"Hatte ich auch nicht vor, Schatz" - pt. 1 | 27

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Schon am Nachmittag war Klaas so müde, dass er sich am liebsten sofort in die Federn geschmissen und eine Woche geschlafen hätte. Aber nein, das ging nicht so ohne Weiteres. Zum Einen hatten Joko und er sich vorgenommen, einige liegen gebliebene Dinge zu erledigen. Lästiges Zeug, das leider eben auch abgearbeitet werden wollte. Zum Anderen sollten neue, kreative Ideen her. Natürlich, große Leistungen brachte das Team in dieser Hinsicht, aber auch Joko und Klaas lieferten eine ganze Menge. Für Klaas' Geschmack waren die kommenden Sendungen ohnehin noch viel zu wenig geplant. So saßen die beiden also am Abend in stiller Zweisamkeit beieinander und waren tief in ihren Unterlagen vergraben.
Darum dass Bent in Zukunft den ganzen Tag über im Kindergarten bleiben konnte, war Klaas in diesem Moment unglaublich froh. Heute Nachmittag hatte er das geklärt und danach erleichtert aufgeatmet. Joko und er konnten diese Zeit demnächst gut gebrauchen. Bisher war das keine große Sache gewesen, meistens hatten Doris und er sich eben abgesprochen. Wenn es sich gar nicht anders regeln ließ, war der Kleine ab und an bei Freunden untergekommen. Aber nun mit Joko und ihm als Verantwortliche würde das nicht mehr funktionieren, so viele freie Nachmittag konnten sie sich beim besten Willen nicht leisten. Es tat Klaas unglaublich leid für Bent, dass der nun nachmittags keinen von ihnen mehr bei sich hatte, aber es war die einzig praktikable Lösung. Mit Mila in der Mittagsbetreuung und Bent im Kindergarten würden Joko und er hoffentlich wieder einen einigermaßen vernünftigen Rhythmus in ihr Arbeitsleben bekommen.
Mit einem deutlich besseren Gefühl klappte Klaas ein wenig später seinen Laptop zu und schmiss ihn neben sich. Endlich wieder alles so ordentlich wie es sein sollte.
Joko schreckte aus seiner ungesunden Körperhaltung hoch und sah vom eigenen Laptop auf. "Ach, macht der Heufer-Umlauf Feierabend?", kommentierte er das Ganze schnippisch. 
"Wenn der Heufer-Umlauf fertig ist, dann macht der Feierabend, ja", erwiderte Klaas und konnte es nicht lassen, einen scherzhaften Hieb hinterherzusetzen, "musst halt zügiger arbeiten, dann hast du auch so ein entspanntes Leben wie ich, Winterscheidt."
Joko schnaubte nur kurz auf. Klaas dagegen griff nach seinem Handy, scrollte durch Twitter. Den ganzen Tag schon hatte er keine Zeit gehabt, die Reaktionen auf die gestrige Sendung zu lesen. Thomas hatte ihn kurz über die Quoten informiert, aber er war noch nicht dazu gekommen sich selbst ein Bild zu machen. Die neuesten #HalliGalli-Tweets allerdings waren nicht mehr zur gestrigen Sendung, sondern bezogen sich alle auf eine Beziehung zwischen Joko und ihm. Bitte? Wie war das nun gekommen? Es existierten diese beiden Artikel, ja. Aber mehr?
"Joko", meinte Klaas zögerlich ohne von seinem iPhone aufzusehen, "schau mal kurz die neuesten HalliGalli Tweets an bitte."
"Wieso, was is los?", fragte Joko, klickte aber kurz auf seinem MacBook rum und las dann ebenfalls, was da so geschrieben wurde. Klaas stieß währenddessen endlich auf einen Tweet, in dem auch ein Link zu finden war. Er führte wieder zu einem Online-Magazin. Und wieder beinhaltete er die Behauptung, Joko und er seien ein heimliches Paar. Diesmal allerdings klang das schon mehr wie eine Tatsache. Und ja, natürlich hatten sie recht, doch das war nicht der Punkt.
"Fuck", meinte Joko nur ganz treffend nach einigen Momenten. Der Andere suchte währenddessen wieder einmal nach seinem und Jokos Namen und siehe da - das war die Schlagzeile des Abends. Die Websites überschlugen sich, das Ganze machte die Runde. Und auf dem Großteil der Seiten war es als Gewissheit dargestellt. Klaas beugte sich rüber und hielt Joko sein Handy vor die Nase. Schweigend machte der sich ein Bild und sah dann schließlich Klaas an. Gerade als dieser ansetzte, um seiner Wut Luft zu machen, klingelte sein Handy. Jakob rief an. Natürlich.
"N'Abend, Jakob", begrüßte er ihn, "wir habens grad gesehen."
"Gut, dann muss ich die Nachrichten immerhin nicht überbringen", erwiderte Jakob nur.
"Du, ich mach dich mal auf laut okay? Joko sitzt neben mir", erklärte Klaas kurz und legte sein Handy dann neben sich ab.
"Ich hab nichts Anderes erwartet", meinte der Redakteur und man konnte das Grinsen regelrecht hören, "aber mal im Ernst, Jungs. Ich hab keine Ahnung was ihr so vorhattet, aber an die Öffentlichkeit gehen stand vermutlich nicht an erster Stelle."
"Allerdings nicht", mischte sich Joko dann ein, "wir hatten gesagt, dass wir nichts leugnen wollen wenn uns jemand drauf anspricht, aber so? Das war nicht geplant. Wo kam das überhaupt her?"
"Das wüsste ich auch gerne", meinte Jakob daraufhin, "scheinbar haben die nicht mal ne ordentliche Quelle, die berufen sich höchstens auf diese zwei älteren Artikel, aber das wars dann auch. Das Komische ist nur, dass das heute erst so ein Lauffeuer geworden ist und nicht schon letzte Woche. Aber das lässt sich wohl kaum noch klären."
"Wie will man das auch nachvollziehen", brummte Klaas dann, hatte sich inzwischen wieder seinen Laptop geangelt und überflog einige Beiträge.
"Eben", stimmte ihm Jakob seufzend zu, "die Frage ist, was jetzt? Habt ihr nen Plan?"
"Wir haben das ja selber grad erst gesehen", erklärte Klaas ihm, "aber nein, keine Ahnung. Die Frage ist halt, ob wir das totschweigen oder irgendwie drauf eingehen."
"Na, irgendein großes Outing find ich nach wie vor nicht so prickelnd", meinte Joko ohne Zweifel.
"Hatte ich auch nicht vor, Schatz", beruhigte Klaas ihn automatisch und es herrschte einen Moment Stille. Das war nicht geplant gewesen, dieser Klischee-Kosename sollte eigentlich nicht fallen. Jakob schien zu schweigen, Joko dagegen lächelte ihn freudig an. Der Kleinere wäre allerdings in diesem Moment gerne im Erdboden versunken.
"Klärt ihr zwei Turteltäubchen das mal", meldete sich Jakob nach einigen Sekunden wieder, "wir können ja morgen in der Redaktion diskutieren, ich wollte nur, dass ihr Bescheid wisst."
"Ist klar", erwiderte Klaas dann, zwang sich, so zu tun, als sei rein gar nichts gewesen, "bis morgen, Jakob."
Auch die anderen beiden verabschiedeten sich und Klaas legte auf.
"Oh Gott", murmelte er nur, hielt sich die Hand vors Gesicht. "Oh Gott."
"Alles okay, Schatz?", fragte Joko lachend und Klaas hörte, wie er den Laptop auf den Tisch stellte und sich in Richtung des Jüngeren bewegte. Der blieb genau da, wo er war. Er spürte, wie Joko ihm das MacBook vom Schoß nahm und dann, wie er sanft seine Hand vom Gesicht zerrte.
"Hey", meinte er leise und hob dann Klaas' Kopf an, so dass er ihm in die Augen sehen musste. "Sie wissen sowieso Bescheid, Jakob weiß Bescheid. Alles ist gut, okay?"
Klaas sah ihn noch einen Moment an. "Weiß ich, Joko. Aber das hab ich ja nicht mal mit Doris gemacht. Auf Veranstaltungen hätte ich sie nie so angesprochen."
"Dann ist das jetzt eben anders. Mich kannst du jederzeit so nennen. Wintimaus ist ja auch nichts Neues", meinte Joko daraufhin grinsend, lehnte nach wie vor direkt vor Klaas.
"Ja klar, aber das war ja immer im Scherz, Wintimaus", erwiderte Klaas und rollte mit den Augen, "konnte ich ja nicht wissen, dass das mit der Liebe doch mal kommt, ne."
"Ach komm", erwiderte der Größere und sein Grinsen wurde immer breiter, "du hast mich doch schon immer bedingungslos geliebt."
Klaas musste auflachen. "Selbstverliebter Arsch", meinte er nur und schüttelte gespielt enttäuscht seinen Kopf.
"Und trotzdem liebst du mich", meinte Joko leise nach einer kleinen Pause.
"Und trotzdem liebe ich dich, ja", stimmte der Andere ihm ebenso leise und ernst zu. Dann legte Joko endlich die Hand in seinen Nacken und küsste ihn sanft.
"Das löst nicht das eigentliche Problem", erinnerte Klaas den Anderen, als sie sich voneinander lösten.
"Och, du bist echt furchtbar!", gab der Größere zurück und lehnte sich wieder gegen die Sofalehne. Joko verschränkte die Arme und gab sich Mühe, stur geradeaus zu starren. Klaas sah ihn nur einen Moment von der Seite mit breitem Grinsen an, schon konnte Joko seinen Blick nicht mehr halten und musste wieder lächeln.
"Ach, ich hasse dich", ergriff Joko dann doch das Wort, sah zu seinem Freund rüber und kuschelte sich wieder an ihn ran. Dieser genoss einfach nur den Moment und einige Augenblicke saßen sie gemeinsam in der Stille so da, bis sie ein leises Tapsen von rechts hörten. Beide schauten sie auf und sahen Bent neben der Treppe stehen.
"Kann nicht schlafen", murmelte er und lief dann auf die beiden zu, "die Giraffen sind da."
Klaas seufzte innerlich. Ja, die Giraffen unter seinem Bett. Die hielten den Kleinen schon seit einigen Monaten auf Trab. Und damit natürlich auch dessen Vater.
"Na, komm mal her", meinte Klaas und hob seinen Sohn zu den beiden aufs Sofa. Joko sagte nichts, er hielt den Anderen weiterhin fest im Arm, rückte aber ein Stück zur Seite, damit Bent auch Platz fand.
"Weißt du noch was ich dir letzte Woche über die Giraffen erzählt hab?", fragte Klaas mit sanfter Stimme und betete innerlich, dass das Ganze heute einmal schneller gehen würde. Der Kleine schüttelte den Kopf, machte weiterhin ein trauriges Gesicht.
"Dass die nur unter deinem Bett sind, weil sie sehr große Angst haben?", hakte er dann nach und Bent sah unsicher zu ihm auf. Immerhin schien er sich wieder zu erinnern.
"Weißt du, die verkriechen sich da, weil die sich vor dir fürchten", erklärte er dann noch weiter, "die haben so dolle Angst, nie im Leben würden die sich unter deinem Bett raustrauen."
"Und wenn doch?", fragte der Kleine dann schließlich nach und Joko ergriff das Wort.
"Dann brüllst du sie einfach an", meinte er und löste den Arm von Klaas, "komm wir üben das mal."
Joko stieß einen kleinen Brüller aus und imitierte Krallen mit seinen Händen. Furchteinflößend ging anders, stellte Klaas fest als er seinen Freund mit leichtem Grinsen beobachtete.
"Und dann gehen die weg?", fragte Bent noch ein wenig unsicher nach.
"Dann rennen die so schnell vor dir weg, so schnell sind die in ihrem ganzen Leben noch nicht gerannt", bestätigte Joko nickend.
Bent startete einen schwachen Versuch, das Brüllen nachzuahmen, das Joko ihm gezeigt hatte. "So?", fragte er vorsichtig.
"Genau so", erwiderte der Andere, "aber das wirst du gar nicht brauchen, weil die sich sowieso zu sehr vor dir fürchten, da hat der Papa recht."
Bent nickte, schien wieder beruhigt zu sein.
"Komm, ich bring dich wieder ins Bett", mischte sich Klaas dann wieder ein und hob seinen Sohn hoch.
"Sag mal noch gute Nacht zum Joko", meinte er und sein Sohn verabschiedete sich ganz brav. Mit dem Kleinen auf dem Arm stieg er die Treppenstufen hoch und legte ihn schließlich in sein Kinderbett. Liebevoll deckte er ihn zu und strich ihm noch einmal über den Kopf. Das alles, das durfte ihm einfach nicht weggenommen werden, das konnte ihm nicht weggenommen werden.
"Du, Papa?", fragte der Kleine dann noch.
"Ja?", erwiderte Klaas, in Gedanken noch dabei, wie sehr er so etwas vermissen würde, falls Doris tatsächlich das Sorgerecht erhielt.
"Darf ich den Joko jetzt auch Papa nennen?", fragte er ganz leise und Klaas' Herz schwoll an vor Freude.
"Aber klar darfst du das", beantwortete er die Frage seines Sohnes mit breitem Grinsen. Natürlich hatte er gehofft, dass die Kinder den jeweils anderen Vater okay fanden und dass sie miteinander auskamen. Aber dass sein Sohn Joko so schnell akzeptierte, damit hatte er definitiv nicht gerechnet.
"Okay. Gute Nacht, Papa", murmelte Bent noch, dann kuschelte er sich an seinen Plüschpanda.
"Gute Nacht, Kleiner", erwiderte auch Klaas, dann schlich er leise aus dem Zimmer und schloß die Tür.

Ist das dieses Patchwork? (Joko/Klaas Fanfiction)Where stories live. Discover now