"Noch'n Bier?" - pt.1 | 9

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Klaas saß im Schneidersitz auf dem Boden im Wohnzimmer des gemeinsamen Hauses mit Doris. Es war ungemütlich. Nicht weil es hartes Laminat war, es lag am Haus.
Klaas griff nach dem halbvollen Weinglas vor ihm. Er war ein schon recht beschwipst, jedoch ging es ihm kein Stück besser. Der Alkohol ließ es heute nur schlimmer werden und er war langsam ziemlich verzweifelt.
Es war mitten in der Nacht, Bent war vorhin nach langem Geschichten-Erzählen endlich eingeschlafen. Er fühlte sich so unwohl wie sein Vater, das hatte Klaas gemerkt. Unwohl und ängstlich. Klaas seufzte zum tausendsten Mal, stellte das Glas wieder ab ohne getrunken zu haben. Der Wein machte es nur schlimmer. Er lehnte seinen Kopf an der Sitzfläche des gemeinsamen Sofas ab. Es war kaum ein Jahr alt, der Einkauf war problematisch gewesen, schien nahezu unlösbar. Doris und er hatten sich fast im Möbelhaus zerstritten, weil sie so unterschiedliche Vorstellungen hatten.
Mit Joko stritt er sich ständig, ja. Aber das waren kleinere Streitereien im Rahmen der Show, das war in Ordnung, nichts Ernstes. Privat dagegen konnte er solche Streits nur sehr schwer wegstecken, er wusste oft nicht damit umzugehen.
Erneut seufzte er, dachte an den heutigen Tag zurück. Sie hatten den PreOpener für kommenden Montag gedreht. Etwas wehmütig strich sich Klaas über das nun so glatt rasierte Gesicht. Er hatte den Bart gemocht, er war gemütlich gewesen. Aber es war nicht so, als hätte er das nicht kommen sehen, dass im Rahmen der Show etwas passieren würde. Und der Bart würde auch wieder nachwachsen, ebenso wie die kurz geschnittenen Haare.
Es war ein professionelles Verhältnis gewesen, das Joko und er heute an den Tag gelegt hatten. Joko hatte nichts mehr gesagt, nachdem Klaas zu ihm meinte, dass es mit ihnen so nicht ging. Nichts bevor er und Bent das Haus verlassen hatten, sie kurz daheim waren und Klaas dann wieder losfuhr, um Bent in den Kindergarten zu bringen und selbst in die Arbeit zu fahren. Und Joko hatte auch dort nichts zu seiner überstürzten Abreise gesagt. Er hatte sich mit Klaas nur über den Job unterhalten und ihn allein mit seinen Sorgen gelassen. Es war gut so, Klaas machte es das einfacher. Denn im Moment wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass es alles wurde wie früher. Außer dass es nicht mit Doris passieren würde, sondern als alleinerziehender Vater, aber das würde er schon hinbekommen.
Vielleicht hätte er mit Joko reden sollen. Hätte ihm sagen sollen, wieso er so plötzlich abgehauen war. Wieso er solche Angst hatte vor ihrer Beziehung, vor seinen Gefühlen. Aber was hätte es genützt? Nie würde Joko ihn nach all den Jahren plötzlich lieben.
Das Licht vor der Garage ging an, Klaas sah den Schimmer durch die Wohnzimmerfenster. Lass es nicht Doris sein, flehte er. Es klopfte. Das war nicht Doris. Es sei denn sie hatte aus Wut ihren Schlüssel weggeworfen. Nein, das war unmöglich. Außerdem sollte sie in den USA sein. Klaas stand mühsam auf, wie ein alter Mann. Was machten die ganzen Sorgen nur mit ihm, das war doch so nicht gesund.
Etwas zögerlich öffnete er die Tür, sah Joko vor ihm stehen. Moment, Joko?
"Hey", begrüßte ihn Joko leise. Er sah traurig aus. Klaas fragte nicht, er öffnete die Tür ganz und ließ Joko eintreten. Sah ihm dabei zu, wie er seine Schuhe abstreifte, wie er die Jacke achtlos auf den Boden warf. Ging die paar Meter zurück zu dem Platz, an dem er vorher schon mehrere Stunden verbracht hatte und kauerte sich erneut auf den kalten, harten Boden. Joko zögerte einen Moment, setzte sich etwas von Klaas entfernt aufs Sofa, stützte sich mit den Armen auf seinen Knien auf.
"Schläft Bent?", fragte Joko anstatt auf das einzugehen, weswegen er gekommen war - was auch immer es war. Aber das war es wohl kaum.
"Wenn er nicht wieder aufgewacht ist", antwortete Klaas, griff nun doch wieder nach dem Weinglas und trank einen Schluck. Einen Moment lang herrschte Stille. Die Ungemütlichkeit des Hauses erschlug Klaas fast. Es war toll eingerichtet, keine Frage. Aber es haftete die unglückliche Vergangenheit so stark daran, dass er sich wunderte, dass man das dem Haus nicht ansah. Joko neben ihm stand wieder auf und ging zur Küche herüber.
