Kapitel 17

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17. Dezember

Angst schafft Gewalt
Gewalt schafft Angst
Gewaltige Angst!

Alfred Selacher (*1945), Schweizer Lebenskünstler

Als ich noch immer nichts sagte, schaltete sich der König ein. Doch ich war nicht mehr gewillt, Augustus jetzt noch zu heiraten. Wenn ich so darüber nachdachte, war dieses Vorhaben sowieso viel zu kurzfristig geplant gewesen. Es hatte nicht einmal eine Woche gedauert, bis ich zu dem Entschluss gekommen war.

Ich hatte ihn ja noch nicht einmal richtig gekannt! Ich kannte lediglich seinen Bruder. Wie hieß der eigentlich in Wirklichkeit? Etwa Will? Hatten die beiden tatsächlich nur Namen getauscht? Oder hatte Augustus einfach beschlossen, dass Wilhelm ein schöner Name war?

Bevor also mein Vater auch nur ein Wort sagen konnte, starrte ich Augustus mit einem wütenden, fast mörderischen Blick an, knickste vor dem König und verließ mit großen Schritten das Zimmer. Ich fühlte mich noch immer so leer. War dies wirklich die große Liebe gewesen? Sollte ich nicht am Boden zerstört sein?

Da ich nichts mit mir anzufangen wusste, aber auch nicht einfach verschwinden wollte, suchte ich Augustus' Bruder auf, um ihn auszufragen. Ich fand ihn im Aufenthaltssaal, in dem die meisten der Männer sich unterhielten. Wahrscheinlich hatte meine vorschnelle Entscheidung schon ihre Runden gemacht. Denn als ich den Saal betrat, sahen mich alle an, als hätten sie es von Anfang an gewusst, als hätten sie gewusst, dass ich mich für Will entscheiden würden.

Sie schienen mich besser zu kennen als ich sie. Nichts desto trotz lief ich auf die gesuchte Person zu und setzte mich neben ihn. Erstaunt sah er mich an. Ich beschloss, nicht lange um mein Ziel herumzureden, und fragte ihn gleich: ,,Wie heißt du?" Er sah mich verwirrt an. Ich hoffte, dass Augustus mir nicht gefolgt war und hier nicht einfach so hereinkommen würde. Dann würde mein Plan auffliegen. Wobei, es war nicht einmal ein Plan.

Da mein Gegenüber mir nicht antwortete, klärte ich ihn auf: ,,Ich weiß, wie dein Bruder in Wirklichkeit heißt. Nenne mir bitte deinen Namen." Noch immer unentschlossen öffnete er zögerlich den Mund, antwortete mir dann aber immerhin: ,,Ich heiße Phillip." Irgendwoher kam mir dieser Name bekannt vor, doch ich wusste einfach nicht, wann ich ihn schon gehört hatte. Da dies aber nebensächlich war, schob ich diesen Gedanken in den hintersten Teil meines Kopfes.

,,Warum?", fragte ich Phillip einfach. Er wusste, was ich wissen wollte. Wir blendeten beide die um uns herumstehenden Männer aus, für die ich mich noch nie wirklich interessiert hatte, die aber wahrscheinlich alle ehrlicher waren als Augustus. ,,Augustus wollte nicht heiraten. Noch dazu niemanden, der seinen Stand nicht erhöhen würde." Sofort fiel mir wieder das Gespräch mit meinem Vater ein, in dem er angezweifelt hatte, ob ich tatsächlich den damaligen Augustus heiraten sollte. Er hatte es zumindest erahnt, doch ich war von meiner Naivität geblendet gewesen.

,,Und als er erfahren hat, dass es ausgerechnet ein Mädchen sein sollte, deren Vater nicht unbedingt gut aussieht", währenddessen senkte er seine Stimme, ,,war er natürlich nicht unbedingt begeistert. Sie hat ja noch nie jemand gesehen." Ich ignorierte gekonnt den Vorwurf, der in seinem letzten Satz mitschwang. Augustus hatte alle Wege offen. Er hätte es mir zumindest sagen können, bevor er zugestimmt hatte, dass er mich heiraten würde. Dieser Affe!

Doch Phillip schien auch nicht besser zu sein. Spontan fiel mir auf, dass er in meine Schwester verliebt sein musste. Hatte es nicht geheißen, dass er eine Affäre mit der Tochter des Königs gehabt hatte? Während sie verheiratet war? Auf einmal wunderte ich mich auch, dass ich Georgianas Ehemann noch nie begegnet war. Hätte ich ihm nicht begegnen sollen, als ich meine Schwester kennengelernt hatte? Doch all diese Fragen waren nur nebensächlich- abgesehen von der ersten, die interessierte mich wirklich.

,,Du warst mit meiner Schwester zusammen?", durchlöcherte ich ihn weiterhin. Er schuldete mir Antworten. Immerhin musste er seinen Familiennamen wieder reinwaschen. Phillips Gesicht wurde schlagartig einen Hauch blasser. Also lag ich mit meiner Vermutung richtig. Ich verkniff mir ein Grinsen. So fies war nicht einmal ich. Er schien sich eine gute Antwort zu überlegen, wie er sein Verbrechen mir, der Schwester seiner Geliebten, möglichst harmlos schildern konnte.

Darauf würde ich nicht hereinfallen. Und das, obwohl ich ziemlich leichtgläubig zu sein schien. Ich wartete geduldig. ,,Ich habe mit Ihrer Schwester nie Unerlaubtes getan." Ich sagte nicht, dass schon die Liebe nicht erlaubt war. ,,Ich habe sie geliebt und sie hat mich-", er wusste offensichtlich nicht, was er sagen sollte. In dieser Hinsicht tat Phillip mir sogar leid. Nicht zu wissen, ob seine Liebe erwidert wurde, war bestimmt schwer.

,,Ist schon gut. Eigentlich will ich nicht wissen, was ihr alles getan habt." Sonderlich taktvoll war ich nicht, doch war ich so behandelt worden? Nein. Ich war nicht im Geringsten nett behandelt worden, zumindest nicht, ohne dabei belogen zu werden und allein das reichte mir schon. Um endlich eine Antwort auf die Frage zu bekommen, die mir schon lange auf der Zunge lag, fragte ich: ,,Liebt er mich wirklich? Wollte er mich tatsächlich heiraten?" Ich musste es wissen. Vielleicht hatte Augustus mich belogen, doch mich währenddessen wirklich interessant gefunden. Phillip seufzte. ,,Ich weiß es nicht." Ich hatte nicht bemerkt, wie leise es geworden war. Die Männer sahen so offensichtlich zu uns, als wäre es ihnen nicht im Geringsten peinlich, wenn wir sie entdecken würden. Doch was ich erst danach bemerkte, war, dass auch Augustus alles mitbekommen hatte.

Ich war mit dem Rücken zur Tür gesessen und hatte nicht erahnen können, dass er mich belauschen würde. Als er sich neben mich setzte und seinen Arm um mich legen wollte, wich ich entsetzt zurück. Er glaubte doch nicht ernsthaft, dass zwischen uns wieder alles in Ordnung war? Und ich hatte gedacht, ich wäre naiv. Ich stand entrüstet auf und schrie ihn beinahe an: ,,Wie kannst du es wagen? Du willst mich umarmen, mich gar nur berühren? Ist dir nicht aufgefallen, was du getan hast? Bist du wirklich so dumm?" Ich wandte mich ab und lief zur Tür, als sich eine Hand um mein Handgelenk schloss.

Augustus zog mich vorsichtig ein Stück näher zu sich und ich schlug ihm auf die Brust, um mich zu befreien. Plötzlich hatte ich Angst. Mein Mann könnte alles mit mir tun, was er wollte. Ich könnte mich weder wehren noch jemanden als meinen Beschützer anstellen. Mein Atem ging flach, obwohl Augustus nur an meiner Hand zog. Ich wollte unbedingt von ihm weg. Mir stiegen die Tränen langsam in die Augen und ich hörte fast nichts mehr, spürte nur noch mein Herz, das so schnell Blut durch meinen Körper pumpte wie schon lange nicht mehr, und den festen Griff, der fast schon wehtat.

Da ich mir nicht anders zu helfen wusste, trat ich mit meinem Fuß auf den von Augustus. Doch noch immer löste sich sein Griff nicht, er wurde sogar noch fester. Ich wurde immer panischer, spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Als ich schließlich nur noch alles verschwommen sehen konnte, stieg ein Schluchzer in mir auf, doch den konnte ich gerade noch unterdrücken. Wieso half mir denn niemand? Vor lauter Panik hob ich mein Knie und trat ihm fest zwischen meine Beine. Sofort wurde mein Handgelenk frei und Augustus krümmte sich schmerzvoll zusammen. Ich ergriff meine Chance und lief aus dem Raum, weg von all denen, die mir nicht geholfen hatten.

Eliza Where stories live. Discover now