Kapitel 14

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14. Dezember

Es gibt eine Macht, die sogar der Migräne überlegen ist:
1. die klassische Nervosität
2. die romantische Nervosität

Honoré de Balzac (1799 - 1850), französischer Philosoph und Romanautor

Ich hatte in den letzten Stunden nur über Will und mich nachgedacht. Glücklicherweise war niemand mehr in mein Zimmer gekommen, um mich zu fragen, weshalb ich verschwunden war oder wie es mir ging. Ich war froh, dass jetzt ein neuer Tag war und der König mit seiner Familie hoffentlich bald verschwinden würde.

Ich wusste nicht, wieso ich plötzlich so tief für Will empfand. Doch ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich in ihn verliebt hatte. In den Büchern, die ich gelesen hatte, war, wie bei mir, immer die Rede von einem Flattern im Bauch gewesen. Und zusätzlich wurde mir immer warm. Allein der Gedanke an dieses Gefühl ließ mir wieder ein großes Grinsen in meinem Gesicht erscheinen.
Meine Mutter hatte, wenn ich mich richtig entsann, gesagt, dass ich alles tun sollte, um für das zu kämpfen, was ich erreichen wollte. Und in diesem Fall war das wohl ein bestimmter Partner. Zumindest war das die einzige Möglichkeit, wie ich mir ihre Aussage erklären konnte.

Ich hatte mir schon einige Pläne zurecht gelegt: Einerseits könnte ich einfach das Geschehene ignorieren und einfach Augustus zu meinem Mann nehmen, wie ich es sollte. Ich könnte aber auch versuchen, Will auszuquetschen, um herauszufinden, was er mit dem Kuss hatte bezwecken wollen. Dann würde ich entweder mit ihm zusammen fliehen und hoffen, dass wir nicht entdeckt würden oder ich würde mit dem König ein interessantes Gespräch führen, das hoffentlich so enden würde, wie ich es wollte. Meine letzte Wahl war es einfach so zu verschwinden, um mir keine Gedanken mehr machen zu müssen und frei zu sein. Doch dann wäre ich erstens verarmt und zweitens würde ich sicherlich überall gesucht werden.

Mein Kopf sagte mir, ich solle vernünftig sein und kein solches Wagnis eingehen. Ich könnte es mir bestimmt leicht verscherzen, auch wenn mein zuerst als größter Feind eingeschätzter Mutterräuber sich als mein Vater entpuppt hatte.

Mein Bauch sagte mir aber etwas völlig anderes. Ich wusste, dass ich mit Augustus nicht glücklich werden würde. Wieder einmal musste ich aber zugeben, dass meine einzigen Kenntnisse aus Büchern stammten. Ich war mir aber trotz meiner Unwissenheit sehr sicher, dass Will der Richtige für mich sein würde.

Ich konnte mir sehr genau vorstellen, wie es war, einen Mann an seiner Seite zu haben, mit dem man glücklich war. Zudem war Wilhelm sehr gutaussehend, intelligent, konnte mir ein Lächeln auf die Lippen zaubern und er war die erste Person bei der ich dieses Flattern im Bauch gefühlt hatte.

Wenn wir später glücklich verheiratet wären und einen Ball veranstalten würden, wären wir überglücklich, würden tanzen und tanzen... Diese Vorstellung machte mich überglücklich. Ich konnte mir auch ausmalen, wie es wäre ganz viele Kinder zu bekommen. Wenn wir ein Traumpaar wären und irgendwann meine Tochter zu mir kommen und mich fragen würde, wo sie wohl ihre wahre Liebe finden würde.

Aus diesen Gründen, vor allem aber aufgrund meiner Gefühle, entschied ich mich für die Option, zu Will zu gehen und ihm meine Liebe zu gestehen. Dann würde ich den König auffordern, mir diese Heirat zu gestatten. Mein Vater würde das bestimmt für seine Tochter tun. Immerhin war es allen angeboren, seine Kinder zu lieben. Diesen einen Wunsch würde er bestimmt für mich in Erfüllung gehen lassen. Er hätte dann dieses Gefühl, das einem sagt, dass man etwas Gutes vollbracht hatte.

Mein Optimismus könnte nicht größer sein. Ich hatte mich in der Zeit meiner Gedankengänge fertiggemacht, und sah nicht einmal so schrecklich aus. Normalerweise war ich er nicht gewohnt, mir meine Kleidung komplett selbst anzuziehen, mich zu schminken hingegen war kein großes Problem. Früher hatte ich mich immer zum Spaß hübsch gemacht. Ich hatte es geliebt, wenn mich Konstantin - ich hatte beschlossen, ihn ab jetzt so zu nennen - stolz angesehen hatte. Er hatte dann immer gelächelt und mir Komplimente gemacht. Anschließend hatte er mir versichert, dass ich irgendwann meinen Prinzen finden würde.

Und nun war es so weit. Ich versicherte mich nochmals, dass meine Haare sich nicht lösen konnten und meine Gesichtsfarbe so aussah, wie ich es wollte. Zufrieden mit mir selbst stand ich auf und ging aus der Tür. Ich hatte nicht vor, vor meinem Gespräch noch etwas zu frühstücken oder zuerst mit meinem Vater über meinen neuen Wunsch zu reden. Ich würde nun sofort Will aufsuchen.

Als ich mich im unteren Geschoss befand, fiel mir auf, dass ich nicht wusste, wo all die Männer untergebracht waren, doch selbst wenn ich es gewusst hätte, wäre ich nicht in Kenntnis gesetzt worden, in welchem der Zimmer sich ausgerechnet Wilhelm befand. Doch ich wollte noch nicht aufgeben und sah im Gemeinschaftsraum nach. Auch hier war niemand. Das war zwar vorhersehbar gewesen, aber ich war wie besessen von meiner Idee.

Ich war außerdem zu stur, um jetzt aufzugeben. Ich musste meine Mission, die ich mir selbst gestellt hatte, erfüllen, egal wie. Ich kam auf die Idee, im Garten nachzusehen. Diesmal eher unmotiviert lief ich also nach draußen, um mich auf die Suche zu machen. Es war nicht mal sicher, ob Will sich überhaupt draußen befand, und ich beschloss, unser großes Grundstück abzusuchen. Meine hohen Schuhe hinderten mich wieder an meinem Vorhaben. Doch dieses Mal zog ich sie nicht aus. Es könnte mich diesmal jemand sehen, von dem es nicht egal war, wie er mich sah.

Lächelnd erinnerte ich mich an das erste Mal, als ich meinen potentiellen Ehemännern, wie ich sie früher genannt hatte, begegnet war. Auch damals hatte ich mich über meine Schuhe beschwert. Mit dem Unterschied allerdings, dass ich sie wirklich abgelegt hatte.

Die Sonne war schon aufgegangen und es war angenehm war. Ich hörte die Vögel zwitschern und roch den blumigen Geruch der Wildrosen, die in diesem Bereich angepflanzt waren. Als ich um eine Ecke bog, wo hauptsächlich ein kleiner Teich mit Fischen angelegt war, erspähte ich eine Gestalt. Positiv überrascht trat ich auf den Mann mit Wills Statur zu und lächelte, als ich erkannte, dass es tatsächlich die Person war, die ich gesucht hatte.

Er schaute nachdenklich die Seerosen und Fische an, doch ich glaubte, dass er sie nur unterbewusst wahrnahm. Leise ging ich weiter nach vorne und stellte mich neben Will. Nun bemerkte er meine Anwesenheit jedoch und er wurde förmlich aus seinen Gedanken gerissen. Schon wieder lächelte ich. Das passierte mir immer öfter, wenn ich mich in seiner Gegenwart befand oder auch nur an ihn dachte.

,,Was machst du hier?", fragte ich ihn. Es wäre mir komisch vorgekommen, ihn zu duzen, nachdem wir uns fast geküsst hatten.

,,Ist das tatsächlich die Frage, die du stellen wolltest?", antwortete er mir mit einer Gegenfrage. Mir wurde schon wieder warm in der Bauchgegend. Das musste daran liegen, dass er genau erraten hatte, was ich wollte.

Wahrheitsgemäß sagte ich: ,,Nein, das war sie nicht." Ich war entschlossen, meine Frage ohne Zögern zu stellen und tat dies deshalb auch. Ich musste mir Gewissheit verschaffen. ,,Wieso wolltest du mich küssen?", ließ ich deshalb die Katze aus dem Sack.

Eliza Where stories live. Discover now