Kapitel 5

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5. Dezember

Wer Menschen kennenlernen will, muß nur abwarten und zuhören können. Schließlich enthüllt jeder sich selbst.

Unbekannt

Am nächsten Morgen machte mich meine Zofe Cara wieder fertig und zwang mich, ein warmes, enges Kleid zu tragen. Genervt stieß ich die Luft aus, die davor noch in meine Lunge gepasst hatte, als ich spürte, wie die Knöpfe geschlossen wurden und mir der letzte Freiraum geraubt wurde. Außerdem dachte ich daran, wie es sein würde, auf die Auswahl an Männern zu treffen, die mir der König ausgesucht hatte. Ob ich wohl schon viele kennen würde? Ich blickte mich im Spiegel an und musste gestehen, dass ich in dem Kleid gut aussah. Meine Wangen waren leicht gerötet und Cara hatte meine Augen leicht betont. Dennoch fiel mir auf den zweiten Blick auf, dass mein Ausschnitt schon wieder sehr gewagt war. Vor allem, wenn ich einem Dutzend heiratsfähigen Männern begegnen würde.

Als ich ein Klopfen hörte, und meine Zofe meinem Vater die Tür öffnete, rechnete ich schon damit, dass er sauer wäre, weil ich schon wieder zu spät war. Umso mehr wunderte es mich, als er gut gelaunt anfing zu reden. ,,Guten Morgen, Carolina. Könnten Sie uns bitte kurz alleine lassen?" Meine Zofe, Cara, machte, wie es sich gehörte, einen kleinen Knicks, und verließ das Zimmer, ohne noch etwas zu sagen. ,,Vater, wieso seid Ihr so gut gelaunt?", fragte ich ihn. Normalerweise durften Frauen hier keine Gespräche starten, aber meine Eltern waren schon immer ziemlich locker damit umgegangen.

,,Els, du bist spät dran. Ich habe ein paar nette Männer in der Auswahl gesehen und hoffe natürlich, dass sie dir gefallen. Umso mehr solltest du dich beeilen, um sie nicht zu lange warten zu lassen." Mir war es ziemlich unwohl zumute, dass mein Vater derart gute Laune hatte. Deshalb verabschiedete ich mich schnell und lief zum Eingangstor, um mich draußen in den Gärten mit den potentiellen Ehemännern zu treffen. Noch wusste ich nicht genau was ich tun und sagen sollte, aber ich hatte bereits am gestrigen Tag mit einigen von ihnen gesprochen.

Als ich draußen angekommen war, hörte ich schon Stimmen und sah Gruppen, die sich zu unterhalten schienen. Da ich wissen wollte, mit wem ich es wohl zu tun haben würde, hielt ich mich zuerst im Hintergrund und zählte die Männer. Tatsächlich waren es nur elf. Von wegen ein Dutzend; aber immerhin würde es mir dann leichter fallen, die einzelnen Personen kennenzulernen. Gerade wollte ich auf mich aufmerksam machen, als die Eingangstür sich nochmal öffnete und ich den schwarzhaarigen Mann ankommen sah, der nicht sehr glücklich aussah und dessen Freundin verheiratet worden war. Er ging bestimmt auf die kleinste Truppe zu und wurde herzlich empfangen. Sie schienen sich also zu mögen. Hoffentlich würde es keine Konkurrenzkämpfe geben.

Als ich sah, wie vereinzelt ein paar Männer gelangweilt in verschiedenste Richtungen sahen, tat ich, als wäre ich gerade erst angekommen und lief auf die mir am nächsten stehende Gruppe zu. Sofort unterbrachen sie ihr Gespräch und begrüßten mich. ,,Habt Ihr gut geschlafen?", sprach mich ein jung aussehender Mann mit grünen Augen an. Wahrscheinlich war er sogar jünger als ich, dachte ich mir. Er war bestimmt, wie viele der anderen Männer, gezwungen worden, hier her zu kommen. Freundlich antwortete ich: ,,Sehr gut, und wie habt Ihr geschlafen?" Diese Frage richtete ich bewusst auch an die drei anderen Männer, die in diesem Trüppchen standen. Während sie alle mehr oder weniger dieselbe Antwort von sich gaben, musterte ich sie. Verwundert fiel mir auf, dass alle von ihnen jünger zu sein schienen als ich. ,,Wie heißt Ihr eigentlich?" Diese Frage war zwar nicht schicklich für eine junge Dame, aber die mir gegenüberstehenden wunderten sich offenbar nicht, dass ich zuerst das Wort ergriffen hatte. Der grünäugige Jüngling räusperte sich, um als erster antworten zu können. ,,Ich komme aus Irland und werde Herzog sein, sobald mein Vater gestorben ist." Geschockt starrte ich ihn an. Der König hatte Männer aus Irland als potentielle Ehemänner gewählt? ,,Ich heiße Wolffgangk."

Der links neben ihm stehende blonde Junge stellte sich mit eindeutigem Akzent vor: ,,Ich heiße Caspar und komme aus England." Die anderen beiden Männer hießen Berchtold, der aus dem österreichischen Reich kam, und Bartholomeus. Er machte glücklicherweise keine genaueren Angaben zu seiner Herkunft, die ich mir wahrscheinlich sowieso nicht hätte merken können. Ich verabschiedete mich nach einiger Zeit und stellte mich noch den anderen Männern vor. Man verzeihe mir, dass ich mir mit viel Herumraten im Endeffekt vielleicht die Hälfte der Namen gemerkt hatte.

Als die Sonne schon sehr südlich von unserem Anwesen aus stand, sah ich einen Dienstboten, der in unsere Richtung kam, und einen Brief in der Hand hielt. Obwohl das Führen von Gesprächen nicht schlimm war, wollte ich unbedingt eine Pause und entschuldigte mich für ein paar Minuten. Ich lief schnell auf den älteren Mann zu, um ihn aufzuhalten, und sagte ihm, dass ich den Brief an meinen Vater übergeben würde. Ich stieg die Treppen zur Eingangstür hinauf und atmete erleichtert auf, als mich die kühle Luft und die Stille umgaben. Ich schritt langsam die Treppen hoch und ging durch den Gang zum Arbeitszimmer meines Vaters, um so lange wie möglich zu brauchen. Nachdem ich angeklopft und keine Antwort bekommen hatte, öffnete ich langsam die Tür und sah in den leeren Raum. Ich entschloss mich dazu, den Brief einfach auf den Tisch zu legen, der in der Mitte stand und lief darauf zu. Ich wollte gerade wieder gehen, als ich noch einen Brief sah- einen, der geöffnet war. Ich wusste, dass ich das nicht durfte und Ärger bekommen würde, sobald jemand davon erfahren würde, aber da ich niemanden hörte und sah, setzte ich mich auf einen Stuhl und zog den Zettel aus dem Umschlag. Was ich da sah verschlug mir den Atem.

Eliza Where stories live. Discover now