Kapitel 19

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19. Dezember

Scheitern ist die Chance für einen Neubeginn.

Helmut Glaßl (*1950), Thüringer Aphoristiker

Da es nach all dem Geschehenen bereits wieder ziemlich spät gewesen war, hatte ich beschlossen, in meinem Zimmer zu bleiben. Konstantin hatte mich besucht und mir Tipps gegeben. Wahrscheinlich vermutete er, wie mir zu Mute war. Früher war er fast nie zu mir gekommen, um mir Ratschläge zu erteilen, doch da hatte ich sie auch nicht gebraucht. Nach der Unterhaltung hatte ich mich befreiter gefühlt und gewusst, dass ich nicht vor den anderen Männern fliehen konnte.

Nun war der nächste Morgen angebrochen und ich stand vor dem Siegel, um mich zu betrachten. Ich hatte etwas angezogen, in dem ich mich extrem frei bewegen konnte und das mich nicht unnötig anziehend machte. Ich wollte nicht schon wieder gewisse Männer, die mit mir sprachen, um weiß Gott welche Ziele zu erreichen. Und das teilweise bestimmt wegen meiner aufreizenden Kleidung.

Ich würde nun nach unten gehen und dort mit den anderen Männern völlig normal reden. Sie hatten mir zwar zuerst nicht geholfen, doch dann hatten sie Augustus wie es schien trotzdem die Meinung gesagt. Ich wollte nicht an ihn denken. Dieser Tag würde besser werden als der gestrige. Soweit ich wusste hatte ich so ziemlich alle Zeit der Welt, bis ich heiraten müsste.

Und währenddessen müsste ich mir Verbündete suchen, die mir selbst wenn ich verheiratet wäre helfen würden. Ein paar Freunde konnten immerhin auch nicht schaden. In meinem momentanen Leben als unwissende Person könnte ich Menschen gebrauchen, die mir die Wahrheit sagten und zur Seite stünden. Selbst wenn diese Menschen Männer waren.

Ich stieg die Treppen nach unten und es schien normaler Betrieb zu sein. Es war also heute offensichtlich nichts geplant, das mir schaden würde. Die Männer, die sich wie so oft im Aufenthaltsraum aufhielten, sahen nur kurz auf, als ich das Zimmer betrat und es kam mir so vor, als hätten sie das abgemacht, um mich nicht in Verlegenheit zu bringen. Ausnahmsweise war ich darüber froh. Ich wusste nur zu genau, wie rot ich angelaufen wäre, wenn mich alle wie eine Attraktion angesehen hätten.

Ich setzte mich hin und wartete darauf, dass irgendjemand zu mir kommen würde, wie es sich gehörte. Als ich bereits einige Zeit vergeblich dagesessen war, nahm ich mir ein Buch zur Hand, das ich aber sofort wieder weglegte. So würde mich nie jemand ansprechen. Deshalb beschloss ich, ein Stück weiterzusticken, das ich eigentlich schon aufgegeben hatte. So würde ich mich auch unterhalten können.

Irgendwann kam ein junger Mann zu mir, mit dem ich schon öfter gesprochen hatte. Ich glaubte, dass sein Name Martin war. Allerdings war ich mir dessen nicht so sicher. Doch ich konnte mich daran erinnern, dass er nur durchschnittlich gewachsen war und karamellblonde Haare hatte, in etwa so wie ich. Bei genauerem Hinsehen bemerkte man, dass seine Augenfarbe keine bestimmte war. Es waren nämlich alle möglichen enthalten.

,,Fräulein Elizabeth." Martin verbeugte sich leicht vor mir, setzte sich aber trotz der guten Manieren direkt neben mich. Nun ja, ich hatte schon mehr Menschen geduzt als ich noch zählen konnte. Und das gehörte sich noch weniger als einer Frau zu nahe zu kommen. Ich wandte ihm meine Knie zu, die genau, wie sie sein sollten, aneinander gelehnt waren, und fing ein Gespräch mit ihm an.

,,Wo kommt ihr nochmal her? Es tut mir leid, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, doch ich muss mir hier so viel merken, dass es für meinen Kopf offensichtlich zu viel ist." Ich lachte ehrlich auf, obwohl ich eigentlich ein anderes Gesprächsthema suchte als dieses langweilige. Vielleicht würde mich der Gentleman ja erlösen.

,,Ich komme ganz hier aus der Nähe", antwortete er mir wahrheitsgemäß. Falls er das nicht tat, konnte er sehr gut schauspielern. ,,Ich bin einer der Wittelsbacher. Allerdings werde ich nur ein Grundstück und vergleichsweise wertlose Sachen erben. Ich bin nur ein Nachfahre eines Herzogs." Erstaunt hob ich die Augenbrauen. Ich hatte selbstverständlich schon viel von den Wittelsbachern gehört, so wie selbst die unwissendsten Bauern.

Ich wusste zwar nicht sehr viel über sie oder darüber, wer zurzeit herrschte, aber es gab sie schon seit über vierhundert Jahren und so lange war meine Familie bestimmt noch nicht am Regieren. ,,Wow", bewunderte ich Martins Geschichte. Ich würde auch gerne von so einem wohlhabenden, lange bestehenden Adelshaus abstammen. Mein Vater war zwar der König, aber außerhalb unserer Länder kannten uns nicht viele. Wir trugen immerhin nicht einmal einen besonderen Namen.

,,Wie geht es Euch?", fragte mich Martin, nachdem ich noch nicht geantwortet hatte. Sofort spannte ich meinen Körper an. Ich wusste genau was er meinte. Schließlich hatte jeder meinen Zusammenbruch miterlebt. Doch ich wollte nicht darüber reden. Dieser Tag sollte wieder normal werden und das würde nicht funktionieren, wenn ich deprimiert über bereits Geschehenes reden müsste.

,,Es geht mir hervorragend." Da ich nicht unfreundlich erscheinen wollte, fügte ich allerdings hinzu: ,,Auf jeden Fall besser als gestern." Martin verstand offensichtlich, dass ich ausweichen wollte. Er schlug sofort ein anderes Thema an. Er erzählte mir über die schönen Wälder Bayerns und darüber, wie gut das Wetter doch immer war. Ich sprang sofort darauf an. Außerdem erfuhr ich, dass Martin die Querflöte spielte und ich war auch darüber ziemlich überrascht und erfreut, dass er mir vielleicht etwas vorspielen würde, wenn ich ihn darum bat. Immer mehr glaubte ich wieder daran, dass Männer nicht alle schlecht waren. Doch diesen Eindruck wollte ich nicht schon wieder festigen. Immerhin war Augustus von Anfang an ein überaus freundlicher Mann gewesen.

Doch ich würde Martin eine Chance geben, ebenso wie den anderen Männern, Augustus und Phillip ausgenommen. Wobei letzterer eindeutig eine bessere Aussicht hatte.

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