Kapitel 18

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18. Dezember

Entdecken – ist die Belohnung der Neugier

Petra Golke (*1959), Hartz-IV-Bezieherin

Als ich in meinem Zimmer saß, konnte ich die Tränen nicht zurückhalten. Ich wusste nicht, weshalb ich so nah am Wasser gebaut war, aber es wurde mir alles zu viel. Ich war mir nicht sicher, wieso ich plötzlich wieder eine solche Angst gehabt hatte. Meine Hand tat noch immer weh und ich war mir sicher, dass sich dort bald ein großer blauer Fleck ausbreiten würde.

Ich wollte niemanden heiraten. Das hatte ich zwar von Anfang an gedacht und gewusst, aber nun war mir wieder vollkommen bewusst, wieso ich überhaupt dieser Meinung gewesen war. Männer waren mir viel zu stark. Sie waren unberechenbar und man wusste nie, wann sie einem Gewalt antun wollten. Das beste Beispiel dafür war Augustus. Noch immer wusste ich, wie er auf mich zugetreten war und mein Handgelenk einfach nicht losgelassen hatte.

Ich hatte einfach nicht anders fliehen können. Und alle waren tatenlos daneben gestanden. Wenn ich mir vorstellte, was sie mir vielleicht alles antun würden, wenn wir uns nicht in der Nähe Konstantins und meines Vaters befanden, wurde mir ganz übel. Ein Schluchzen wollte aus meiner Kehle entfliehen. Warum musste ich eine Prinzessin sein? Wieso konnte ich nicht einfach den ganzen Tag arbeiten, mich in einen Bauer verlieben und glücklich und mehr oder weniger wohlhabend mein Leben führen?

Mein Leben würde aber bei weitem nicht so aussehen. Ich würde in die Hände eines Mannes gegeben werden, der mit mir anstellen konnte, was er wollte. Ich würde niemals glücklich werden. Es wäre ein Glück, wenn ich nicht verletzt werden würde, wenn ich einfach nur meine Pflicht erfüllen und einen Sohn gebären müsste. Wieso musste Gott mir diese Last auferlegt haben? Wieso konnte ich nicht ein anderes Leben leben? Wieso...?

Langsam versiegten die Tränen, doch ich fühlte mich immer noch genau so schrecklich wie davor. Vielleicht hätte ich einen netten Mann gefunden, wenn ich am Anfang meiner Zeit als Zwangszuverheiratende geflohen wäre und mich in einem Dorf eingelebt hätte? Doch bestimmt waren alle Männer genauso wie die Adeligen. Immerhin wurden alle von ihren Hormonen getrieben. Wer garantierte mir, dass ich ansonsten nicht in einem Bordell oder an der Seite eines armen, fetten, alten Mannes gelandet wäre?

Vielleicht war es doch besser, wenn ich immerhin im Reichtum lebte. Das wäre immerhin ein einziger Vorteil. Doch aus welchem Grund waren wir Frauen weniger wert als Männer? Es gab doch immerhin fast genauso viele von uns. Der einzige Grund, dass wir nicht gleich viele waren, war, dass manche Väter ihre Töchter verhungern ließen. Diese Unmenschen! Doch auch sie waren Männer. In meinen Büchern hatte ich oft von der wahren Liebe gelesen und wie sich ein Mann deshalb veränderte. Ich wollte meine Hoffnung auf die Männer nicht aufgeben. Es gab bestimmt einige, die gutherzig waren. Konstantin hatte mich immerhin gutherzig aufgezogen. Er wäre bestimmt ein ebenso guter Ehemann gewesen.

Ich stand von meinem Bett auf und sah aus dem Fenster. Von hier aus konnte mich zum Glück niemand sehen. Ich blickte zwar auf den Innenhof, aber direkt vor dem Fenster stand ein sehr großer Baum, der, außer im Winter, alles verdeckte. Wohin würde ich wohl ziehen, wenn ich verheiratet war? Doch diese Frage beantwortete sich von selbst. Frauen mussten mit ihren Männern gehen. Ob ich wohl noch immer Augustus heiraten musste? Der König hatte immerhin nichts von dem Geschehen mitbekommen und selbst wenn, würde er seine Meinung bestimmt nur ungerne ändern. Er war immerhin auch ein Mann.

Plötzlich sah ich, wie sich alle, die am Anfang zu meiner Heirat bereit gestanden hatten und noch immer übrig waren, auf dem Hof versammelten. Wie so oft war ich glücklich darüber, dass mich hier niemand erkennen konnte. Doch dieses Glücksgefühl verschwand sofort wieder, als ich sah, wie sich Phillip und sein Bruder anscheinend stritten. Worum es wohl ging? Doch die Antwort glaubte ich schon zu wissen. Immerhin hatten ja alle mitbekommen, wie ich Augustus fertiggemacht hatte. Vielleicht war es die geheime Waffe der Frauen, in Kenntnis über den größten Schmerzbereich der Männer gesetzt worden zu sein.

Vielleicht würde mich das ja noch öfter retten. Doch eigentlich hatte ich nicht geplant, jemals wieder in eine solche Situation zu gelangen. Aber es war ja auch nicht geplant gewesen, dass ich vor meinem achtzehnten Geburtstag heiraten würde. Zumindest nicht in meinem Kopf.

Was mich überraschte, war, dass nicht nur Phillip auf seinen Bruder einzureden schien, sondern auch all die anderen Männer. Entweder sie setzten sich jetzt doch für mich ein, auch wenn es eigentlich zu spät war, oder sie redeten über etwas völlig anderes als das Geschehen von vor nicht allzu langer Zeit. Zu gerne hätte ich ihr Gespräch mitverfolgt, doch ich war zu weit weg, um etwas hören zu können.

Es machte mich dennoch glücklich, dass alle nicht gerade glücklich über Augustus' Verhalten waren. So wurde er nämlich langsam zu einer kleinen, ekligen Schnecke, der endlich gesagt wurde, was alle schon dachten. Zuerst diskutierte er noch mit und verteidigte sich, doch dann sah man, wie er still war und sich verkniffen mit den Zähnen aufeinander biss. Er lief anfangs weiter, doch dann blieb er stehen und hob den Kopf. Ich glaubte zu wissen, dass er gleich durchdrehen würde. Ich war mehr als nur froh nicht in seiner Nähe zu sein. Nur Gott wusste, was er gleich tun würde.

Wie ich vorhergesagt hatte, platzte ihm kurz darauf der Kragen. Er schrie alle anderen an und als er fertig war, lief er in den Stall. Wahrscheinlich würde er sich ein Pferd nehmen und wegreiten. Das tat ich auch immer, wenn ich sauer war. Ich hatte genug gesehen. Ich setzte mich vor meinen Spiegel und beseitigte die verlaufene Gesichtsfarbe, die heute Früh sorgfältig darauf verteilt worden war. Noch würde ich ein bisschen überlegen, aber ich musste etwas an meinem Verhalten ändern. Entweder ich redete mit dem König, was ja bereits in die Hose gegangen war, oder ich zeigte den Männern, wer jene anhatte. Ich war ja bereits mit schmerzhaften Tritten vertraut.

An alle männlichen Personen, die das hier lesen: Die aktuelle Meinung von Elizabeth wird sich noch ändern und spiegelt nicht die meine wider;)

Eliza Where stories live. Discover now