"Papa!" - pt.2 | 6

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Punkt acht Uhr klingelte es am nächsten Morgen. Pünktlich war Doris schon immer gewesen, eine Fähigkeit, dessen Fehlen sie Klaas jahrelang vorgehalten hatte. Noch mehr von Müdigkeit geplagt als gestern, schlurfte er zur Wohnungstür. Er war letzte Nacht lange wach gelegen, hatte gegrübelt. Was er ihr zu sagen hatte, ob er ihr etwas zu sagen hatte. Und hatte es schließlich doch aufgegeben. Was nützte es schon.
"Papa!", hörte er seinen Sohn rufen, bevor er ihn richtig sah. Bent umarmte sein Bein, klammerte sich schon fast verzweifelt daran. Klaas löste seinen Griff, hob ihn hoch, drückte ihn an sich.
"Na, mein Kleiner", begrüßte er seinen Sohn. Ähnlich erfreut, wenn auch mit weniger Enthusiasmus. Dann sah er zu dessen Mutter, die mit verbissenem Blick hinter der Türschwelle stand und das Ganze beobachtete.
"Bring ihn mal kurz rein", sagte sie herrisch und nickte mit dem Kopf in Richtung ihres Sohnes, der glücklich auf der Hüfte seines Vaters saß, "ich muss mit dir sprechen."
Misstrauisch kniff Klaas die Augen zusammen, drehte dann aber um. "Warte hier", befahl er ihr in einem ähnlichen Ton, den sie gerade benutzt hatte.
Klaas brachte seinen Sohn an den Esstisch, an dem Joko sich gerade Tee nachschenkte. Er sah auf, als er Klaas hörte. Vermutlich tat er so, als hätte er nicht gelauscht, was sich an der Tür abgespielt hatte. Wieso überhaupt. Natürlich hatte er gelauscht.
"Na, du", begrüßte nun auch er den Kleinen. Sie hatten sich ein paar Mal gesehen, klar. Die Beiden hatten sich auf Anhieb gut verstanden. Joko konnte gut mit Kindern, das war nichts Neues. Bent dagegen kam scheinbar nach seinem Vater, war vorerst etwas vorsichtig gewesen. Aber auch er freute sich nun sichtlich, Joko wiederzusehen.
"Pass mal bitte kurz auf", sagte Klaas leise zu ihm, ließ den Kleinen von seiner Hüfte und drehte wieder um.
"Hast du denn schon gefrühstückt?", hörte er Joko noch mit herzerweichender Stimme fragen, als er wieder den Raum verließ. Er musste grinsen, lehnte sich kurz an die Wand neben der Tür. Der Tisch stand um die Ecke, Joko konnte ihn nicht mehr sehen.
Irgendwie mochte er das, schon immer. Joko und Kinder, das passte einfach. Einen Moment lauschte er.
"Mama hat gesagt, dann kommen wir zu spät", hörte er seinen Sohn etwas enttäuscht antworten und ignorierte den Stich in seinem Herz. Er wäre tausendmal lieber zu spät gekommen, wenn sein Sohn dafür ein ordentliches Frühstück bekommen hätte.
"Na dann komm mal mit", hörte er Joko sagen, "wir schauen mal in der Küche, was wir für dich finden."
Klaas reagierte nicht schnell genug, ein wenig erstaunt sah Joko ihn an, als er mit Bent an der Hand aus dem Zimmer kam.
"Alles okay?", fragte Joko ihn mit gerunzelter Stirn.
Klaas nickte, er lächelte den Großen an.
"Alles okay", antwortete er leise, ging dann endlich den Gang entlang bis zur Wohnungstür.
Doris erwartete ihn mit genervtem Blick und verschränkten Armen. "Ich hab nicht ewig Zeit, weißt du."
"Was willst du", gab Klaas zurück, ließ es mehr wie eine Aussage klingen denn wie eine Frage.
"Ich wollte das nur klarstellen", meinte sie, "mit uns."
"Es gibt kein Uns mehr", hörte Klaas sich antworten. Aber er wusste, dass es stimmte. Und er war bisher noch keine Sekunde froher darüber gewesen, dass es das nicht mehr gab. Er war mit den Gedanken halb bei der Situation in der Küche. Wollte ihnen Gesellschaft leisten, für seinen Sohn sorgen, eine schöne Zeit mit Joko haben. Die Frau vor ihm war Geschichte.
"Gut so", sagte Doris, "eine letzte gemeinsame Ansicht."

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"Schau mal in den Schrank da drüben", sagte Joko gerade zu Bent, als Klaas wieder dazustieß und sich am Türrahmen anlehnte, "da sind ganz große Teller drin. Magst du mir da mal einen rausholen?"
Doris war gegangen, hatte kein Wort mehr gesprochen. Einen Moment noch hatte sie Klaas angefunkelt, dann war sie verschwunden. Und er war froh darüber. Er wollte endlich vergessen und sie nie wieder sehen.
Klaas beobachtete seinen Sohn wie er eifrig durch die Küche lief, sich streckte, um die Schranktür zu öffnen. Ganz vorsichtig nahm er einen Teller raus, trug ihn behutsam zu Joko. Der nahm ihm dem Kleinen aus der Hand, stellte ihn auf die Ablage. Joko bedankte sich ganz brav, widmete sich den Eiern vor sich, die er in eine Pfanne schlug.
Langsam schlenderte Klaas rüber, stellte sich neben Joko.
"Du solltest Lisa anrufen", sagte er leise, hoffte, dass sein Sohn ihn nicht hörte, "ich glaub Mila würde es hier bei uns ganz gut gehen."
Joko stoppte einen Moment, grinste ihn an. Klaas lächelte zurück, bemerkte erneut das starke Ziehen in seiner Magengegend. Er hatte mittlerweile eine Befürchtung woher das kam, auch darüber hatte er sich in seiner Schlaflosigkeit den Kopf zerbrochen. Das Gefühl war wahrlich nichts Neues, aber die Intensität, mit der es ihn in letzter Zeit traf, machte Klaas glücklich und traurig zugleich.
Ein Teil von ihm hatte Doris geliebt, ja. Ein Teil von ihm hatte sich das eingeredet. Und der erste Teil, der war in den letzten Wochen immer kleiner geworden. Dafür hatte sich ein neuer gebildet, wie Klaas erkannt hatte. Und der trug die Aufschrift 'Joko'.

