Kapitel 8

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Nervös trete ich von einem Fuß auf den anderen.
Lexie schließt die Tür auf und ich gehe an ihr vorbei ins innere des Hauses. Okay, tief durchatmen Kate, vielleicht ist er ja gar nicht da.

"Bin wieder da!" ruft Lexie durch das Haus und schon nach ein paar Sekunden hört man jemanden die Treppe runter stapfen.
Ich schlucke.

Jayce taucht vor uns auf. Seine Haare stehen ungebändigt in alle Richtungen ab und er hat eine graue Jogginghose sowie einen schwarzen Pullover an.

"Hast du Essen mitgebracht?" fragt er desinteressiert, natürlich ohne mich zu beachten.
Lexie schüttelt mit dem Kopf und holt ihr Handy aus der Hosentasche.

"Ich bestelle uns ne Pizza." erwiedert sie und Jayce nickt einverstanden.
Er widmet mir einen kurzen, kalten Blick und geht dann an uns vorbei in die Küche.
Lexie geht ebenfalls an mir vorbei und ich folge ihr ins Wohnzimmer.

"Willst du auch was essen?"

"Nein, danke. Ich esse gleich bei Mason noch was." antworte ich und lächele sie kurz an.
Mein Blick schweift durch den Raum.
Es sieht genauso aus wie früher, nur das ein paar Bilder an der Fotowand dazu gekommen sind.
Fast alle Bilder zeigen Jayce oder Lexie, ihre Eltern kann man nicht sehen.

Nur auf einem, Lexie war ein Baby und Jayce war ein Kleinkind.
Lexie ist auf dem Arm von Masons und ihrer Mutter und Jayce sitzt auf den Schultern von dem Dad der beiden.
Ich kann mich dran erinnern, dass Jayces und Lexies Eltern fast nie hier waren, immer nur Beth, die Oma der Beiden.

Ich konnte nie nachvollziehen wie es ist im Prinzip ohne Eltern aufzuwachsen, keine Vorbilder zu haben. Ich weiß, dass ihre Eltern die beiden lieben, dass hat man gemerkt wenn sie mal da waren, aber sie haben nie bemerkt, dass Jayce und Lexie sich vernachlässigt fühlten.

Als Dad gegangen ist, habe ich eine schlimme Zeit durchgemacht keine Frage, aber wie schlimm muss es Bitte sein, wenn seine Eltern nie für einen da sind?
Wenn sie die Arbeit über die eigenen Kinder stellen?

Und trotzdem war Jayce immer voller positiver Energie. Er hat immer gute Laune verbreitet, es gab nur selten Momente in denen er mal traurig oder nur ansatzweise wütend oder kalt war und jetzt?

Jetzt habe ich ihn durch meinen Egoismus einfach so verletzt, dass er seit 4 Jahren an beinahe jeder Person desinteressiert ist. Sogar an seiner eigenen Schwester.
Niemand scheint ihm wichtig zu sein.

"Wollen wir einen Film gucken?" fragt Lexie mich und ich zucke leicht zusammen.

"Ja." antworte ich nur und wende meinen Blick von der Fotowand ab.
Lexie geht auf den Fernseher zu und fängt an in einer Schublade zu kramen.

"Welchen wollen wir gucken?" Ich zucke mit den Schultern.

"Such du einen aus." antworte ich nur und sie nickt. Schon im nächsten Moment holt sie eine DVD hinaus und steckt sie in den DVD-player.
Sie nimmt sich die Fernbedienung und startet den Film, bevor sie aufs Sofa zugerannt kommt und sich darauf schmeißt.

"Was macht sie eigentlich hier?" fragt plötzlich jemand hinter uns. Jayce.
Es fühlt sich an als würde mein Herz für ein paar Sekunden aufhören zu schlagen, um danach doppelt so schnell weiter zu schlagen. Seine grünen Augen mustern mich, während er lässig mit verschränkten Armen hinter uns steht.

"Frag sie das doch selber." erwiedert Lexie patzig und konzentriert sich wieder auf die Komödie.
Ich schlucke einmal, wende meinen Blick aber dennoch nicht ab.
Auch sein Blick landet jetzt auf mir.
Unsere Blicke treffen sich und sofort kommt ein vertrautes Gefühl in mir hoch.

Wie gerne würde ich ihn jetzt in die Arme schließen und ihm erzählen, dass ich die Kate von früher bin.
Das ich seine beste Freundin bin, aber ich tue es nicht.
Ich habe zu große Angst davor, dass er mich hassen könnte.
Lexie, deren ganze Aufmerksamkeit dem Film gewidmet ist, nehme ich gar nicht mehr war.

"Also, was machst du hier Kleine?"
Er hat mich Kleine genannt? Erinnert er sich wieder an mich?
Ich muss schlucken.

"Hast du kein Zuhause wo du rumlungern kannst?" fügt er noch hinzu und meine Hoffnung ist verflogen, nein er erinnert sich nicht.
Aus irgendeinem Grund will ich, dass er sich erinnert.
Ich will, dass es wieder wie früher wird, was schon wieder verdammt egoistisch ist.

Mein Handy klingelt und sofort ziehe ich es aus meiner Hosentasche.
Mason.
Ich öffne schnell die Nachricht.

Kommst du dann nach Hause? Mum will nicht ohne dich essen und ich sterbe hier gerade vor Hunger DX

Ich muss lächeln und da fällt mir erst Jayces Frage wieder ein.
Ich wende meinen Blick vom Handy ab und gucke direkt in Jayces wunderschöne Augen.

"Ist egal, ich bin jetzt sowieso weg. Das ist es doch was du eigentlich willst, oder?" sage ich kühl und bin selber etwas erschrocken von mir.
Ich habe nicht das Recht dazu ihn anzumeckern, ohne mich wäre er jetzt höchstwahrscheinlich nicht der, der er jetzt ist.

"Sorry." murmele ich dann nochmal und wende meinen Blick ab.
Seufzend stehe ich vom Sofa auf und sofort liegt Lexies Blick auf mir.

"Ich muss los, sorry." verabschiede ich mich vollkommen neben der Spur und verlasse ohne Jayce nochmal anzugucken den Raum.
Das war mit Sicherheit eine der unangenehmsten Situationen, die ich jemals erlebt habe.

Ohne weiter darüber nachzudenken streife ich mir meine Schuhe und meine Jacke über.
Als ich mich nochmal kurz umdrehe sehe ich Jayce, dessen Blick immernoch auf mir liegt.
Sofort drehe ich mich wieder um und öffne die Haustür, sein Blick macht mich nervös.
Ich gucke raus und sehe dass es ein bisschen regnet.
Okay, nicht nur ein bisschen, es schüttet wohl eher wie aus Eimern.

Jeder normale Mensch hätte jetzt nach einem Regenschirm gefragt, da man wahrscheinlich bei dem Regen schon komplett durchnässt ist, wenn man gerade mal ein paar Sekunden draußen ist.

Ich ziehe mir einfach meine Kapuze ins Gesicht, ziehe meine Jacke enger um mich und trete hinaus.
Hinter mir mache ich die Tür zu und laufe dann über die Straße rüber zu dem Haus von Dalia, Mason und Lea.
Ich klingele einmal und sofort wird mir von Dalia die Tür geöffnet.

"Ach Gottchen Kate, du bist ja komplett durchnässt." gibt sie erschrocken von sich.
Ach nein echt? Wie kommt das bloß?

"Ja, es regnet ganz schön." erwiedere ich einfach nur das offensichtliche und Dalia nickt zustimmend.

"Da hast du Recht, typisches Herbstwetter." sagt sie und verdreht die Augen.

Hello againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt