"Man, man, Winterscheidt" - pt.1 | 21

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Mit einem recht neutralen Gefühl stieg Klaas etwa zwei Stunden später die Treppen des Gebäudes hinab, seinen Sohn auf dem Arm und Doris wenige Schritte hinter ihm. Sie hatten kein Wort miteinander gesprochen, seit sie den Raum verlassen hatten. Aber das hatten sie davor schließlich genug und vor allem lautstark - auch wenn Klaas deutlich gelassener geblieben war.
Wie erhofft saß Joko im Eingangsbereich des Gebäudes neben besagtem Kaffeeautomat, in seiner Hand ein leerer Plastikbecher. Als er Klaas bemerkte, lächelte er zögerlich, vermutlich unsicher, ob Freude angebracht war. Dennoch sprang er sofort auf und lief ihnen entgegen.
"Hey", begrüßte er ihn und sein Lächeln wurde breiter als er sah, dass auch Klaas ihm ein kleines Grinsen schenkte, wenn auch ermüdet vom Gespräch. Dieser hoffte einfach, dass Joko nicht sofort nachfragen würde, wie es gewesen war, denn er wollte das nicht klären solange Doris und sein Sohn anwesend waren. Zu seinem Erstaunen aber schien Joko zu schweigen.
"So", erhob Doris dann plötzlich das Wort und wandte sich an Bent, "wir sehen uns nächste Woche wieder, ja Schatz? Ich werd dich vermissen."
Bent nickte nur und sah zu seiner Mutter auf.
"Tschüss, Liebling", meinte sie dann, gab ihm einen Kuss auf den Kopf, dann drehte sie sich ohne ein weiteres Wort um und verließ das Gebäude. Etwas erstaunt sahen ihr die beiden Männer hinterher. Nicht mal ein kurzes Abschiedswort hatte sie übrig gehabt. Klaas seufzte einmal tief und ließ seinen Sohn von der Hüfte.
"Lass mal gehen", meinte er dann nur, nickte in Richtung der Tür, durch die Doris verschwunden war. Schweigend liefen sie zum Auto, noch immer sagte keiner ein Wort. Bevor Joko einstieg, wartete er noch einen Moment, bis Klaas seinen Sohn angeschnallt hatte.
"Alles klar?", fragte er dann leise, als der andere die Tür geschlossen hatte. Klaas nickte nur, lächelte leicht.
"Wir reden später", meinte er noch, wollte nicht, dass Bent sich noch länger als nötig mit dem allem beschäftigen musste. Joko nickte nur und lächelte zuversichtlich zurück, ehe er ins Auto stieg.

-

Viele Stunden waren vergangen, bevor sich die beiden endlich unterhalten konnten. Klaas wollte seinen Sohn den Rest des Tages auf keinen Fall allein lassen, wollte aber auch nicht vor ihm das Thema noch einmal erwähnen. Der Kleine sollte davon erst mal ein wenig Abstand bekommen, selbst wenn er nicht direkt mit hineingezogen worden war. Der Herr, der Bent am Morgen mit sich mitgenommen hatte, hatte lediglich ein wenig Zeit mit ihm verbracht, hatte mit ihm ein wenig gemalt und ihn kennengelernt. Sie wollten alles langsam angehen, Bent nicht zu irgendetwas zwingen, sondern ihm Zeit geben.
Wie einfach es doch wäre, wenn er nur ein paar Jahre älter wäre und einfach sagen könnte, was er wollte. Klaas als Vater merkte ihm langsam immer mehr an, wie viel mehr Bent ihm zugeneigt war, auch wenn er das schon seit langer Zeit geahnt hatte. Der Verfahrensbeistand jedoch, wie ihnen der eine der beiden Männer vorgestellt wurde, merkte das nicht unbedingt. Seine Aufgabe war es zwar, die betroffenen Kinder ein wenig kennenzulernen, sich aus objektiver Position eine subjektive Meinung zu bilden, die dann den Willen des Kindes abbildete. Natürlich war er dafür ausgebildet, natürlich hatte er Erfahrung. Dennoch war diese Position nicht einfach. Und sie war noch schwieriger, je kleiner der Sohn oder die Tochter war. Doch Klaas hatte einen ganz guten Eindruck gehabt. Er hatte sich selbst noch ein wenig mit diesem Herrn unterhalten, er wirkte sympathisch. Und auch Bent wirkte glücklich, als er wieder zu seinen Eltern gebracht wurde. Er schien sich gut mit dem dem Herrn zu verstehen, was durchaus von Vorteil war.
