Kapitel 11

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11. Dezember

In jeder Familie findet man ein schwarzes Schaf.

-Unbekannt


Als ich mich nun endlich im Ballsaal befand und nicht davor oder darunter, bemerkte ich aus den Augenwinkeln, wie sich fast alle Augen auf mich richteten. Da ich bis jetzt gefehlt hatte, fragten sie sich bestimmt, wo ich gewesen war und was ich gemacht hatte. Wenn die nur wüssten, dachte ich mir allerdings nur und schritt gemächlich auf meinen Vater und den König zu.

Als ich kurz vor ihnen angekommen war, knickste ich so, wie es sich vor dem König gehörte. Im Moment war er die Person mit am meisten Macht in diesem Raum. Als ich mich erhob bemerkte ich den Blick, mit dem ich gemustert wurde. ,,Eure Majestät", sagte ich. Ich musste warten, bis er irgendetwas antwortete. Bei meinem Vater achtete ich nie so genau darauf, was Anstand war, aber in dieser Situation blieb mir keine andere Wahl.

,,Elizabeth, Ihr habt euch weiterentwickelt. Im positiven Sinne natürlich." Wie es sich gehörte, tat ich schüchtern und senkte leicht den Blick. In Wahrheit dachte ich mir aber nur, was für ein schmieriger Affe König Maximilian war. Laut meinem Vater war dessen Vater, also der vorherige König, um einiges konkreter gewesen. Doch ich hatte ihn nicht mehr wirklich kennengelernt.

,,Wo habt Ihr euch bis jetzt aufgehalten? Wir haben bereits sehnsüchtig auf Euch gewartet." So hatte ich mir das Gespräch schon eher vorgestellt. ,,Oh, das tut mir wirklich leid. Als ich die Pferde und Reiter auf uns zukommen und unsere Ritter die Pferde satteln sah, dachte ich, wir würden angegriffen werden, und habe mich mehrere Stunden versteckt. Nach einiger Zeit habe ich jedoch einen Eurer Soldaten gesehen, Majestät. Dann entschied ich mich dazu, nachzusehen, ob wir tatsächlich in Gefahr waren."

Wie ich erwartet hatte, begann der König zu lachen. ,,Da sieht man wieder, weshalb Frauen das dümmere Geschlecht sind." Er lachte weiter und ich ließ mir nicht anmerken, was ich über ihn dachte. Sollte er sagen, was er wollte. Wir Frauen waren das schließlich schon gewöhnt und waren immerhin noch intelligent genug, den uns übergestellten Männern zu gehorchen.

Mein Vater sagte nichts, und ich war froh, dass er sich nicht in Gefahr begab, um mir zu helfen. Ich wusste, dass er nicht so altertümlich dachte wie sein bester Freund. Immerhin hatte der ihm die Frau ausgespannt. Ich beschloss, mich nun zu amüsieren und den König, so gut es ging, zu ignorieren. ,,Eure Majestät, ich würde mich nun gerne zu den anderen Gästen gesellen, wenn Ihr mir das erlauben würdet." Ich sagte dies so unterwürfig wie möglich und sag auf den Boden, während ich knickste. Ich hoffte, dass dies meine Sätze unterstützen würde.

Als ich ihn wieder ansah, war das Grinsen fast gänzlich aus seinem Gesicht verschwunden. Er nickte nur noch und wandte sich wieder meinem Vater zu, um seine Unterhaltung, die ich anscheinend unterbrochen hatte, fortzuführen. Ich wandte mich ab und ging langsam durch den Saal, um mich umzusehen. Ich erkannte, dass die Ritter des Königs sich tatsächlich beinahe alle in diesem Raum befanden und meine Mutter, wie ich glaubte, anscheinend auch noch.

Ich ging unsicher auf sie zu. Ich hatte mir schon einige Gesprächsthemen überlegt, aber nun war ich mir nicht mehr sicher, ob diese Frau tatsächlich meine Mutter war. Ich sah zwischen uns nur wenige Gemeinsamkeiten. Meine dunkelblonden, leicht rötlichen Haare sahen ihren braunen nicht sehr ähnlich. Auch wenn sie eine Perücke trug, war ich mir ziemlich sicher, dass braun die Haarfarbe der Königin war. Anders hätte es nur sein können, wenn sie sich auch die Augenbrauen gefärbt hatte.

Auch ihre Größe unterschied sich von meiner, genau wie die Statur. Sie war um einiges kleiner. Allerdings musste ich zugeben, dass ihre karamellbraunen Augen genauso aussahen wie meine. Aber das war die einzige Ähnlichkeit. Ich lief auf sie zu. Falls sie meine Mutter war, hieß sie Karolina, fast wie Cara, meine Zofe. Sie bemerkte mich schon, als ich noch einige Meter von ihr entfernt war. Auch sie würde ich wahrscheinlich wieder unterbrechen müssen, wenn ich jetzt weiterging. Die Soldaten, die mir hinterherschauten, ignorierte ich geflissentlich.

Die Frau, die meiner Mutter gegenüberstand, war kaum älter als ich und hatte ebenfalls braune Haare, allerdings etwas heller als meine Mutter. Wahrscheinlich war sie meine Schwester. Ich wollte auch sie genauer mustern, bevor ich mich mit ihr unterhalten würde, doch ich war schon bei den beiden angekommen. Ich knickste diesmal nur leicht, erst vor der Königin, dann vor der Prinzessin. ,,Ich hoffe, ich habe Euer Gespräch nicht unterbrochen." Da ich noch nicht sicher wusste, wer die beiden tatsächlich waren, blieb ich professionell und höflich. Ich wollte ja keinen schlechten Eindruck hinterlassen.

,,Nein, selbstverständlich nicht, Elizabeth." Meine Mutter sah mich mit einem komischen Blick an. Also war sie tatsächlich meine Mutter. Doch unerwarteter Weise blieb meine Freude aus. Ich hatte gedacht, das würde ein besonderer Moment werden, doch nun fühlte ich mich nur komisch, als ich so genau betrachtet wurde. Zu spät bemerkte ich, dass auf eine Antwort meinerseits gewartet wurde.

,,Ihr seid meine Mutter?", fragte ich nun weniger gekonnt. ,,Und meine Halbschwester?", fügte ich hinzu. Immerhin höflich wollte ich bleiben. Meine Mutter, Karolina räusperte sich leicht. ,,Ja, das ist deine Schwester und ich bin deine Mutter." Ich bemerkte nicht, dass sie nur Schwester gesagt hatte ohne das halb davor. Vielleicht überhörte ich es auch unterbewusst. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. All meine Gesprächsthemen waren wie weggeweht.

Doch glücklicherweise unterbrach meine Schwester die Stille. ,,Ich heiße übrigens Georgiana." Leicht perplex, weil sie ein anderes Thema angeschlagen hatte, als ich erwartet hatte, brauchte ich kurz, um zu reagieren. ,,Ihr wisst ja schon, dass ich Elizabeth heiße." Mehr brauchte ich nicht zu sagen, um das Gespräch am Laufen zu halten. Doch Georgiana war anscheinend mit ihrem Satz noch nicht fertig gewesen. ,,Und ich bin überhaupt nicht deine Halbschwester."

Eliza Where stories live. Discover now