Drei Briefe und ein Streit

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"Schmeckt super!", nuschelt James mit vollem Mund. Mum hat für uns vier (James, Albus, Dad und mich) ein Willkommensessen gekocht. Ich finde es echt nicht gut, dass sie nun immer allein ist, wenn wir alle in Hogwarts sind. Aber sie hat gesagt, es würde ihr nichts ausmachen. Doch das kaufe ich Mum nicht ab. Aber zum Glück steht es ihr zu, Dad auch mal an den Wochenenden zu besuchen.

Angewidert verziehe ich das Gesicht. "Man spricht nicht mit vollem Mund!", strafe ich meinen großen Bruder. Doch der verdreht nur genervt seine Augen: "Besserwisserin.". Und Dad sagt: "Wo sie Recht hat, hat sie Recht!".

Ich bin echt froh darüber, dass er mich in Schutz nimmt. Doch plötzlich finde ich mich selbst so schrecklich unfair, dass mir fast übel wird. Ich habe es noch immer nicht geschafft, mit Dad zu reden. Nicht über die Alraunen. Vielleicht gibt es einen guten anderen Grund, außer die Kammer des Schreckens? Ich habe nicht mit ihm über die Sache mit dem Sprechenden Hut und Slytherin gesprochen. Vielleicht hat der Hut mir etwas Falsches erzählt? Denn die Absichten des Hutes kenne ich nun mal nicht.

Ich habe es bisher auch nicht geschafft, Dad zu dem Abendessen bei den Malfoys zu überreden. Denn erstens versuche ich jeglichen Gedanken an Scorpius zu verdrängen, was mir - nebenbei bemerkt - nicht wirklich gelingt, und zweitens weiß ich echt nicht, wie ich mit der Reaktion meines Dads umgehen soll. Doch ich finde, dass ich nicht länger warten sollte, denn die ganze Situation wird so oder so nicht besser.

"Dad?", frage ich also. "Kannst du mir nachher noch dabei helfen, meine Tinte in die neuen Tintengläser umzufüllen?". Ich möchte nicht, dass ein anderes Familienmitglied unseren unmittelbar bevorstehenden Streit mitbekommt. Außerdem werden die anderen zustimmen, nachdem ich nur Dad von meiner Meinung überzeugt habe.

Als Dad später an meine Tür klopft, tue ich so, als hätte ich ihn nicht wegen einer Bitte zu mir bestellt. Als wir die Tinte umfüllen, beginne ich dennoch ein Gespräch: "Mein neuer Freund, den ich in Hogwarts kennengelernt habe, lädt uns übrigens ein, an einem Ferientag mal bei ihm und seiner Familie zu Abend zu essen. Ist das in Ordnung?". Ich versuche, so sachlich wie möglich zu klingen.

Dad antwortet mit einem Lächeln. "Fantastisch! Dann weiß ich wenigstens auch mal, mit wem du immer abhängst.". Okay, eine Zusage habe ich schonmal. Ich hoffe, dass Dad sie an diesem Abend nicht mehr zurückziehen wird. "Wie heißt denn der Freund? Ich will ihn ja nun mal mit Namen ansprechen können.".

Das ist sie. Die Frage, vor der ich mich so gefürchtet habe. Die Frage, deren Antworten ich mir gestern im Bett in unterschiedlichster Weise durch den Kopf gehen lassen habe. Die Frage, die vielleicht alles verändern wird. "Scorpius", sage ich einsilbig und bereite ihn langsam auf den großen Schock vor. Und seine Reaktion reißt mich völlig aus den Socken: "Was für ein ausgefallener Name. Nicht, dass das negativ wäre. Ganz im Gegenteil: Ich mag besondere und außergewöhnliche Namen!".

So gemein es auch ist, ich muss Dad nun unterbrechen: "Scorpius Malfoy.". Seine Miene verändert sich innerhalb von Sekunden. Sein Mund klappt auf und er starrt mich entsetzt an. Seine Hand, die gerade seine Haare glatt streichen wollte, bleibt in der Luft hängen. "Malfoy?", fragt er entgeistert.

"Hör mal, Lily, ich kann nicht zu diesem Abendessen gehen. Und ich finde es auch nicht gut, dass du dich mit einem Malfoy angefreundet hast. Slytherins und Gryffindors, das geht einfach nicht, Lily!". Ich stöhne genervt auf. "Nur weil er ein Malfoy ist, denkst du gleich, er wäre ein Slytherin. Das ist doch voll das Vorurteil! Und was hast du eigentlich gegen die Malfoys?". Doch Dad will nicht auf diese Frage antworten: "Ich habe doch bei der Auswahl gesehen, wie Malfoy nach Slytherin kam.". "Jetzt sag mir doch einfach, warum du die Malfoys nicht ausstehen kannst!", gebe ich nicht auf.

Doch er übergeht meinen letzten Satz: "Du wirst jetzt schlafen gehen! Ende der Diskussion.". Es hat keinen Sinn. Es hat einfach keinen Sinn, ihn von der richtigen Seite zu überzeugen.

Als mein Dad die Tür hinter sich schließt, nehme ich ein leises Klackern wahr. Ich drehe mich um und schaue in die großen Augen von Raven, die mir immer sofort ihre Emotionen verraten. Sie hat drei kleine Bündel am Fuß. Und ich habe mich schon gewundert, warum sie drei Tage lang auf Jagd gewesen ist. Doch das ist sie, wie ich jetzt feststellen muss, ja gar nicht gewesen. Ich gehe zu ihr hinüber und nehme ihr den ersten Brief ab.

Liebe Lily,
ich weiß, wir haben uns vor erst drei Tagen das letzte Mal gesehen und ich sollte dich vielleicht nicht mit meinem Brief nerven. Aber ich vermisse dich. Und ich möchte unbedingt wissen, was du nun zu der ganzen Sache sagst. Meinst du, wir würden das wieder so wie früher hinbekommen? Dass wir wieder neue beste Freunde werden könnten? Ich möchte unbedingt, dass du auf diesen Brief antwortest!

Dein Jack

Ich seufze. Was für ein Schleimer. Ich denke nicht, dass wir einfach nur so beste Freunde werden können. Man muss sich kennen, fast alles über den anderen wissen und über alles lachen können. Doch mit Jack? Mit ihm habe ich bisher ein paar Worte ausgetauscht, in einem Gespräch, in dem er mir von unserem früheren Beziehungsstatus erzählt hat. Und auch wenn ich schon ein paar Nächte darüber nachgedacht habe, weiß ich doch ziemlich genau, dass das mit Jack und mir nie etwas werden wird. Aber ich kann ihm das noch nicht auf die Nase binden, das werde ich später tun...

Der zweite Brief stammt von Summer:

Hallo, Lily!
Vielleicht hast du mitbekommen, dass mit mir im Zug etwas nicht gestimmt hat. Nein, du hast es ganz sicher mitbekommen! Ich weiß, wie Lucas manchmal reagiert, wenn es um mich geht. Egal, was er gesagt hat, nimm es in jedem Fall nicht zu persönlich! Ich möchte, dass du dich mit mir nach den Ferien am See triffst. Montag, um 20 Uhr. Ich habe gemerkt, dass man dir vertrauen kann und möchte dir daher alles erklären.
Hoffentlich kommst du!

Deine Summer

Wow! Das ist das, was ich am wenigsten erwartet hätte. Dass Summer sich entschuldigt. An dem Tag im Zug sah sie so unbeteiligt aus. Als ob sie eigentlich gar nicht wirklich anwesend war. Und scheinbar bin ich nicht die Einzige, bei der Lucas sich einen Fehltritt erlaubt hat. Er ist wahrscheinlich öfter mal so, vor allem - wie Summer geschrieben hat - wenn es um sie geht.

Gespannt öffne ich auch noch den letzten Brief.

Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du dazu imstande bist! Wie konntest du nur mit Jack hinter meinem Rücken zusammen sein? Das Schlimme ist ja nicht die Tatsache, dass du es getan hast, sondern, dass du es mir einfach nicht erzählt hast. Den Mumm dazu hätte ich dir zugetraut. Ich dachte wirklich, du wärst in Ordnung! Wolltest du Jack nur, weil du mir beweisen willst, dass du besser bist als ich? Oder liebst du ihn wirklich?

Ruby

Nur ein paar Zeilen, die eigentlich gar nicht so eine große Wirkung auf mich haben müssten. Aber das tun sie. Hat Scorpius ihr in seiner Wut die Geschichte erzählt? Vielleicht noch, um mir eins auszuwischen?

Ich spüre einen Stich im Herzen. Ob er nun daher kommt, dass Ruby mir so etwas auch zutraut oder, weil der letzte Brief nicht von Scorpius ist. Eins von beidem. Oder beides. Ich weiß es nicht. Aber obwohl er Ruby scheinbar falsche Informationen geliefert hat, wünsche ich mir ihn hier her, zu mir, sehnlicher als alles andere. Den Menschen, für den ich die meiste Sympathie empfinde. Oder empfunden habe...

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Hi,
als ich gestern die Reads gesehen habe, wäre ich vor Freude fast in die Luft gesprungen. 100 Reads sind während dem einen Tag, an dem ich kein Internet hatte, dazugekommen! Ich freu mich so 🙈✨💞
Und eigentlich wollte ich im Urlaub ja mal für eine Woche Pause machen, mit dem Schreiben.
Aber ich musste dieses Kapitel einfach schreiben. Für euch. Nehmt es als Dankeschön dafür, dass ihr mich so stolz macht ☺️
375 Reads. Für mich eine riesengroße Überraschung. Denn ich finde diese Zahl so groß, dafür, dass ich diese Story ohne große Erwartungen begonnen habe ✨🙊.
Danke, und viele Grüße wünsche ich euch aus dem Norden Frankreichs!

Eure Vilureef

Die Tochter Harry Potters Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt