"Ne, alles gut" - pt.1 | 15

594 26 0
                                    

"Wieso musste Lisa eigentlich so schnell wieder nach München?", fragte Klaas mit vollem Mund in einer ruhigen Minute, die Joko und er überraschend noch einrichten konnten, bevor die Aufzeichnung beginnen würde. Gerade schoben sie sich noch schnell im Catering etwas Vernünftiges rein. Es war tatsächlich alles bisher so chaotisch gewesen, wie Thomas befürchtet hatte. Es war eben nicht gerade einfach, wenn einer der beiden Moderatoren nicht da war. Als dieser dann mittags endlich mit Mila gekommen war, war die reinste Hektik ausgebrochen. Immerhin hatte sich eine Mitarbeiterin der Maske gefunden, die Mila ein wenig kannte und nun ein Auge auf sie haben würde.
"Hat sie nicht geschrieben", erwiderte Joko, ebenfalls undeutlich, mit Spaghetti im Mund.
"Ist ja komisch. Die würde doch nicht einfach so die Einschulung ihrer Tochter verpassen, oder?", meinte Klaas dann, wunderte sich, dass Jokos Ex so ohne Weiteres einfach die Stadt verlassen hatte. Die beiden kamen ja noch immer miteinander aus, im Gegensatz zu Doris und ihm.
"Keine Ahnung, hab ich noch nicht drüber nachgedacht", meinte Joko dann und zog sein Handy aus der Tasche, "ich frag sie mal."
"Jungs, geht los!", kam dann Jakob Stimme vom Eingang und holte Klaas aus seinen Überlegungen. Na ob das wohl was werden würde heute.

-

Nur wenige Stunden später kauerte Klaas auf Jokos Sofa, starrte Löcher in die Luft. Hätte er doch nur nicht gefragt, ob Joko über Lisas Grund für die überstürzte Abreise Bescheid wusste. Dann säße Joko nun bei ihm. Aber wäre das besser gewesen? So wusste er immerhin, woran er bei Joko war.
"Papa, Mila ist blöd!", holte Bents Stimme seinen Vater aus den Gedanken.
"Hm?", fragte Klaas, sah auf und ärgerte sich über seine Abwesenheit. Sein Sohn brauchte ihn, das wusste er. Dennoch kam er nicht umhin, als seine Aufmerksamkeit den Zweifeln und dem Hass in ihm zu widmen.
Bent vor ihm auf dem Teppich versuchte verzweifelt, die Stifte, die Mila neben ihm in der Hand hielt, zu erreichen. Natürlich hatte er keine Chance, Jokos Tochter war drei Jahre älter als er.
Nur halb bei der Situation vor ihm stand Klaas auf, kniete sich dann neben die beiden Kinder.
"Warum lässt du Bent denn nicht auch mit den Stiften malen?", fragte Klaas Mila.
"Das sind meine", meinte Mila nur, zog eine Schnute.
"Wie wärs denn, wenn ihr euch die Stifte teilt?", fragte Klaas dann, "du darfst Bents Stifte benutzen und er deine."
Einen Moment überlegte Mila, murmelte dann ein leises "Na gut."
Klaas kniete noch einen Moment neben ihnen, sah zu wie beide noch immer beleidigt ihre Stifte gemeinsam in die Mitte legten. Dann stand er wieder auf, schnappte sich Zigarettenschachtel und Feuerzeug und ging auf den Balkon. Er lehnte die Tür an, wollte die Kleinen nicht unbeaufsichtigter lassen als nötig. Tief zog er an der frischen Zigarette, versuchte krampfhaft, sich zu beruhigen. Immer wieder rieb er sich die Stirn, starrte schließlich einfach an Jokos Geländer gelehnt auf die in der Abenddämmerung rötlich erleuchtete Straße.
Was hatte das zu bedeuten? Dass Joko so überstürzt abgereist war? Zum wiederholten Mal stellte er sich diese Fragen, grübelte, dachte an den missglückten Abend zurück.
"Klaas, ich hab schlechte Nachrichten", erklärte Joko, nachdem er vorsichtig in Klaas' Gaderobe gekommen war. Die Aufzeichnung war okay gewesen. Nicht gut, nicht schlecht. Aber okay. Und das war definitiv in Ordnung, wenn man an das Chaos den Tag über dachte. Mehr oder weniger zufrieden packte Klaas gerade seine Sachen zusammen, hielt bei Jokos Ankündigung aber inne.
"Und zwar?",  fragte er dann.
"Lisa gehts nicht gut", erklärte Joko dann, "sie hat mir vorhin geantwortet, warum sie so schnell heimgeflogen ist. Sie hatte irgendwie seit ein paar Tagen schon starke Magenschmerzen und gestern ist es dann immer schlimmer geworden. Sie wollte dann nicht hier in Berlin zu nem Arzt gehen, sondern das lieber zuhause regeln. Weißt schon, weils einem da meistens schneller besser geht."
"Oh", meinte Klaas dann, ehrlich betroffen. Schließlich standen sich die beiden einmal sehr nahe. Und eine gewisse Portion Mitleid hatte er naturgemäß für Menschen mit Beschwerden.
"Klaas, weißt du", meinte Joko dann, ließ sich auf Klaas' Sofa fallen, "du kommst doch mal für ein, zwei Tage ohne mich hier klar, oder?"
Damit hatte er nicht gerechnet. Die Stimmung im Raum schlug von einem Moment auf den anderen von mittelmäßig auf regelrecht unangenehm um.
"Klar", meinte Klaas nur, seine Stimme vielleicht ein wenig zu hoch, um glaubhaft zu wirken. Aber geglaubt hätte Joko das ohnehin nicht. Wieso fragte er überhaupt? Was Klaas aber daraufhin noch mehr weh tat als die Frage, war, dass Joko darüber einfach hinwegsah. Er hätte darauf eingehen können, dass Klaas das nicht recht war.
"Gut", gab Joko stattdessen nur zurück. Jedes weitere Wort wäre zu viel gewesen, hätte die Stimmung weiter verschlechtert.
Dann war Joko aufgestanden ohne noch etwas zu sagen, hatte den Raum verlassen. Entsetzt starrte Klaas auf die geschlossene Zimmertür. Natürlich würde Klaas klarkommen,das war nicht das Problem. Und natürlich hatte das Verhältnis zwischen beiden seit jeher darauf beruht, dass sie sich keine Rechenschaft schuldig waren. Sie konnten tun und lassen was sie wollten, denn sie waren Arbeitskollegen. Vielleicht recht enge, die manchmal viel zu viel über sich wussten, aber Arbeitskollegen. Doch das hatte sich geändert und Joko hatte es geschafft, das Klaas einzureden. Indem er ihm immer wieder die Zweifel ein wenig kleiner geredet hatte. Doch wozu, wenn er diese Arbeit mit dem Arsch wieder einriss?
Klaas zog eine zweite Zigarette aus der Schachtel, steckte sie an und drehte sich dann um, lehnte mit dem Rücken am Geländer, so dass er die beiden Kinder beobachten konnte. Seinen Sohn, den er über alles liebte und Jokos Tochter, die er zu lieben lernte. Natürlich würde er sein Versprechen halten, das er Joko noch kurz vor dessen Abreise gegeben hatte. Er würde auf Mila Acht geben. Joko hatte ihn noch schnell darum gebeten, als seine Tasche bereits gepackt war. Klar konnte Mila nicht nach München mit. Sie hätte eine Gelegenheit ihre Mutter zu sehen, aber bereits am zweiten Tag in der Schule zu fehlen und schon wieder umherzureisen, das wollte Joko ihr nicht antun. Verständlich. Dass Klaas sich stattdessen um sie sorgte, war nicht selbstverständlich, auch wenn Joko das so dargestellt hatte.
Selbstverständlich war es auch nicht, dass Klaas das so ohne Weiteres hinnahm. Sie waren in keiner Beziehung, doch auf dem besten Weg dorthin gewesen. Und Joko hatte Klaas mehr als klar gemacht, dass er für Lisa nichts mehr fühlte. Das hatte er schon getan, bevor das mit Klaas' Gefühlen innerhalb der letzten Woche komplett ausgeartet war. Doch Klaas konnte das nicht glauben, dass Joko sofort sprang, sobald ihr Wohlbefinden nicht einwandfrei war. Konnte und wollte das nicht glauben.
Spätestens jetzt wurde ihn klar, dass er begann, Joko zu lieben. So sehr konnte dessen Abreise sonst nicht schmerzen.

Ist das dieses Patchwork? (Joko/Klaas Fanfiction)Where stories live. Discover now