Klaas sagte nichts, beobachtete Joko, wie er sich selbstverständlich ein Weinglas aus dem Schrank nahm und nach der halb-leeren Flasche griff.
"Hast mir ja nichts angeboten", meinte Joko in einem Versuch, die Situation aufzulockern, als er wieder zum Sofa zurücklief. Klaas rang sich ein Lächeln ab, es misslang ihm.
Etwas erstaunt sah er auf, als Joko neben ihm sein Glas exte.
"Der schmeckt ja scheiße", meinte er, stellte sein Glas vor sich auf den kleinen Glastisch.
"Drei Euro Billigwein", antwortete Klaas und zuckte die Schultern.
Erneut lag eine ungemütliche Stille im Zimmer.
"Du hast Angst, oder?", fragte Joko dann so leise, dass Klaas Mühe hatte, die Worte zu verstehen. Er musste die Frage nicht beantworten, Joko kannte ihn. Wusste, wie Klaas mit bestimmten Situationen umging.
"Ich auch", fügte Joko dann hinzu. Erst jetzt sah Klaas zu ihm auf. Stand dann auf, setzte sich auf das Sofa, so dass er Joko ansehen konnte.
"Was denn", sagte Joko, als Klaas noch immer nichts erwiderte, "natürlich hab ich Angst."
"Wovor denn?", wollte Klaas dann wissen, noch immer überzeugt, dass Joko in keinem Universum etwas für ihn empfinden würde.
Joko zögerte. "Mich in dich zu verlieben", sagte er dann. Wieder schwieg Klaas. Sah Joko an, sah in seine braunen Augen, die jahrelang für ihn einfach nur braun gewesen waren. So wurde das nichts mit seinem Plan, mit Joko wieder ein rein berufliches Verhältnis zu führen.
Klaas war nicht der Richtige für solche Gespräche, er war das noch nie gewesen.
"Hast du Mila eigentlich allein daheim gelassen?", fragte er einfach statt einer Antwort, schämte sich im selben Moment schon für sich selbst und seine feige Art.
"Klaas", sprach Joko als Antwort nur seinen Namen aus. Klaas sah einen Moment zu Joko zurück, merkte, dass er kurz davor war zu weinen. Das war der Alkohol, es hatte der Alkohol zu sein. Klaas kannte sich ja. Das hatte er aber auch in Bezug auf Joko gedacht. Er blickte wieder auf das Glas in seinen Händen.
"Ja, ich hab auch Angst davor, mich ich dich zu verlieben", sagte er schließlich. Dann merkte er, wie ihm tatsächlich eine Träne über die Wange lief. Wann hatte er das letzte Mal geweint? Vermutlich als er sich als kleiner Junge das Knie aufgeschlagen hatte. Joko sah zu ihm, rückte ein Stück näher an ihn heran. Klaas beobachtete ihn dabei, wie er vorsichtig eine Hand hob, sie mitten in der Luft hängen ließ. Wie er dann schließlich doch die Träne aus Klaas' Gesicht strich.
Klaas sah wieder runter. "Das Haus hier ist so leer, so kalt. Ungemütlich."
"Komm wieder zu mir", sagte Joko dann, "bitte."
"Joko, das ist nicht gut", versuchte Klaas ihm zu wiedersprechen. Er wollte nicht wieder einknicken und wusste doch, dass er es tun würde. Liebe machte solche Sachen mit einem.
"Klaas, wir haben beide Angst. Aber das ist kein Duell um die Welt, wir sind nicht auf uns allein gestellt, sondern zu zweit. Gib dieser Sache eine Chance", meinte Joko dann, "auch wenn wir noch nicht genau wissen, was es ist."
Klaas sah sein Gegenüber an. So viele Stunden, Wochen, Monate hatte er mit ihm verbracht, wenn man die Zeit einmal zusammenrechnete. Jahre vermutlich. Er hatte gedacht, man kannte sich. War sich sicher gewesen, hatte sich ja auch nie Gedanken darüber gemacht, dass irgendwo Gefühle wären. Was war nur in den letzten Wochen passiert?
Dann versuchte er, sich in Joko hineinzuversetzten. Er war nicht gut in so was, änderte seine Strategie und dachte rational darüber nach. Dachte noch einmal über Jokos Worte nach. Die Worte mit der Patchwork-Familie, die Worte gerade eben. Er sollte dieser Sache eine Chance geben, meinte Joko. Es schien ihm genauso zu gehen wie Klaas. Joko wollte, dass er zu ihm kam, Bent schien es dort so oder so besser zu gehen.
Wenn das schief ging, schwor er sich, als er vorsichtig nickte, würde er sich verfluchen wie er es noch nie zuvor getan hatte.

Ist das dieses Patchwork? (Joko/Klaas Fanfiction)Where stories live. Discover now