt mir bei anderen Menschen sehr schwer. Alles nur Vermutungen, die Welten von dem entfernt sind, was sich Lösung nennt.

Ich folge Scorpius bis zu den Gewächshäusern. Auf dem Weg drehe ich mich immer wieder um, um mich zu vergewissern, dass uns wirklich niemand bemerkt hat. Gleichzeitig versuche ich, den gebührenden Abstand zwischen Scorpius und mir aufrecht zu erhalten. Als wir endlich an unserem Treffpunkt ankommen, atme ich erleichtert auf.

Scorpius grinst mich verschmitzt an: "Macht dir das etwa schon zu schaffen?". Hat er das gerade wirklich gefragt? Tsss, als ob ich danach schon schlapp machen würde. Dass ich nicht lache! "Wovon träumst du nachts?", gebe ich empört zurück. "Also, heute Nacht...", setzt er an, doch ich unterbreche ihn schmunzelnd. "Du weißt doch, dass das nur eine rhetorische Frage war.".

Scorpius schüttelt den Kopf und lächelt. "Was hast du eigentlich gestern noch so erlebt? Wie war die Strafarbeit?". Ich wundere mich über den plötzlichen Themenwechsel. "Nicht viel.", gebe ich meine ehrliche Antwort. Was soll ich schon großartig erzählen?

Ich sehe Scorpius an, dass er mir unbedingt etwas erzählen möchte. Er tritt von einem Bein auf das andere und macht den Mund auf und wieder zu, wie ein stummer Fisch. "Und bei dir?", frage ich, um ihn zu erlösen. "Ich dachte, du fragst nie!", grinst er, aber kurz darauf wird er wieder ernst. "Du wirst mir nicht glauben, was ich gestern erlebt habe!". Und schon setzt er zu einer langen Erklärung an.

"Ich war ja bei deinem Dad und musste ihm dort helfen, seine Briefe zu sortieren. Da gab es so verschiedene Kategorien wie "beruflich", "privat", "vom Zaubereiministerium" und noch weitere. Es war total langweilig, diese Arbeit zu erledigen.". "Komm auf den Punkt.", sage ich ungeduldig, weil ich nicht glaube, dass das die Pointe des Ganzen ist. "Ja, ja, mach ich doch gleich.".

Dann fährt Scorpius fort. "Jedenfalls hat sich dein Dad dann irgendwann entschuldigt, weil er wohl noch etwas Anderes zu erledigen hatte. Ich glaube zwar, er war nur auf der Toilette, aber man weiß ja nie. Und als er weg war, ist mir ein Brief ins Auge gestochen: Er war vom Zaubereiministerium, aber der Absender stand nicht mit grüner Tinte auf dem Brief, wie alle anderen, die ich schon in derselben Kategorie eingeordnet hatte, sondern mit roter.
Deswegen habe ich ihn mir mal genauer angesehen.". Scorpius schmunzelt.

Ich weiß, was er getan hat. Ich sehe es an dem Funkeln in seinen Augen und an der Art, wie er es gesagt hat. "Wo ist er?", frage ich. Er zieht den Brief mit einer eleganten Handbewegung aus der Tasche seines Umhanges. "Hör mal, du musst ihn wieder zurückbringen. Heimlich, meinetwegen, aber wenn jemand merkt, dass er weg ist...", meine Stimme verliert sich.

Scorpius schüttelt energisch den Kopf. "Ach was, das wird schon niemand merken. Nun lies ihn doch erstmal.". Und weil Scorpius mit dem Brief so verlockend vor meinen Augen herumschwenkt und weil er ja jetzt sowieso schon entwendet wurde, greife ich zu und öffne ihn:

Sehr geehrter Mr. Potter,
wir haben eine kleine Bitte an Sie, die Sie hoffentlich nicht zurückweisen werden. Wie Ihnen vielleicht zu Ohren gekommen ist, gab es einen Doppelausbruch in Askaban. Die Verbrecher Daphne Greengrass und Blaise Zabini sind noch immer auf der Flucht, und wir versuchen alles, was wir tun können, um die Täter zu stellen. Dennoch ist es uns bisher leider nicht gelungen und wir wollen Sie nun darum bitten, Dementoren auf das Schlossgelände von Hogwarts zu lassen. Es würde für mehr Sicherheit sorgen und uns allen schlaflose Nächte ersparen.

In der Hoffnung auf eine baldige Antwort und mit freundlichen Grüßen

William Lorring
Vorsitzender der Aurorenzentrale im Zaubereiministerium

Mir klappt der Mund auf. Ich sehe vom Brief auf und ziehe die linke Augenbraue hoch. "Schutz für alle? Wohl eher besseres Alibi. Die wollen doch nur gut vor ihrem Volk und den Zeitungen dastehen!", beschwere ich mich. Ich weiß, was Dementoren sind, aber ich wünschte, ich wüsste es nicht so genau. Und die sollen jetzt nach Hogwarts kommen? Es ist doch von Anfang an klar, dass sie uns keine Sicherheit bringen werden, sondern eher das komplette Gegenteil!

"Das war auch das Erste, was mir in den Sinn gekommen ist.", meint Scorpius und lächelt. Wie kann er das Ganze nur noch mit Humor sehen? Ich sehe da echt keine lustige Stelle. Aber wir werden unterbrochen und ich stecke Scorpius schnell den Brief zu. "Den bringst du auf jeden Fall zurück!", sage ich streng.

Und dann kommt unser "Störer" auch schon bei uns an. "Hallo, Scorpi-Schätzchen!", flötet ein blondes Mädchen, welches Scorpius übertrieben anlächelt. Scorpi-Schätzchen? Was ist das denn für ein Spitzname? Scorpius scheint das Ganze sichtlich unangenehm zu sein und ich merke, dass er genauso viel von seinem Spitznamen überzeugt ist, wie ich es bin.

"Äh...hey, Leyla.", stottert Scorpius sichtlich verlegen. Und mir stellt sich die Frage, wer dieses Mädchen überhaupt ist. "Was machst du hier?". Leyla starrt Scorpius verwirrt an und beachtet mich gar nicht. "Na, ich bin dir gefolgt.", sagt sie, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. "Ich habe gesehen, wie du hierhergekommen bist und bin dir hinterhergelaufen, um dir diesen Brief zu geben.". Leyla schwenkt Scorpius mit einem Brief vor der Nase herum, so wie er es vor nicht mal fünf Minuten bei mir getan hat.

Und dann fällt der Blick von Leyla auf mich. "Wer ist denn das?", fragt sie naserümpfend. Empört sehe ich sie an und bin gerade im Begriff, etwas zu erwidern, als Scorpius mir zuvorkommt. "Das ist Lily, eine Freundin von mir.", erklärt er. Eine Freundin? Ich dachte, ich wäre seine beste? Das aus seinem Mund zu hören, versetzt mir einen Stich.

"Könntest du jetzt bitte gehen? Wir haben noch etwas Wichtiges zu besprechen.", sagt Scorpius genervt zu dieser Leyla und ich grinse in mich hinein. Sie macht ein trauriges Gesicht und schiebt ihre Unterlippe vor, was bei ihr einfach lächerlich aussieht. Und dann geht sie weg. Scorpius atmet erleichtert auf. Doch dann runzelt er die Stirn.

"Von wem kann der wohl sein?", murmelt er, eher zu sich selbst, als zu mir. Und dann liest er den Brief und ich kann es fast in seinem Gehirn rattern hören. Am Ende sieht er auf und hat eine steile Falte zwischen den Augenbrauen. Er hält mir den Brief hin. "Was hältst du davon?", fragt er mich und ich nehme ihm den Brief ab. Zum zweiten Mal an diesem Tag gespannt, was wohl darin stehen könnte, beginne ich, ihn zu lesen...

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Hi,
hier ist das vierte Kapitel, also schon das vorletzte 🙈
Ich muss zugeben, dass die Lesenacht wirklich schnell umgeht ✨
Na, was meint ihr wird in dem Brief stehen? Irgendwelche Vermutungen 💞
Wenn nicht, dann müsst ihr eben eine Stunde abwarten. Wir sehen uns dann!

Eure Vilureef

Die Tochter Harry Potters Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt