Ein Reinfall mit Folgen

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Was mir sofort ins Auge sticht, ist die Länge des Briefes: Er ist ziemlich kurz gehalten, was darauf hindeutet, dass es sich um eine eindeutige Botschaft handelt.

Scorpius Malfoy,
ich muss unbedingt mit dir reden, also komme bitte heute Abend gegen 21 Uhr in die Lichtung im Verbotenen Wald. Du musst an Hagrids Hütte vorbeigehen und ab dort werden dir schwebende Kerzen den Weg weisen.

In der Hoffnung, dich heute zu sehen,

Dein Freund

Ich schaue Scorpius irritiert an. "Dein Freund? Wenn es ein Freund von dir ist, dann kann er doch auch ruhig seinen Namen nennen, oder? Eine ziemlich zwielichtige Aussage.", stelle ich fest. Scorpius nickt und denkt angestrengt nach. "Ich habe wirklich keine Ahnung, wer das sein könnte.".

"Wie wärs, wenn du einfach dort hingehst, dich aber versteckt hältst, bis du "deinen Freund" erkennst.", schlage ich vor und setze den Freund in Anführungszeichen, die ich in die Luft male. "Du hast Recht.", meint Scorpius. Er sieht ziemlich niedergeschlagen aus, was mich auf eine Idee bringt: "Wie wäre es, wenn ich mitkomme und dir Gesellschaft leiste? Dann musst du dich nicht alleine auf die Lauer legen!".

Scorpius lächelt und stimmt meinem Vorschlag zu. Wir machen aus, dass wir uns eine halbe Stunde vor 21 Uhr an Hagrids Hütte treffen und von dort aus gemeinsam zum Treffpunkt gehen werden. Dann drehe ich mich um und laufe zurück zum Schloss. Doch plötzlich fällt mir noch eine Frage ein, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge liegt und ich drehe mich nochmal um: "Scorpius?".

Er schaut auf und scheint in Gedanken vertieft gewesen zu sein. "Hm?", macht er. "Wer war dieses Mädchen vorhin?". Er schaut mich mit einem undefinierbaren Blick an und antwortet dann: "Sie heißt Leyla Preston und geht auch nach Slytherin. Sie hängt ständig an mir, wie eine Klette.". Ich sehe ihn genau an und komme zu dem Schluss, dass er mir die Wahrheit erzählt. "Danke. Ähm...bis dann also.", murmele ich noch und mache dann, dass ich so schnell wie möglich wegkomme.

Ich stehe pünktlich hinter der Hütte von Hagrid und warte, bis Scorpius auch kommt. Minuten vergehen und ich frage mich gerade, ob Scorpius unseren Plan vergessen hat oder, ob er jetzt doch einen Rückzieher macht, als ich ein hüpfendes Licht in der Ferne erblicke und es bald darauf als die leuchtende Spitze seines Zauberstabes identifizieren kann.

"Wo warst du?", frage ich ihn wütend. Ich bin genervt davon, hier draußen in der Kälte zu stehen - weil es noch immer Winter ist - und auf ihn zu warten. "Leyla wollte mich nicht gehen lassen.", meint er nur und lächelt entschuldigend. Schon wieder diese Leyla. Wenn das jetzt so weiter geht, muss ich mal ein ernstes Wörtchen mit ihr reden. Schon allein die Tatsache, wie sie mich angewidert betrachtet hat, macht sie für mich einfach nur unsympathisch.

"Jetzt komm! Wir haben nur noch zehn Minuten, bis auch dein anonymer Freund bei der Lichtung sein wird.", stelle ich fest und ziehe Scorpius hinter mir her in Richtung Lichtung. Und tatsächlich weisen schwebende Kerzen uns den Weg und ich frage mich, ob der Absender des Briefes schon hier war, um die Kerzen zu positionieren. Gleichzeitig fühle ich mich beobachtet und habe das Gefühl, dass der "Freund" vielleicht noch hier sein könnte. Oder schon wieder.

Schneller laufen wir durch den Wald, bis wir zu der kleinen Lichtung kommen. Sie ist sehr hübsch, aber ich fürchte, im Dunkeln wird es hier sehr gruselig. Noch ist die Sonne nicht ganz hinter dem Horizont verschwunden, aber die Dämmerung ist schon angebrochen.

"Wohin?", flüstere ich Scorpius zu. Er sieht sich kurz um und zeigt dann auf einen großen, alten Baum, ganz in der Nähe der Lichtung. Von oben wird man sie gut erkennen können, aber wenn wir uns in den Ästen verstecken, wird man uns nicht sofort sehen.

Nachdem wir auf den Baum geklettert sind, versuchen wir, uns so klein wie möglich zu machen. Man hat von hier oben wirklich eine fantastische Aussicht. Trotzdem ist es sehr unbequem, auf dem harten Holz zu sitzen. Lange werde ich das nicht aushalten, aber ich habe das Gefühl, dass wir noch eine kleine Weile auf unseren anonymen Freund warten müssen.

Ich sehe Scorpius von der Seite an. Ich finde, das hier ist der richtige Moment, um ihm eine Frage zu stellen, die mich schon seit Tagen belastet. "Scorp?", frage ich. Wenn diese Leyla das mit den Spitznamen kann, kann ich das schon lange. Scorpius dreht sich zu mir und grinst wissend. Ist es so offensichtlich? Ich werde rot und mein Gesicht nimmt bestimmt die gleiche Farbe an, wie meine Haare.

"Ja?", fragt Scorpius. "Wieso erzählst du eigentlich nie etwas über deine Familie?", frage ich ihn direkt. Ob es vielleicht zu direkt war, weiß ich nicht, aber einen Versuch ist es wert. Wir können erst wissen, wie etwas ist, wenn wir es ausprobiert haben. So ist das bei allen Dingen im Leben.

Scorpius sieht betreten nach unten. "Vielleicht, weil ich es vergesse?". Es ist eher eine Frage, als eine Aussage. Doch so leicht kommt er mir nicht davon: "Dann hol es doch jetzt nach!". Und als er nach mehreren Sekunden des Schweigens immer noch nichts geantwortet hat, hake ich nach: "Ich habe deine Mum noch nie getroffen. Wie ist sie so?".

Scorpius seufzt. "Sie ist wirklich nett. Ziemlich zurückhaltend.". Ich habe das Gefühl, dass sie sich vielleicht nicht viel Zeit für ihren Sohn nimmt. Genau weiß ich es nicht, und deshalb möchte ich auch nicht sofort schlechtes von seiner Mum behaupten, obwohl ich sie noch gar nicht kenne. "Mum hat eine ältere Schwester: Daphne Greengrass. Sie war im selben Jahrgang, wie mein Dad und vielleicht haben sie sich deshalb kennengelernt.".

Ich seufze. Ziemlich viel scheint er auch nicht zu wissen. Wir warten und warten und auf dem Baum wird es immer unbequemer. Die Sonne geht unter und mittlerweile ist es gänzlich dunkel geworden. Ich habe das Gefühl, es wäre eine Stunde vergangen, es können aber auch nur Minuten gewesen sein.

"Und deine Mum ging auch nach Hogwarts?", versuche ich erneut ein Gespräch anzufangen. Aber Scorpius macht mir einen Strich durch die Rechnung und nickt nur. Nach einer noch längeren Zeit des Schweigens setze ich mich auf. Scorpius sieht mich fragend an. "Hör mal, Scorp.", sage ich und es ist immer noch komisch, ihm einen Spitznamen gegeben zu haben. "Ich glaube, das Ganze hier war nur ein Scherz. Vielleicht wollte dich jemand reinlegen.".

Scorpius setzt sich nun ebenfalls auf und schaut mich lange an. "Ich glaube, du hast Recht. Lass uns gehen.". Wir klettern nacheinander den Baum hinunter und machen uns dann schweigend auf den Weg zurück zum Schloss. Ich schaue zum Himmel hinauf und sehe den Mond, der heute unnatürlich hell leuchtet. Er hängt am Himmel, wie ein großer, weißer Ball. Vollmond.

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Hallo,
ich bin jetzt mal so fies und breche an dieser Stelle ab 😏
Das war das letzte Kapitel der Lesenacht und ich möchte mich bei allen bedanken, die dabei waren oder sich diese Kapitel erst zu einer späteren Zeit durchlesen werden ✨
Dieses Kapitel widme ich meinem 1. Fan (😂) und meiner besten Freundin 🙈. Sie wird sich bestimmt über den letzten Satz von Scorpius freuen 💞
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende 🙈

Eure Vilureef

Die Tochter Harry Potters Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt