"Augen zu und durch?" - pt. 2 | 30

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Gespannt auf die Reaktionen hatten sie beide schon von Anfang an ihre Handys in der Hand. Nach ein paar Minuten, damit die Leute auch Zeit gehabt hatten, sich ihr Statement komplett anzusehen, wagte Klaas sich in die Kommentare. Und sie waren bunt gemischt - wenn auch fast alle positiv. Zwei, drei sagten in etwa aus, dass die beiden sich doch nicht so haben sollten - schließlich sei es ihre eigene Entscheidung gewesen, ein Leben in der Öffentlichkeit zu führen und nun müssten sie eben mit den Konsequenzen rechnen. Klaas ignorierte das aber sofort, er konzentrierte sich auf den Rest. Und der war erfreulich. Einige Menschen entschuldigten sich, sie hätten das nicht wirklich durchdacht und es täte ihnen leid, im Internet etwas dazu geschrieben zu haben. Einige Andere sprachen ihr Mitleid aus, dass das Paar so bedrängt worden war.
Natürlich, eigentlich hatte jeder gewusst, dass es nicht okay war, dass das privat war. Aber im Endeffekt interessierte es dann doch kaum jemanden und so ein paar Worte waren schnell getippt. Traurig war nur, dass man sich dazu erst hinsetzen musste und sagen musste, dass damit Schluss zu sein hatte. Aber solange sie nun wieder mehr Ruhe bekamen und vor allem die zahlreichen geschäftlichen Anfragen ein Ende nahmen, dann nahm er den anfänglichen Aufruhr in Kauf. Und klar, irgendwo konnte Klaas es ja auch nachvollziehen, dass so eine plötzliche Beziehung zwischen den beiden interessant war. Aber es war schade, dass das so aus dem Ruder laufen musste.
"Scheint bisher ganz gut zu laufen", meinte Joko schließlich, starrte noch immer auf seinen eigenen Handybildschirm.
"Hab ich aber auch ein bisschen mit gerechnet", erwiderte Klaas wahrheitsgemäß, "war klar, dass ihnen das jetzt alles leid tut."
"Natürlich, hinterher meint man ja immer alles nicht so", gab der Andere zurück, zuckte mit den Schultern und sie lasen wieder still die Reaktionen im Netz.
"Ich wette aber, wir haben mindestens zehn Sympathie-Punkte verloren, weil wir ausgesprochen haben, was sich alle Promis das eine oder andere Mal denken. Einfach mal unsere Ruhe haben", ergriff Joko dann wieder das Wort.
"Na, aber nicht über jeden Promi wird bekannt, dass er plötzlich mit seinem jahrelangen Kollegen zusammen ist", gab Klaas schmunzelnd zurück.
Joko lachte kurz auf. "Stimmt auch wieder."

-

In den paar Tagen nach der Sendung und dem Statement ebbte der Aufruhr, der um sie gemacht wurde, deutlich ab. Dass Kommentare oder Tweets weniger wurden war abzusehen gewesen, irgendwann wurde man nun einmal wieder uninteressanter. Zunächst das Thema schlechthin, das sich seinen Weg durch die Medien bahnte, aber dann war irgendwann alles diskutiert und man suchte sich etwas Anderes. Was aber vor allem die beiden Moderatoren und das Team nicht zu entschuldigen fanden, waren die zahlreichen Anfragen. Doch schließlich waren auch die deutlich weniger geworden. Mittlerweile hatte es sich wieder eingerenkt und das war gut so, denn sonst wäre Klaas vermutlich noch nervöser, als er am Samstag Morgen in seine Klamotten schlüpfte.
"Warum muss der eigentlich so früh kommen?", nörgelte er, als fertig angezogen, aber noch mit nassen Haaren die Treppen runterstieg und zu Joko stieß, der gerade Obst kleinschnitt und in Bents Kinderteller warf.
"Elf Uhr morgens ist nicht früh, Schatz", erwiderte der Andere nur grinsend. Klaas zuckte mit den Schultern, gähnte ausgiebig und goss sich Kaffee ein. Den brauchte er jetzt. Dann griff er nach den drei übrigen Tellern, etwas Besteck und begann, den Tisch für sie vier zu decken. Nebenbei warf er einen Blick auf die Uhr. Kurz nach zehn, eine knappe Stunde würde ihnen noch bleiben, bevor der Vertrauensbeistand hier aufkreuzen würde. Er würde nicht allzu lange hier sein, hatte er Klaas am Telefon versichert. Er wollte sich lediglich ein Bild von der Lebenssituation machen und die Gelegenheit nutzen, um auch mit Joko ein Gespräch zu führen. Der kannte Bent zwar lange noch nicht so gut wie enge Freunde der Familie, geschweige denn wie Klaas oder Doris selbst, aber er spielte doch keine unerhebliche Rolle. Ganz einfach, weil Bent auch bei ihm leben würde, wenn Klaas das Sorgerecht erhielt. Aber der war zuversichtlich. Er kannte Joko, der würde nichts Nachteiliges über einen von ihnen von sich geben. Abgesehen davon hatten die beiden noch vorige Woche in neue Möbel investiert, dieser Eindruck sollte also auch gut sein. Klaas musste grinsen, als er sich an den fertig gedeckten Tisch fallen ließ. Gerade als er Luft holte und nach den beiden Kleinen rufen wollte, hörte er Gekreische von rechts kommen. Nur einen kleinen Augenblick später kam Bent die Treppe runtergerannt, Mila direkt an seinen Fersen.
"Hab dich längst gehabt", rief sie, rannte dem Kleineren aber dennoch weiter hinterher und schlug ihm noch einmal leicht auf die Schulter. Natürlich hatte Bent keine Chance, sie hatte ihm drei Jahre Körpergröße voraus.
Joko setzte sich lächelnd neben seinen Freund und beobachtete beide noch einen Moment, wie sie im Wohnzimmer umherrasten.
"Da hab ich mich ziemlich schnell dran gewöhnt", meinte Klaas lächelnd an Joko gewandt, "und du kannst dir nicht vorstellen, wie schnell ich das vermissen würde, wenn Bent nicht hierbleiben kann."
"Wird er", versicherte Joko ihm mit fester Stimme und griff nach Klaas' Hand, um sie kurz zu drücken.
"Wollen wirs hoffen", murmelte Klaas leise.

-

Seinen Kopf auf Jokos Schoß lag Klaas am Abend desselben Tages schläfrig auf dem Sofa. Schläfrig, aber zufrieden. Alles in allem war der Besuch war gut gelaufen. Mila hatte sich etwas zurückgehalten, aber das war absehbar gewesen und durchaus in Ordnung. Noch einmal ging Klaas in Gedanken durch was passiert war, überdachte Situationen, die ein schlechtes Licht auf ihn werfen konnten. Aber es fiel ihm nichts großartig Problematisches ein. Nicht als der sich ein Bild vom Haus gemacht hatte, nicht als er sich mit den Vätern unterhalten hatte, nicht als er sich mit Bent unterhalten und Klaas stumm daneben gesessen hatte. Er freute sich für Joko und Klaas, hatte er den beiden am Schluss noch mitgeteilt, als die Kinder in Milas Zimmer spielten. Ein weiteres Wort hatte er darüber nicht verloren, die Väter hatten sich nur bedankt, einen kurzen Blick ausgetauscht und sich schließlich verabschiedet. Auch darüber hatte Klaas spekuliert - würde es Auswirkungen haben, dass Joko und er gerade das scheinbar einzige Thema in den Medien waren? Es war schließlich unmöglich gewesen, das nicht mitzubekommen. Aber auch das würde sich zeigen, ins Urteil einbringen durfte das ohnehin keiner.
"Bin müde", brummte Joko und streichelte Klaas' Kopf. Der war ohnehin schon kurz vor dem Einschlafen, nur seine Gedanken hielten ihn wach. So gab er nur ein zustimmendes Gemurmel von sich. Einen Moment blieben sie noch wo sie waren, dann hörte Klaas das Klick, als Joko sein Handy sperrte. Vorsichtig hob er den Kopf des Kleineren hoch, rutschte dann vom Sofa und ließ Klaas dort liegen. Gerade wollte er etwas verwundert die Augen aufschlagen, als er zwei Arme unter seinen Schultern und in den Kniekehlen spürte und hochgehoben wurde.
"Ich bin noch wach", murmelte er mit breitem Lächeln, "du musst mich nicht schon wieder ins Bett tragen."
"Will ich aber", erwiderte der Andere und Klaas konnte hören, dass auch er ein Lächeln auf dem Gesicht hatte. Dann spürte er, wie Joko ihn auf seiner Hälfte des Bettes ablegte, einmal drumherum lief und Klaas' Decke zurückschlug.
"Kannst rüberkrabbeln", meinte er leise und Klaas tat, wie ihm geheißen, nach wie vor mit geschlossenen Augen und in Jogginghose und T-Shirt, in denen er schon den Nachmittag verbracht hatte.
"Ich liebe dich", flüsterte er, als Joko ebenfalls unter die Decke gekrabbelt war und er friedlich vor ihm lag. Dann öffnete er doch noch einmal die Augen und sah in Jokos strahlendes Gesicht.
"Ich dich auch, Klaas."

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Zögernd hielt Joko vor dem Familiengericht. Beide waren schweigsam, heute war der entscheidende Tag da. Der Termin der Anhörung bei der das Urteil fallen sollte. Nach dem endlich feststehen sollte, ob die vorherigen Termine im Gericht, der Besuch bei Klaas und auch der bei Doris vorherigen Samstag auf den richtigen Weg geführt hatten. Vom letzten Samstag wusste Klaas kaum etwas, von Bent waren nur ein paar knappe Erzählungen gekommen, aber es schien ähnlich abgelaufen zu sein wie am Wochenende zuvor. Was Klaas aber wusste und was sicherlich ein großer Minuspunkt sein würde, war die Tatsache, dass Doris gerade bei ihrer Freundin lebte. Sie schien noch auf der Suche nach einer eigenen Wohnung zu sein, nachdem sie überstürzt aus ihrem eigenen Haus geflohen war. Zumindest ging Klaas davon aus, denn die Wohnung der Freundin war schon für zwei Personen zu klein und erst recht, wenn dort noch ein Dreijähriger leben sollte. Aber auf die Schnelle war das nicht so einfach, das machte Klaas ihr nicht einmal zum Vorwurf. Aber es würde einen Einfluss auf das Urteil haben, das stand fest.
Klaas atmete einmal tief durch.
"Du schaffst das, okay?", flüsterte Joko ganz leise und legte seine Hand auf Klaas'. "Das geht gut und ab heute Abend sind wir eine glückliche Familie mit zwei Kindern, ja?"
Klaas nickte nur, was sollte er auch erwidern?
Joko seufzte. "Ich wünschte, ich dürfte da mit rein."
"Das wünschte ich auch, glaub mir", gab Klaas zurück und versuchte sich an einem Lächeln. Es misslang und er ließ es wieder bleiben.
"Ich warte vor dem Raum, okay? Egal, wie lang ihr da drin diskutiert", meinte Joko dann noch leise und diesmal gelang Klaas das Lächeln. Joko war für ihn da, das wusste er. Und er war auch für ihn da, wenn es heute schief gehen würde. Doch daran durfte er gar nicht erst denken. Bent würde bei ihm bleiben, eine andere Möglichkeit gab es gar nicht. Und dann würde seinem Familienglück nichts mehr im Weg stehen, schwor er sich, als er Joko noch einen letzten Kuss auf die Lippen drückte.

Ist das dieses Patchwork? (Joko/Klaas Fanfiction)Where stories live. Discover now