Kapitel 24

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24. Dezember


Das Ehrlichste an einer Liebe ist das Schluß-Machen.
Da erkennt man, wie sehr man sie liebt und wie sehr sie dich.

Dennis Loer


Heinrich hatte mich wirklich zum Nachdenken gebracht. Ursprünglich hatte ich Martin heiraten wollen. Zumindest heute Früh war das mein Plan gewesen. Aber jetzt war ich mir dessen nicht mehr sicher. Ich hatte von Anfang an gewusst, dass er mich nicht lieben konnte. Immerhin waren doch eigentlich alle der Männer da, um mich um den Finger zu wickeln. Aber eigentlich wollte ich schon einen Partner, der mich zumindest wirklich mochte und davon war ich ja nun bei Martin nicht mehr überzeugt.

Wieso brachten mich nur alle männlichen Lebewesen so zum Nachdenken? Auch über Augustus brütete ich nun wieder vermehrt. Der Teufel sollte sie doch alle holen!

,,Ich hoffe, Du hast Dich inzwischen entschieden." Erschrocken zuckte ich von der Person weg, die hinter mir stand. Na toll, mein Vater. Als hätte ich nicht schon genug zu tun.

,,Tatsächlich weiß ich das schon sehr lange", sagte ich, um mich wieder einmal besser darzustellen. Welche Frau tat das in diesem Zeitalter denn nicht?

,,Ach, wirklich?", fragte der König ungläubig. ,,Na dann sehen wir uns ja gleich im Festsaal." Zufrieden ging er weg. Ich mochte ihn nicht. Das hatte ich noch nie so bewusst gedacht, obwohl ich mir darüber schon lange im Klaren war. Hoffentlich würde ich ihn nie wiedersehen. Ohne ihn war alles besser gewesen.

Ich wog weiterhin die Vor- und Nachteile der Männer gegeneinander ab. Laut Heinrich war Martin nur ein gieriger Affe, der noch dazu bei weitem nicht so gut aussah wie Augustus. Und dieser hatte, falls Heinrich nicht gelogen hatte, nicht so viel falsch gemacht wie mein vorheriger Favorit. Also war mir Augustus wahrscheinlich noch immer lieber. Aber wollte ich ihn wirklich? Was war denn mit den anderen?

So ging es die ganze Zeit weiter und ich beschloss, mir ein sehr gut aussehendes Kleid anzuziehen, das noch dazu sehr prunkvoll war. Weinrot mit goldener Spitze und extrem protzig. Aber ich sah darin ganz gut aus. Und so konnte ich weiterhin nachdenken. Auch Berchtold, mit dem ich schon ab und zu über Österreich geredet hatte, und Heinrich, inzwischen ein guter Freund von mir, gab es noch. Außerdem waren noch Caspar aus England und Bartholomeus da, der aus dem Nordwesten kam. Die waren doch auch ganz ansehnlich.

Die restlichen Männer waren schon abgereist, aber beispielsweise Caspar wäre doch ein guter Zug. In England wäre ich weit genug von meiner Familie entfernt. Außerdem sprach ich die Sprache fließend. Das wäre mit dem Dialekt in Österreich ein größeres Problem. Bartholomeus war mir nicht so sympathisch und die einzige andere Person, die in Frage kam, war nur noch Heinrich. Anfangs war meine Auswahlmöglichkeit tatsächlich um einiges größer gewesen und vielleicht hätte ich da schon mehr herausfinden sollen.

Denn jetzt saß ich in der Patsche. Ich war leider fertig angezogen und auch meine Frisur saß noch perfekt. Ich wollte mich noch nicht entscheiden müssen. Wieder einmal stellte ich mir die Frage, weshalb ich nicht weggelaufen war und meine wahre Liebe gefunden hatte. Doch darüber hatte ich in den letzten zwei Tagen schon so oft nachgedacht, dass ich mir einfach eingestehen musste, dass ich Angst gehabt hatte. Und natürlich Hoffnung. Naive Hoffnung.

Ich lief langsam die Treppen herab. Caspar, Heinrich, Augustus oder Martin? Das dachte ich in Dauerschleife. Sollte ich auszählen, bis jemand am Ende übrigblieb? Aber nein, ich wollte mein Schicksal nicht schon wieder herausfordern. Caspar kannte ich zu schlecht. Das war Tatsache. Augustus und Martin hatten beide einen Fehler gemacht. Zumindest laut Heinrich. Aber was war, wenn jener mit Augustus unter einer Decke steckte? Dann konnte es ja auch sein, dass Martin doch die perfekte Lösung war.

Doch ich fühlte die ganze Zeit das Kribbeln, das mir sagte, ich solle nicht so dumm sein und mich einfach für Augustus entscheiden. Den einzigen, den ich geliebt hatte. Zumindest ein bisschen. Der Rest war durchgängig eher eine Freundesgruppe gewesen.

Ich wollte nicht. Ich konnte einfach nicht. Ich war der endgültigen Verzweiflung sehr nahe. Viel zu schnell war ich vor der Tür angelangt. Viel zu schnell hatte ich die Erhöhung erreicht. Viel zu schnell hatte mein Vater, der König, den ich inzwischen verabscheute, dass er mir so etwas antat, mir zugenickt, dass ich meine Entscheidung bekannt machen sollte. Die bewundernden Blicke für meine Aufmachung hatte ich nur nebenbei registriert.

Ich sah Augustus' Blick, der mich flehend ansah. Direkt neben ihm stand Martin. Erst jetzt bemerkte ich den gierigen Ausdruck. Ich seufzte. Heinrich sah mich hingegen entspannt und beruhigend an, als wüsste er bereits, dass ich das Richtige tun würde. Und immerhin war er auch überzeugt, dass ich Augustus wählen würde, so wie Caspar, Bartholomeus und die anderen.

Martin hatte es anscheinend bitter nötig, mich zu heiraten, wenn er so einen Blick aufsetzte. Ich verspürte einen Hauch von Abscheu. Wie konnte man nur so abgesunken sein? Abgesunken, wahrscheinlich durch Spiele und Wetten, die er verloren hatte. Wie schnell sich meine Meinung ändern konnte.

Auch bei Augustus hatte sie sehr schnell umgeschlagen. Es fühlte sich so an, als wäre unsere Beziehung schon jahrelang vorbei. Er war glaube ich ein guter Mensch. Heinrich war aber auch ein guter Mensch. Ihm vertraute ich einfach aus Prinzip. Ihm war seine Familie sehr wichtig, was für später wichtig war. Das hatte ich ja herausgefunden, nachdem wir zusammen musiziert hatten. Das war ein schöner Tag gewesen. Ein schöner Tag mit ihm.

Mein Vater räusperte sich. Mir standen die Schweißperlen auf der Stirn. Ich hoffte, dass sie niemand sehen konnte. Alle sahen inzwischen ungeduldig aus.

Ich weiß nicht, wieso ich ihn auswählte. Die meisten hätten sich doch für den Mann entschieden, dem sie ihr Herzen geschenkt hatten. Doch ich war mir sicher, dass ich mit einem guten Freund besser dran war. Jemand, auf den ich mich verlassen konnte, der innerlich sehr viel Liebe besaß, obwohl er gleichzeitig nicht verliebt war. Nein, er war einfach gütig, großzügig und lieb.

Wir teilten ein paar Interessen, ich glaubte zu wissen, dass es mir auf seinem Anwesen gut gehen würde. Mir und meinen zukünftigen Kindern. Er lebte immerhin so weit weg, dass meine bisherige Familie, die ich seit ein paar Wochen kannte, mich nicht zu oft besuchen würde.

Heinrich war einfach eine sehr gute Lösung. Augustus hatte ich geliebt, das stimmte, aber tatsächlich hatte ich mit ihm sogar weniger Zeit verbracht als mit Martin und Heinrich. Ich hatte nur das Kribbeln verspürt und mich mit ihm getroffen, ihn ab und zu geküsst und ihn gefragt, ob er mich denn heiraten wollte.

Aber gekannt hatte ich ihn nicht wirklich. Deshalb sprach ich nur einen Namen aus, während ich Augustus in die Augen sah. Ohne Reue, ohne Mitleid. Einfach emotionslos.

,,Heinrich."


Eliza Where stories live. Discover now