Etwas zuversichtlicher lag Klaas daher abends auf seinem Sofa, Joko setzte sich gerade mit Weinflasche und zwei Gläsern in der Hand neben ihn. Gestern hatten sie gemeinsam beschlossen, nun direkt bei Klaas zu bleiben. Noch einen weiteren Wechsel wollten sie Bent nicht antun und Mila war ohnehin neugierig auf das neue Haus. Morgen würden sie gemeinsam das eine oder andere neue Teil kaufen, um dem Ganzen ein anderes Aussehen geben. Das alles so gestalten, dass es auch wirklich zu ihnen passte.
Joko öffnete die Weinflasche, schenkte beiden ein und reichte Klaas eins der Gläser. Ein wenig fühlte sich Klaas an den Abend erinnert, der mittlerweile schon über eine Woche zurücklag. Der Abend, an dem Joko zu Klaas gekommen war, ihm gesagt hatte, dass er Angst hatte, aber der ganzen Sache dennoch eine Chance geben wollte. Was wäre nun nur, wenn er das nicht getan hatte?
"So", meinte Joko schließlich, "nachdem die im Bett sind, erzähl mal endlich."
Klaas holte tief Luft, wusste nicht genau, wo er jetzt anfangen sollte. Einen Moment schwieg er noch, sortierte seine Gedanken. Damit hatte er sich den ganzen Tag über nebenbei beschäftigt, aber war dennoch zu keiner Lösung gekommen.
"Schien ja ganz gut gelaufen zu sein?", fragte Joko weiter, versuchte ihm zu helfen.
"Naja, direkt schlecht nicht. Doris hat sich unglaublich in Rage geredet, das war echt nicht mehr witzig. Ich will gar nicht wissen, was passiert wär, wenn ich auch so hitzig wär", ging Klaas auf Jokos Frage ein, nahm einen ersten Schluck vom Wein.
"Schmeckt gut", kommentierte er kurz und auch Joko testete, nickte dann anerkennend. "Wenigstens kein Billigwein diesmal."
Klaas grinste kurz, dachte erneut an erwähnten Abend.
"Was war denn mit Bent, haben die schon mit ihm geredet?", wollte Joko dann wissen und Klaas war ihm dankbar, dass er ihm das alles einfacher machte. Er begann alles zu erzählen, was ihm derjenige berichtet hatte, der nun die Funktion des Vertrauensbeistands übernahm. Wie er die Zeit mit Bent verbracht hatte und welchen Eindruck er bekommen hatte. Ebenso, wie Bent glücklich strahlend auf ihn zugelaufen kam, als er wieder zu seinem Vater gebracht wurde.
Schließlich ging er dazu über, von seinem Gespräch zu berichten. Der andere der beiden Männer vom Morgen hatte es gemeinsam mit einer weiteren Kollegin geführt, zunächst mit Doris und ihm gemeinsam, anschließend jeweils mit einem von ihnen. Er erzählte Joko, wie die beiden es zunächst geschafft hatten, eine einigermaßen angenehme Atmosphäre zu schaffen und wie das Ganze dann schließlich durch Doris' Hitzköpfigkeit aus dem Ruder gelaufen war. Und er erklärte ihm letztendlich auch, welchen Eindruck sie von Doris und ihm zu haben schienen.
Seine detaillierte Erklärung schloss er damit, dass er von einem zweiten Termin am kommenden Dienstag berichtete, bei dem das Ganze noch einmal beleuchtet werden sollte.
Joko hatte den Erzählungen gelauscht, hatte Klaas nicht unterbrochen und immer wieder verstehend genickt.
"Wow", kommentierte er schließlich, "klingt gar nicht so schlecht."
Klaas nickte. "Allein dein Coup am Anfang hat sie ja schon auf den richtigen Dampfer gebracht. Das wurde dann nur noch im Gespräch verstärkt."
Joko sah ihn etwas verwirrt an. "Was für ein Coup?"
"Fragst du das grad wirklich?", stellte Klaas die Gegenfrage, zog eine Augenbraue hoch, "als du denen das mit uns auf die Nase gebunden hast."
"Das war doch kein Coup", winkte Joko nun ab, "das hab ich einfach nur gemacht, weil die gefragt haben. Weil das die Wahrheit war."
Klaas lachte kurz auf. "Du bist so süß, ne."
Der Andere lächelte ihn breit an. "Ach ja, bin ich das? Wusste ja gar nicht, dass du so romantisch sein kannst, Klausi."
"Mach mir das nicht unangenehmer als es eh schon ist", wies Klaas ihn scherzhaft zurecht.
Natürlich hatte er sich in den letzten Tagen sehr schnell an solche Sätze gewöhnt, dennoch konnte er es nicht lassen, sich ein kleines Gefecht mit Joko zu liefern - auch wenn es im Scherz war. Schließlich war es genau das, was ihnen in den letzten Jahren den zunehmenden Erfolg im Berufsleben geschafft hatte.
"Ist es nicht, das merk ich", meinte Joko dann, grinste noch immer wissend.
"Pf", machte Klaas nur, "Lügner."
Joko stellte sein Weinglas vor sich auf den kleinen Glastisch, griff dann nach Klaas' Glas und stellte es daneben. Dann drehte er sich ein wenig zur Seite, kam Klaas immer näher.
"So, ein Lügner bin ich also?", fragte er. Klaas starrte nur etwas perplex zurück, seine Schlagfertigkeit hatte er irgendwo verloren, als er sich in Joko verliebt hatte.
"Jaja, jetzt weiß der Heufer-Umlauf wieder nicht weiter", stellte Joko also fest, war nun direkt vor Klaas' Gesicht und hauchte ihm seinen nach Wein riechenden Atem entgegen. Der Kleinere allerdings sah seine Chance und antwortete nichts, sondern überwand nur den kleinen Abstand, um Joko seine Lippen auf den Mund zu drücken. Der erwiderte den Kuss herzlich und Klaas fühlte sich glücklicher denn je. Um die acht Jahre kannten sie sich nun schon und nie war an Liebe doch nur zu denken. Seit einigen Wochen war es dann für Klaas plötzlich ein Thema geworden und nun konnte er gar nicht mehr ohne.
Als sie sich lösten, hatte Klaas das Spielchen umgedreht und lag nun halb auf Joko, blieb aber einfach da liegen. Seinen Kopf legte er auf dessen Brust ab und kuschelte sich an ihn. Es war noch immer so ungewohnt und dennoch so perfekt.
"Was ist aus dir nur geworden, hm?", fragte Joko leise, schmunzelte aufgrund von Klaas' plötzlicher Zutraulichkeit. Klaas grinste nur, bewegte sich jedoch kein Stück.
"Ein deutlich glücklicherer Klaas", meinte er dann nach einem Moment doch leise. Als er das sagte, wunderte er sich erneut wieder ein wenig über sich selbst, wie schon so oft in den letzten Tagen. Hauptsächlich, weil er so anders geworden war, weil Joko ihn irgendwie besser machte. So jedenfalls fühlte es sich an.
"Ich bin auch glücklich", meinte Joko ebenso leise, beugte sich ein wenig vor, um Klaas einen Kuss auf den Kopf zu geben. Selig lächelte er nur, seine Probleme hatte er in dem Moment komplett vergessen.

Ist das dieses Patchwork? (Joko/Klaas Fanfiction)Where stories live. Discover now