Die erste Flugstunde

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Ich werde schon am nächsten Tag entlassen. Die Krankenschwester ist der Meinung, dass ich nicht zu viel vom Unterricht verpassen sollte. Meine Ohnmacht ist schließlich nicht so schwerwiegend. Normalerweise wäre ich da auch vollkommen ihrer Meinung - ich finde das Nacharbeiten des Stoffes schlimmer, als es gleich im Unterricht zu tun - aber ich hatte doch ein klein wenig gehofft, dass ich im Krankenflügel bleiben werde und dadurch nicht zur Flugstunde am Donnerstag muss.

Aber natürlich hat mir mein Schicksal wieder ein Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt werde ich mich am Donnerstag vor den Slytherins blamieren, die doch sowieso schon jede Schwäche eines Schülers rumposaunen. Ich werde da ein gefundenes Fressen für sie sein. Noch sind es zwei Tage bis Donnerstag - obwohl es mir lieber wäre, wenn ich es schon hinter mir hätte. Klar, vielleicht übertreibe ich ein wenig, aber seitdem ich als Kleinkind auf einen Besen gesetzt worden bin, habe ich ein Kindheitstrauma!

Viel zu früh steht der Donnerstag auf der Matte und klopft an die Tür. Und mir fällt mal wieder auf, dass die Zeit viel schneller vergeht, wenn man genau das verhindern will. Ich habe es immer noch nicht geschafft mit Dad über die "Lehrplanänderung" zu reden, aber versuche dennoch bei jeder freien Gelegenheit, ihn darauf anzusprechen - nur leider gab es bisher noch keine Gelegenheit.

Als ich neben Ruby in die Große Halle trete, bemerke ich zuerst die große Menschentraube, die am Ende des Slytherintisches steht. Was sehen sie sich denn alle an? Genau das frage ich Summer wenig später, als wir am Gryffindortisch sitzen. "Keine Ahnung", antwortet sie und zuckt mit den Schultern, während sie sich Erdbeermarmelade auf ihren Toast schmiert. "Es geht das Gerücht um, dass Jack Whiteman gegen die Regeln verstoßen hat und seinen eigenen Besen mit nach Hogwarts gebracht hat.", erklärt Lucas an ihrer Stelle.

Ich schaue wieder rüber zum Slytherintisch und sehe, dass der "Stock" von der Menschentraube umgeben ist. Schade, dass ich jetzt seinen Namen kenne, ich finde "Stock" beschreibt ihn so gut. Auch Ruby sieht zu ihm hinüber und seufzt. "Jack, was für ein schöner Name. Der passt zu ihm." "Du wusstest nicht mal, wie er heißt?", rutscht es mir heraus. Wie kann man denn in jemanden verliebt sein, von dem man noch nicht mal den Namen kennt? Ruby sieht mich empört an: "Woher denn auch?". Ich muss grinsen.

"Jedenfalls wurde sein Besen von Professor Wadington beschlagnahmt, dem Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste.", fährt Lucas fort.
Auch diese Tatsache scheint Rubys Schwärmerei für Jack nicht zu mindern. Im Gegenteil: Sie findet ihn nun noch attraktiver. Vielleicht steht sie ja auf sogenannte Bad Boys? Ich muss mir ein Grinsen verkneifen.

Eigentlich ist mir ja gar nicht nach lachen zumute. Diese ganze Sache mit dem Besen hat mich erst recht wieder daran erinnert, dass wir bald unsere Flugstunde haben. In zehn Minuten, um genau zu sein! "Ruby. Wir müssen los! Sonst kommen wir noch zu spät zum Unterricht.", rufe ich. Ruby isst noch schnell ihr Rührei auf, bevor sie mir folgt. Ich habe gar nichts runterbekommen, weil ich so Angst habe, vor dem Flugunterricht.

Wenig später stehen wir zusammen mit den Gryffindors aus unserem Jahrgang und den Slytherins der 1. Klasse auf dem Quidditschfeld. Vor jedem von uns liegt ein Besen auf dem Boden und wir alle tragen einen Flugumhang, in den Farben des jeweiligen Hauses.
"Ein Sauberwisch 7. Mann, sind die alt.", höre ich gerade Jack sagen. Er scheint gern im Mittelpunkt zu stehen... "Wir haben zwar auch einen Sauberwisch 7 zu Hause, aber den benutzen wir nur zum Bodenwischen.". Glaubt er wirklich, dass das irgendjemanden interessiert?

Doch als ich mich umsehe, muss ich feststellen, dass ihm wirklich alle zuhören. Nicht nur Ruby hängt ihm an den Lippen, auch der Großteil aller anderen Mädchen schauen ihn begeistert an. Um ehrlich zu sein, kann ich sie nicht verstehen. Ich finde doch nicht gleich einen dahergelaufenen Typen toll, nur weil er davon reden kann, was er alles hat und kann. Er sieht nicht mal gut aus!

"Ruhe jetzt. Der Unterricht hat begonnen!", Madame Corey bläst in ihre Trillerpfeife. Sofort wird es still auf dem Quidditschfeld und alle Schüler schauen zu unserer Lehrerin. "Willkommen zu unserer ersten Flugstunde! Und damit ihr euch darüber schonmal im Klaren seid: Ich dulde hier keine Mimosen und Heulsusen, die sich, nur weil sie denken sie seien etwas Besonderes, nicht am Unterricht beteiligen!".

Die ganze Klasse zuckt zusammen. Wow! So hat uns noch kein Lehrer begrüßt. Und ich weiß nicht, ob ich das nun gut oder schlecht finden sollte. "Nun will ich euch aber keine weitere Angst mehr einjagen", (ups, schon geschehen), "und sofort mit dem Unterricht beginnen. In der heutigen Lektion bringe ich euch bei, wie ihr überhaupt erstmal in die Luft kommt. Und wehe jemand fliegt schon oben herum, während ich noch etwas erkläre. Dann wird derjenige von der Schule verwiesen, bevor er überhaupt ein Wort der Verteidigung in den Mund nehmen kann!".

Bin ich die einzige, die nun eine noch größere Angst vor dem Besen bekommen hat? Ich schaue mich um. Manche scheinen verwirrt von dem Redeschwall der Lehrerin zu sein, andere sind wohl beeindruckt (der Großteil der Slytherins). Aber auch Madame Corey ist das aufgefallen. "Und an die Möchtegernflieger, die denken Sie hätten einen Vorteil, weil sie schon als Kleinkind auf einem Besen geflogen sind: Wir fangen alle von vorn an und egal wie gut ihr fliegen könnt", Jack setzt ein selbstgefälliges Grinsen auf, "oder auch nicht, ihr werdet von mir nicht bevorzugt. Ich finde, niemand sollte hervorgehoben werden, nur weil er glaubt ", dieses Wort betont sie besonders, "gut zu sein.". Das Grinsen ist mit einem Schlag von Jacks Gesicht gewischt.

"Gut. Hat jeder alles verstanden? Dann können wir ja jetzt anfangen!". Na toll, jetzt muss ich doch noch auf den Besen steigen. "Ok. Als erstes streckt ihr bitte den Arm über euren Besen aus und sagt "hoch". Bitte laut und deutlich sprechen, ich komme rum und helfe euch.". Okay, so was werde ich vielleicht noch schaffen. Doch bevor ich es probiere, schaue ich, was die Anderen machen.

Manche halten ihre Besen schon in der Hand, andere werden wütend, weil die Besen nicht auf sie hören. Summer sieht sich kurz um und schnappt sich den Besen dann blitzschnell vom Boden. Dann sieht sie zu mir und lächelt mich entschuldigend an. Nun wende ich mich meinem Besen zu. "Hoch?", sage ich. Naja, es ist eher eine Frage als eine Feststellung. Doch anscheinend hat mein Besen nichts gehört.

"Na, funktioniert es nicht?", flüstert eine Stimme an meinem Ohr. Erschrocken drehe ich mich um. Und natürlich steht vor mir niemand geringeres als der blonde Junge von vorhin. "Nein, sieht man das nicht?", antworte ich ihm genervt. "Doch. Das Geheimnis dabei ist, zu wissen was man will.". "Oh und ich weiß, dass ich nicht von dir erklärt haben will, was ich zu tun habe.". Was bildet der sich eigentlich ein? Nur weil ich mal vor ihm hingefallen bin, heißt es doch nicht, dass ich zu gar nichts mehr fähig bin, oder? "Wenn du jetzt endlich fertig bist - ich würde gerne weiter machen.". Und mit diesen Worten drehe ich mich um und sage energisch: "Hoch!". Schon nach dem Bruchteil einer Sekunde befindet sich der Besen in meiner Hand.

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Hey,
ich bin auch noch da! Hier ist ein neues Kapitel. Danke für 120 Reads und 20 Votes. Ich freue mich über Kommentare und Kritik ☺️

Eure Vilureef

Die Tochter Harry Potters Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt