Kapitel 3

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3. Dezember

Vor der Hochzeit kennt man sich –
nach der Hochzeit lernt man sich kennen!

(*1934), deutsch-kanadischer Kaufmann

Geschockt starrte ich meinen Vater an. Das konnte nicht sein Ernst sein! Er hatte mir versprochen, mich nie zu einer Hochzeit zu zwingen. Die meisten Frauen in meinem Alter waren schon mehrere Jahre lang verheiratet und hatten größtenteils sogar schon Kinder. Wenn ich mir auch nur vorstellte mit einem dieser Männer das Bett teilen zu müssen; ein Schauer überlief meinen Rücken, und das nicht, weil es mir gefiel. Stotternd sagte ich: ,,Vater, das könnt Ihr nicht wirklich so meinen! Erinnert Ihr Euch nicht an Euer Versprechen?" Erwartungsvoll schaute ich ihn an. Oft hatte er mich geschimpft, aber hinter dieser Fassade war er immer freundlich und ehrlich zu mir gewesen. Er hätte nie ein Versprechen gebrochen, vor allem um meiner Mutter Willen. Nach einiger Zeit des Schweigens antwortete er: ,,Ich hätte dich nie dazu gezwungen, aber wir dürfen uns nicht gegen den König stellen. Wir hätten keine Chance. Vertrau mir, du willst ihn nicht verärgern."

Ich sah mir die Männer nochmal genauer an. Ich würde wohl, auch um meinetwillen, mit ihnen reden müssen. Vielleicht ließ es sich ja mit einem von ihnen leben. Ich sah, wie der Schwarzhaarige, der mich vorhin nach dem Weg gefragt hatte, fast direkt vor mir stand, als wartete er darauf, dass ich ihn ansprach. Zögernd knickste ich vor meinem Vater, ohne ihn anzusehen, und schritt in die Richtung des Mannes. Er redete anscheinend mit einem anderen meiner Vielleicht-Ehemänner, also tippte ich kurz auf seine Schulter und wartete bis er sich umdrehte. Seine blauen Augen musterten mein Gesicht und wanderten auch noch weiter nach unten. Ich wollte schon mit den Augen rollen, als ich mich eines besseren besann. Ich durfte nicht negativ auffallen. Wenn wirklich der König darauf bestand, dass ich heiraten würde, und nicht mein Vater, dann wären hier auch Spione, die ihm von diesem Tag berichten würden. Schlagartig fiel mir wieder der Mann mit den dunkelblonden Haaren ein. Er hatte offensichtlich ziemlich darauf geachtet, was ich tat. Sofort besann ich mich eines Besseren. Spione waren unauffälliger und hielten sich im Hintergrund.

Ich bemerkte, dass der mir Gegenüberstehende noch immer nicht die Augen von meinem Körper- unterhalb des Kopfes- abgewendet hatte. Ich räusperte mich. Ich war nicht zu ihm gekommen, um von seinen Augen durchbohrt zu werden, sondern um ein Gespräch zu führen. Er sollte sich eher glücklich schätzen, dass er meine erste Wahl gewesen war. Immerhin sah er mir jetzt wieder in meine Augen. Ich hoffte, dass er das Gespräch beginnen würde, aber seinen Manieren nach bezweifelte ich wirklich, dass er das tun würde. Umso mehr wunderte es mich also, als er sich leicht verbeugte, meine Hand nahm und einen Kuss auf sie andeutete. ,,Was verleiht mir die Ehre, dass Sie mit mir ein Gespräch führen wollen?" Völlig scheinheilig sah ich ihn an. Ich konnte das auch, außerdem war mir nicht entgangen, dass er mich gesiezt hatte. ,,Wie könnt Ihr Euch sicher sein, dass ich tatsächlich mit Euch reden will?" ,,Tut Ihr das nicht gerade?" Darauf wusste ich keine Antwort. Er grinste. Immerhin hatte er mich dieses Mal angesprochen, wie es mir, als Tochter meines Vaters, gebührte. ,,Da habt Ihr Recht", entgegnete ich ihm deshalb nur. Einen Sinn für Humor schien er zu haben, auch wenn ich nicht nachvollziehen konnte, was an dem, was ich gesagt hatte, so witzig war. Er grinste noch immer. Das würde ich ihm hoffentlich vermiesen können.

,,Weshalb seid Ihr hier?", fragte ich nun. Damit schien ich ihn aus dem Konzept gebracht zu haben. Wieder war ich stolz auf mich. Ich hatte völlig vergessen, dass ich in einer Menge von Männern stand. Nun machte es mir allerdings nicht mehr ganz so viel aus. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie einige meiner Gäste eifersüchtig meinen Gesprächspartner ansahen. Beinahe hätte ich gelacht, bis ich mich fragte, ob sie nicht tatsächlich einen Grund dafür hatten. Wohl oder übel würde ich einen von ihnen heiraten müssen, und viele der Horde hier würden mich wohl nach heute nicht mehr zu Gesicht bekommen. Erst jetzt wurde mir das Ausmaß der Entscheidung des Königs komplett bewusst. Keiner der Menschen, die der König ausgesucht hatte, würde mich wahrhaftig lieben, und wenn doch, konnte ich nicht wissen, für wen ich mich entscheiden sollte. Würde mich die Person lieben oder auf mein Vermögen und meinen Stand aus sein?

Mein Gesprächspartner hatte wohl bemerkt, dass meine Mundwinkel langsam nach unten gesunken waren. Er antwortete nicht auf meine Frage und ich wollte auch keine ehrliche Antwort haben. Bestimmt war ihm damit gedroht worden, seine Familie zu töten oder einsperren zu lassen. ,,Geht es Ihnen nicht gut?" Schon wieder hatte er mich nur gesiezt. Ich hatte keine Kraft mehr zu meckern. Die verbrauchte ich schon damit, nicht in Tränen auszubrechen. Wieso musste es mich treffen? Konnte ich nicht wie eine normale Bäuerin oder Bürgerin die Liebe meines Lebens finden? Natürlich nicht, schalt ich mich. Ich war adelig. Ich hatte Glück gehabt, überhaupt noch unverheiratet zu sein. Dennoch tröstete mich dies nicht. Oft hatte ich Bücher gelesen, in denen Frauen Männer heiraten mussten und sich irgendwann in sie verliebten. Aber das alles waren Geschichten. Ich hatte Verwandte, die unglücklich verheiratet waren. Wahrscheinlich war auch mein Gegenüber nicht glücklich, hier zu sein. Anscheinend hatte er bemerkt, was ich dachte. ,,Wisst Ihr, Ihr habt wenigstens die Wahl zwischen uns allen. Es gibt Frauen, die einem einzigen Mann zugewiesen werden und die sich auch nicht wehren können." Er sprach, als hätte er eine eigene Erfahrung damit. ,,Eure Schwester?", fragte ich deshalb. Ich bemerkte nur unterbewusst, wie hoch meine Stimme war. Sein Blick verfinsterte sich. Ich dachte schon, er würde nichts mehr sagen. ,,Nein, meine wahre Liebe."

Eliza Where stories live. Discover now