Kapitel 15

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15. Dezember

Nichts ist so wichtig, daß man das Abwarten übereilen sollte.

Kuno Klaboschke (*1938), eigentlich Klaus Klages, deutscher Gebrauchsphilosoph und Abreißkalenderverleger

Will sah mich völlig überrumpelt an. Sicherlich hatte er nicht erwartet, dass ich diese Frage stellen würde. Eigentlich hatte ich ja auch vorgehabt langsamer vorzugehen. Ich wäre auch nicht so gerne überrumpelt worden.

Nun sah mein Gegenüber mir in die Augen. ,,Wieso fragst du das?" Er klang nun misstrauisch. Ich seufzte innerlich, hielt mich aber davon zurück die Augen zu verdrehen. Immerhin wollte ich eine ehrliche Antwort. Es konnte so nicht weitergehen. Ich musste immerhin anschließend mit dem König reden und das ginge nur, wenn er dann noch da war. Selbstverständlich wäre das nur so, wenn Will diese Hochzeit auch wollte.

Eigentlich stand uns ja nichts im Weg. Soweit ich wusste war Will niemand, der eine Freundin hatte und gleichzeitig versuchte eine andere zu küssen und außerdem hatte er mir auch nichts von einer verheirateten geheimen Liebe erzählt, im Gegensatz zu seinem Bruder.

,,Wieso stellst du eine Gegenfrage?" Ich hatte keine große Geduld. Ich sah die ganze Zeit nur zwei Bilder vor mir: Das eine war zusammen mit Will, wie wir uns glücklich in die Augen sahen und ein ziemlich perfektes Leben hatten, beide ein paar Jahre älter waren und jeweils ein kleines Kind auf dem Arm hielten. In meiner anderen Vorstellung sah ich mich neben Augustus. Wir standen nebeneinander, während wir unsere Gäste erwarteten und hatten beide einen mehr oder weniger kalten Gesichtsausdruck. Keine Liebe war darin enthalten, nur die Sehnsucht nach einem anderen.

Allein die Vorstellung danach war zum Heulen. Glücklicherweise war dies noch nicht wahr geworden – noch nicht. ,,Ich hätte dich geküsst", fing mein Gesprächspartner nun glücklicherweise an, ,,weil ich es in diesem Augenblick wollte. Ich habe dich gesehen und war glücklich und dann waren wir uns plötzlich so nahe." Will sprach nicht weiter. Er sah mich eher erwartungsvoll an, als wolle er, dass ich ihm sagte, dass wir doch wie geschaffen füreinander wären.

Völlig von dem geblendet, was ich soeben erfahren hatte, erwiderte ich: ,,Das heißt, du würdest mich wieder küssen?" Ich sah ihm ins Gesicht und wartete auf eine Reaktion seinerseits. Als ich ihn verwirrt nicken sah, spürte ich wieder, wie ein Grinsen auf meinem Gesicht erschien. ,,Und du würdest auch mit mir zusammen sein wollen?", fügte ich leiser hinzu. Seine Antwort würde über meine Zukunft entscheiden.

Will war anscheinend sehr überrumpelt. Ich hatte es nicht anders erwartet, doch ich war viel zu aufgeregt, um die nötige Geduld aufbringen zu können, zu warten, bis er geantwortet hatte. Doch dieses Mal konnte ich ihm nicht auf die Sprünge helfen. Wahrscheinlich müsste er auch darüber nachdenken, was ich ihn gefragt hatte. Man entschied ja nicht innerhalb weniger Sekunden, mit wem man den Rest seines Lebens verbringen wollte.

Doch als sich Wills Blick wieder klärte und er den Mund öffnete, um mir zu antworten, wollte ich die Antwort doch nicht wissen. Was wäre, wenn er verneinen würde? Könnte ich mir so einer Absage zurechtkommen? Ich würde wissen, dass es unabänderlich war. Ich könnte nichts mehr daran ändern. Meine erste Liebe hätte mich nach einem beinahe-Kuss abgelehnt.

Nun war es aber zu spät, um eine Antwort seinerseits zu verhindern. Wie gebannt sah ich auf seine Lippen, um im Voraus zu erahnen, was er antworten würde. ,,War das eine Hochzeitsanfrage?", fragte er jedoch. Ich war eigentlich nicht selbstbewusst genug, um meinen Heiratsantrag zuzugeben. Dieser war nämlich sehr unromantisch gewesen. Um uns herum schwirrten zwar ein paar Libellen und wir waren im Blumengarten, aber die Situation war unpassend, und das wussten wir beide. Außerdem, was viel wichtiger war, war ich die Frau.

Eigentlich war es mir nicht gestattet, solche Forderungen zu stellen. Aber in Wirklichkeit war es ja keine Forderung gewesen. Eher eine Frage, um mich in dieser Hinsicht zu versichern. Meine fehlende Antwort hatte Will offensichtlich als ja gewertet, denn er antwortete nun: ,,Wenn du das so willst."

Ich war ziemlich überrascht. Ich hatte trotz meiner Hoffnungen und Pläne nicht gedacht, dass Will so einfach zustimmen würde. Er war ja auch ein Mann von hohem Stande und könnte prinzipiell jedes Mädchen haben.

Überglücklich überbrückte ich den restlichen Platz zwischen uns und warf mich ihm an den Hals. Seine Arme lagen um meine Taille und er drückte mich ebenfalls leicht an sich. Er lachte leise an meinem Ohr. Es war mir in diesem Moment egal, ob uns jemand gesehen hatte. Ich war mir sicher, dass mein Vater begeistert wäre, dass ich einen Mann von gutem Stande gefunden hatte. Nun könnte ich mit ihm verhandeln und ich hätte sicherlich gute Chancen.

Es war einfach unbeschreiblich, wie ich mich in diesem Moment fühlte. Es war, als würden alle meine Wünsche in Erfüllung gehen, ich in der Luft schweben und ein Grinsen im Gesicht haben, das einfach nicht verschwinden wollte. Es war alles scheinbar perfekt. Ich brauchte mir auch keine Gedanken machen, was Will nun von mir dachte. Immerhin wusste ich, dass er mich genauso wollte wie ich in.

Als mein Verlobter langsam aber sicher den Griff löste, wich ich ein Stück zurück, nur um ihn an der Hand zu nehmen und ihn auffordernd hinter mir herzuziehen. Ich würde mich mit ihm sofort auf den Weg zu meinem Vater machen. ,,Komm mit, wir müssen das sofort dem König sagen." Es war mir egal, ob ich mich kindisch verhielt. Fakt war, dass ich wie berauscht war und ich mich aber auch gar nicht anders fühlen wollte.

Als wir vor dem Arbeitszimmer Konstantins angekommen waren, in dem sich sicherlich auch mein Vater befand, stoppte ich nur aus dem Grund kurz, weil ich anklopfen musste. Als ich hereingebeten wurde, sah ich nur noch vielversprechend Will an und zwinkerte ihm zu, um ihn zu ermuntern. Weil ich noch immer von meinen Hormonen geblendet war, bemerkte ich nicht den eher unglücklichen Gesichtsausdruck, den jener allerdings trug. Ich war mir nicht sicher, ob sich danach alles verbesserte oder sich dem Schlechten zuwandte.

Eliza Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt