"Fünf Euro, Schmitti" - pt.1 | 17

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Die Uhr stets im Blick, saß Klaas tags darauf müde im Büro. Erneut würde er in seiner Mittagspause seinen Sohn abholen, um mit ihm gemeinsam zurück in die Redaktion zu fahren. Nach einer Lösung, wer nachmittags dauerhaft auf ihn aufpassen konnte, hatte er noch nicht gesucht.
Teils aus Unlust, etwas Sinnvolles zu erledigen, teils in Gedanken an Joko und ihn, suchte Klaas nach seinem eigenen Namen und klickte auf 'News'. Normalerweise waren die Ergebnisse berechenbar, die Neuigkeiten, die da verbreitet wurden, kannten Joko und er in der Regel schon viel früher. Und normalerweise bezog sich alles auf eine ihrer gemeinsamen Shows. Doch dieses Mal war es anders, stellte Klaas fest und schluckte schwer. 'Joko und Klaas - nun mehr als ein Fernsehpaar?', stand da als Oberstes geschrieben, die Meldung war vom vorherigen Abend. Etwas zögerlich bewegte er die Maus auf die Schlagzeile zu. Eine Klatsch und Tratsch Seite öffnete sich. 'Nun schon beim gemeinsamen Ausflug mit dem Sohn des kleineren Entertainers gesehen - steckt hinter dem konstanten Einsatz gegen Homophobie doch persönliches Interesse?', lautete der Untertitel, darunter befand sich ein Bild von Joko, Bent und ihm selbst. Es war am Spielplatz aufgenommen worden, als Bent gerade die Hand nach der von Joko ausgestreckt hatte. Klaas atmete tief ein, lehnte sich zurück und starrte auf den Artikel.Die Luft anhaltend, überflog er die wenigen Worte, die doch nicht viel mehr aussagten, als der Untertitel es bereits getan hatte. Langsam stoß er die Luft wieder aus, konnte die Augen noch immer nicht von dieser 'Neuigkeit' lassen. Diese Neuigkeit, die doch schon wieder veraltet war.
Ein Teil in Klaas konnte diese Frechheit, die Medien besaßen, nicht fassen. Der andere Teil von ihm zerbrach an Inhalt und Bild. So schnell war das mit Joko schief gelaufen, noch viel schneller als von Klaas befürchtet. Langsam stand er auf, öffnete das Fenster einen Spalt und griff nach Zigarette und Feuerzeug. In einem hatte Joko ja recht, er sollte aufhören zu rauchen. Die erhoffte Beruhigung stellte sich mittlerweile ohnehin kaum noch ein.
Einen Moment überlegte er, beschloss dann, heute Nachmittag endlich seinem Sohn etwas mehr von seiner Zeit zukommen zu lassen. Konzentration ließ sich sowieso nicht mehr aufbringen, außerdem konnte er sich so vor einem Gespräch mit Joko drücken, der am Nachmittag wieder in die Redaktion kommen würde. Nachdem er Mila von der Schule abgeholt hatte, wie er Klaas vorhin kurz per Nachricht mitgeteilt hatte, so dass dieser schneller von der plötzlichen Aufsichtspflicht erlöst war als gedacht.
Klaas drückte die aufgerauchte Zigarette aus, griff nach Jacke und Tasche und verließ das Büro. Jakob und Thomas informierte er kurz, sie sprachen ihm sein Verständnis aus. Von seiner Absicht, seine Aufmerksamkeit Bent zu schenken, berichtete er ihnen, den Teil mit Joko verschwieg er allerdings. In Gedanken teils noch beim Zeitungsartikel, teils bei seinem Sohn, verließ er das Gebäude.

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Mit seinem Sohn an der Hand öffnete Klaas den Briefkasten. Seinen eigenen wohlgemerkt. Bent war nicht außer sich vor Begeisterung gewesen, als Klaas ihm berichtet hatte, dass sie von nun an wieder in den eigenen vier Wänden leben würden. Aber er hatte es akzeptiert. Vielleicht auch, weil er merkte, dass er es akzeptieren musste. Neben einigen unwichtigen Briefen wie Rechnungen fand sich in seinem Briefkasten allerdings auch eine Überraschung. Absender war das Familiengericht. Mit dem Gefühl, dass dieser Tag nur noch schlimmer werden konnte, schloss Klaas die Haustür auf. Angespannt warf er einen Blick hinein, doch das Haus wirkte nach wie vor unbewohnt.

Klaas schmiss Schlüssel und Briefe auf die Ablage, half seinem Sohn dann aus seinen Schuhen. Kurz ging er noch einmal zum Auto und holte die Taschen, die er heute morgen bei Joko gepackt hatte. So war es also, wieder hier zu sein. Gleich und doch irgendwie anders fühlte es sich an. Zögernd ging Klaas nach oben, machte sich auch hier ein Bild. Doris war da gewesen, sie hatte sich einen Großteil ihrer Sachen bereits abgeholt. Nur einzelne Gegenstände waren noch da, dass sie die aber überhaupt abholen würde, bezweifelte er. Klaas ging wieder nach unten, füllte sich ein Glas Wasser, griff nach dem Brief vom Familiengericht und ging wieder nach oben. Etwas erschöpft exte er zunächst sein Glas, ließ sich dann auf sein Bett fallen und öffnete den Brief.
Doris hatte wahrgemacht, womit sie Klaas am Telefon gedroht hatte. Sie hatte Einspruch erhoben. Kommenden Freitag war ein Termin angesetzt, zu dem sie beide befragt werden würde und - sofern von den Eltern gewünscht - auch der gemeinsame Sohn.
"Scheiße!", schrie Klaas mit aller Kraft, knüllte den Brief zusammen und warf ihn aus dem Liegen zur Seite. Er griff nach seinem Kissen, drehte sich auf den Bauch und vergrub seinen Kopf darin.
Er hörte leise, tapsende Schritte, die in der offenen Tür innehielten.
"Papa?", fragte sein Sohn leise. Klaas setzte sich wieder auf, sah traurig zu Bent.
"Alles okay, Kleiner. Komm mal her", meinte er, streckte die Arme aus und hob seinen Sohn aufs Bett, als dieser auf ihn zulief. Es war eine einzige Katastrophe, von Jokos spontaner Reise über den Artikel im Internet bis hin zum Brief vom Familiengericht. Aber sein Sohn gab ihm ein kleines Stück Hoffnung, erinnerte Klaas, warum er das alles gerade durchmachte. Warum alles gut werden musste.

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Joko hatte sich nicht gemeldet. Den Nachmittag über nicht, den Abend über nicht. Es wäre angebracht gewesen. Aus Klaas' Sicht sogar notwendig, wenn Joko die Absicht hätte, seine überstürzte Abreise irgendwie zu rechtfertigen und irgendwas zu retten.
Auch nachts, als Klaas wieder stundenlang wach lag und grübelte, kam kein Lebenszeichen. Irgendwann war er schließlich doch weggenickt, denn die Nachricht, die Joko ihm um drei Uhr nachts schließlich geschrieben hatte, bekam er nicht mehr mit. Erst am nächsten Morgen las er dessen Worte. "klaas, ich hab angst", stand da geschrieben. Nichts weiter. Klaas antwortete nicht, bis er nicht den ersten Kaffee getrunken hatte, mit Bent gefrühstückt und gemeinsam mit ihm Zähne geputzt hatten.
"zu spät. hat sich erledigt", lautete seine Antwort dann, seine Art, dem anderen zu erklären, dass er ihre Beziehung beendete. Auch wenn es noch keine gewesen war.
Joko erwiderte daraufhin nur ein Fragezeichen, das Klaas gekonnt ignorierte.
"Kommst du, Bent? Wir müssen los", rief Klaas durchs Haus, wartete, bis sein Sohn die Treppen heruterkletterte. Als er sich die Schuhe band, läutete sein Handy. Joko rief an, Klaas drückte ihn weg. Er wusste selbst, dass sein Plan eines guten beruflichen Verhältnisses gerade nicht auf dem besten Weg war, aber Joko trug dazu schließlich auch nichts bei.
Wenige Minuten später, als Klaas gerade seinen Sohn im Kindergarten verabschiedet hatte und wieder im Auto saß, klingelte sein Handy erneut. Diesmal ließ er es läuten, die Mailbox sprang an. Er saß einige Minuten im Auto, überlegte, wie er Joko am besten gegenüber trat, wenn er ihn wiedersehen würde. Sollte er so tun, als wäre nichts passiert? Als wäre er nie dabei gewesen, eine Beziehung mit Joko Winterscheidt aufzubauen? Als wären sie nach wie vor normale Kollegen?
Das würde jedoch auch zu nichts führen, Joko würde früher oder später versuchen, mit Klaas zu sprechen. Sollte Klaas also sofort mit der Tür ins Haus fallen und Joko erklären, wie weh er ihm getan hatte?
Noch einmal vibrierte sein Handy kurz, er hatte eine neue Mailbox-Nachricht. Natürlich. Als würde Joko einfach so aufgeben, dachte er sich, als er sein Handy aus der Tasche zog. Seufzend spielte er die Nachricht ab.
"Du, Klaas? Hey. Hier ist Joko. Ich wollte dir nur sagen, also - ich weiß, nicht, wo ich anfangen soll. Es tut mir leid, okay?", begann Joko vorsichtig. Dann machte er eine kleine Pause, Klaas wartete.
"Weißt du, Lisa hatte eine Gastritis, eine Magenschleimhautentzündung. Ziemlich übel. Sie hat wirklich jemanden gebraucht. Ich weiß, das hätte nicht ich sein müssen. Weiß ich, Klaas.
Wollte ich aber sein. Ich steh ihr ja irgendwo doch noch nahe. Ich hab sie mal geliebt, so richtig. Das tu ich nicht mehr, wirklich nicht. Das hat sich geändert. Weil da ist jetzt jemand, der auf dem absolut besten Weg ist, diesen Platz einzunehmen", erklärte Joko weiter. Klaas kam nicht umhin, als leicht zu lächeln. Das war nicht der Plan gewesen, Klaas wollte nicht schon wieder seine Meinung ändern. Er wollte endlich durchhalten. Und wusste doch, dass er es nicht schaffen würde. Dazu war es zu spät.
"Als ich gestern Mittag nach Hause gekommen bin, ich wusste nicht was ich machen soll. Ich hab erwartet, dass du so reagierst. Schon als ich in München war, da war mir klar, dass ich eigentlich nicht da sein sollte. Deshalb der Anruf am Abend, ich wollte mit dir sprechen. Aber du - es hat mir so Angst gemacht, wie schnell was passiert ist, weißt du. Und ich hab Angst, wirklich Angst. Da steht so viel auf dem Spiel. Aber...ich glaub das immernoch, dass wir das hinkriegen. Auch mit den Kindern. Ich will dich nicht verlieren, Klaas. Wirklich nicht", beendete Joko dann leise die Nachricht. Klaas saß nach wie vor im Auto, sah nach vorne auf die Straße, die im morgendlichen Sonnenschein vor ihm lag. Es würde einer der letzten Sommertage werden. Und er fühlte sich wieder ein wenig nach Spätsommer. Innerlich.

Ist das dieses Patchwork? (Joko/Klaas Fanfiction)Where stories live. Discover now