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"Ich weiß nicht, ob das nicht sehr früh ist, aber hast du dir schon Gedanken ums Sorgerecht gemacht?", fragte Joko gerade Klaas, als sie gemeinsam vom Auto in die Redaktion schlenderten. Klaas hatte seinen Sohn noch in den Kindergarten gebracht, dann waren sie gemeinsam zur Arbeit gefahren.
Klaas schüttelte den Kopf. Daran hatte er tatsächlich nicht gedacht.
"Mach das mal", meinte Joko dann noch schnell, als sie Jakob in die Arme liefen, "sicher dir den zeitlichen Vorsprung und tu es bevor sie es tut."
"Kommt ihr jetzt jeden Tag zusammen oder was wird das?", fragte Jakob grinsend.
"Dir auch einen guten Morgen", meinte Klaas nur, ging dann direkt an ihm vorbei in sein Büro. Seufzend ließ er seine Tasche auf den Boden fallen, schmiss sich in seinen Bürostuhl. Joko hatte recht, er sollte sich um das Sorgerecht kümmern. Er fuhr seinen Computer hoch, schlich sich noch einmal kurz aus dem Büro, um sich Kaffee zu holen. Dann seufzte er erneut, öffnete Google und gab 'Sorgerecht' ein.

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Etwas entnervt, aber ermutigt, dass er tatsächlich das alleinige Sorgerecht erreichen konnte, schloss er eine Stunde später den Browser. Er griff nach seiner Tasche, um noch etwas von dem zu erledigen, weswegen er eigentlich im Büro war. Ein wenig Motivation zusammenkratzend, widmete er sich dem Skript für den Pre-Opener, den sie morgen drehen wollten. Er atmete einmal tief ein und wieder aus, dann klopfte es. Ohne auf eine Antwort zu warten, steckte Joko den Kopf zur Tür herein.
"Stör ich?", fragte er.
"Ist dir doch eh egal", gab Klaas ein wenig zu bissig zurück und schob die Arbeit wieder von sich.
"Stimmt", meinte Joko und sie grinsten kurz. Joko ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Klaas fallen, seufzte auch.
"Ich hab mit Lisa geredet", meinte er dann. Klaas warf ihm einen anerkennenden Blick zu.
"Und?", fragte Klaas und wünschte Joko, dass es etwas weniger von der Schlammschlacht zwischen ihm und Doris an sich hatte.
"Heute Abend kommt sie und bringt Mila", meinte Joko und grinste plötzlich, "irgendwie war diese Reise wohl nicht das Wahre."
"Oh", meinte Klaas und schaffte es nicht, das Grinsen zu erwidern, "dann fahren Bent und ich wohl doch heim." Er hatte vorgeschlagen, dass Joko sich bei Lisa melden sollte, ja. Er hatte auch erwähnt, dass es Mila ganz gut bei ihnen gehen würde. Dabei hatte er sich und Bent mit eingeschlossen, aber natürlich würde Joko das als Scherz auffassen. Auch wenn Klaas es nicht leugnen konnte, dass diese Vorstellung auf irgendeine Weise seinen Reiz hatte.
Joko allerdings sah ihn verwirrt an. Klaas blickte zurück, versuchte, sich die Traurigkeit nicht anmerken zu lassen. Ganz gleich, wie die Beziehung zwischen ihm und Joko nun wirklich war, wie man sie beschreiben konnte. Ganz gleich, wie Klaas gerade ängstlich seine Seite der Beziehung neu überdachte.
"Na, Lisa wird doch dann kurz in Berlin bleiben", gab Klaas zurück.
"Quatsch", meinte Joko dann und wirkte fast ein wenig glücklich, "ich glaub sie hat eingesehen, dass das nichts mehr wird."
"Dann war die Reise ja doch gut", meinte Klaas schnippisch und Joko warf ihm einen bösen Blick zu, ging aber nicht weiter darauf ein.
"Sie meinte, wir reden da mal in Ruhe noch drüber, aber irgendwie will sie wohl einen Kompromiss finden, wegen Mila", erklärte Joko nun etwas detaillierter, was die beiden besprochen haben.
Klaas schnaubte auf. "Und dann? Eine Woche Berlin, eine Woche München in der Schule für Mila oder was?"
Joko zuckte die Schultern. "Das sag ich Lisa dann, wird sie hoffentlich einsehen."
"Wenn du meinst", gab Klaas nur skeptisch zurück.
"Und dann", sagte Joko, stand auf und wuschelte Klaas kurz durch die Haare, bevor er das Büro wieder verließ, "dann werden wir zu viert 'ne ganz tolle Patchwork-Familie."

Ist das dieses Patchwork? (Joko/Klaas Fanfiction)Where stories live. Discover now