Kapitel 60

3.7K 112 36
                                    

Immernoch weinend sitze ich neben der alten Frau auf der Bank, sie versucht mich irgendwie aufzumuntern, aber es klappt nicht. Ich sitze hier erst seit fünf Minuten, die sich wie Stunden angefühlt haben. Mein Blick wandert durch die Flughafenhalle.

Überall glückliche Paare, die sich umarmen, küssen, oder einfach nur Lachen. Und ich?

Ich sitze hier mit Schmerzen, die mich von innen zerfressen und warte auf... ja, ich weiß selber nicht worauf ich warte. Ich sitze hier einfach und versuche zu verdrängen, dass Jayce gegangen ist und mit ihm meine Hoffnung und meine Motivation. Ich kann ohne ihn einfach nicht mehr weiter machen. Es geht nicht.

Ich gucke meinen Arm an, voller Blut. Diese verdammte Wunde hört einfach nicht auf zu bluten. Ich versuche mich darauf zu konzentrieren und die Schmerzen einfach abzustellen, aber es funktioniert nicht.
Ich kanns nicht.

"Wie sah er denn aus?" fragt sie mich und ich gucke sie verwirrt an. Warum will sie jetzt wissen, wie er aussieht?

"Dunkelbraune Haare, grüne Augen, schwarze Jogginghose, dunkelgrauer Kapuzenpullover und schwarze Lederjacke." antworte ich knapp und lasse dabei einfach weg, wie perfekt er aussieht. Mein Gesicht vergrabe ich wieder in meinen Händen. Es macht mich fertig.
Es macht mich fertig die ganzen glücklichen Menschen zu sehen.

Wie sie sich freuen.

Wie können sie so glücklich sein, wenn es mir so beschissen geht? Ich habe das Gefühl ich stehe vor einem Abgrund und könnte jede Sekunde fallen. Diese Schwärze ist unerträglich.

"Hat er eine Schwester?" fragt sie jetzt und ich schließe kurz meine Augen.

"Ja." flüstere ich dann schmerzerfüllt, nehme aber nicht meine Hände von meinem Gesicht. Mich interessiert nicht, warum sie mir diese ganzen Fragen stellt, mich interessiert nichts. Nichtmal mehr meine Rippen interessieren mich, obwohl sie bei jedem Atemzug schmerzen. Es ist schlimm.

"Hat seine Schwester blonde Haare?" fragt sie jetzt und wieder nicke ich, immernoch laufen mir Tränen über die Wangen. Woher weiß sie das überhaupt alles, hat sie uns vorhin beobachtet?

"Hat seine Schwester-"

"Bitte, können sie einfach aufhören von ihm zu reden?" frage ich und gucke sie mit Tränen in den Augen an. Es macht mich nur noch mehr kaputt. Sie soll damit aufhören, schließlich versuche ich gerade nicht an ihn zu denken.

Sie nickt und guckt mich einfach nur an.

"Vielleicht wäre es aber gut zu wissen, dass er gerade vor uns steht." Hat sie 'nen Vogel? Jayce ist vorhin durch den Check-In gegangen. Er kommt nicht mehr zurück. Trotzdem hebe ich meinen Blick und sehe eine Person direkt vor mir stehen.

Mein Blick wandert nach oben und ich gucke Jayce ins Gesicht, der Tränen in den Augen hat. Was macht er hier?

"Ich konnte nicht gehen. Nicht ohne dich." flüstert er und ich gucke ihn perplex an. Immernoch rollen mir Tränen über die Wangen. Das kann nicht sein. Träume ich?

"Euer Flug geht in einer halben Stunde." sage ich und jetzt fällt mir auch Lexie auf, die neben ihm steht und mich anlächelt. Das überfordert mich. Jayce schüttelt den Kopf und lächelt mich glücklich an.

"Ohne uns Kate." erwiedert er und ich stehe auf. Sofort schließt er seine Arme um mich und ich atme seinen vertrauten Geruch ein

"Aber eure Eltern..." flüstere ich und er guckt mich liebevoll an. Passiert das gerade wirklich?

"Meine Eltern sind egal." sagt er und ich löse mich von ihm. Jetzt sind es Freudentränen, die mir über die Wange laufen. Mir wird schwummrig und ich muss mich an Jayce abstützen. Das ist alles zu viel für mich. Erst kommt er zu mir, macht mir Hoffnung, dann geht er und dann kommt er doch wieder. Wieso?

"Hey Kate, guck mich an. Ist alles gut?" fragt er und ich gucke ihn an. Immernoch tanzen schwarze Punkte in meinem Sichtfeld herum und ich fasse mir an den Kopf. Ich hätte mehr trinken und essen sollen. Aber ich hatte keinen Hunger, ich hatte Liebeskummer. Ich wollte nichts, außer Jayce zurück.

"Mir ist nur schwindelig." erwiedere ich und Jayce guckt mich besorgt an. Ich lächele und atme einmal tief durch, dann geht es auch schon wieder. Die schwarzen Punkte sind verschwunden und ich lasse Jayce los.

"Jayce und Lexie!" höre ich plötzlich Stephen rufen, woraufhin Jayce und Lexie sich nur panisch angucken.

"Wir müssen los." sagt Lexie jetzt schnell und Jayce nimmt mich vorsichtig auf den Arm, bevor die Beiden loslaufen. Haben Monica und Stephen nicht erlaubt, dass sie hier bleiben?

Die Beiden sprinten raus und ich muss die Zähne zusammenbeißen, damit Ich nicht vor Schmerzen schreie. Autsch. Aber das ist es mir wert, wenn die beiden dann hierbleiben. Jayce setzt mich in ein Taxi und setzt sich dann selber neben mich, während Lexie sich nach vorne setzt.

"Zum Krankenhaus Bitte." sagt sie schnell und ich gucke Jayce von der Seite an. Er guckt nach hinten und will wohl sicher gehen, dass Stephen uns nicht mehr bekommt.
Ich glaub's nicht, sie haben ihre Eltern einfach stehen lassen. Ihr Gepäck ist doch jetzt auch im Flugzeug.

Erschöpft lehne ich mich an Jayce's Schulter an und er legt einen Arm um meine Schulter.

"Warum seid ihr zurückgekommen?" frage ich ihn und er mustert mich liebevoll, ehe er mir eine lockere Strähne hinters Ohr streicht.

"Weil er fast heulend zusammengebrochen ist und ich mir das nicht länger mit angucken konnte." grinst Lexie jetzt von vorne und ich muss lächeln. Ich gucke Jayce an und tatsächlich sehe ich, dass er leicht gerötete Augen hat.

"Ich bin nicht fast zusammengebrochen." verteidigt er seine Männlichkeit und ich muss lachen. Ist klar.

"Doch, bist du." erwiedert Lexie wieder und Jayce guckt sie beleidigt an.

"Ganz toll gemacht Lex, jetzt wirke ich wie 'ne Pussi." sagt er beleidigt und ich muss lachen. Mein Brustkorb tut weh beim Lachen, aber ich ignoriere es. Ich bin glücklich.

"Hast du vorher schon." sage ich und grinse ihn an. Er guckt mich einfach gespielt geschockt an und ich muss lachen. Ich liebe ihn.

"Wir sind da. Das macht 32,52€. " sagt der Taxifahrer und schon reicht Jayce ihm das Geld, bevor er aus dem Taxi aussteigt und mir seine Hand reicht. Ich nehme diese dankend an und steige ebenfalls aus dem Taxi aus.

"Wir bringen dich in dein Zimmer." sagt Jayce jetzt und zusammen mit Lexie machen wir uns auf den Weg dahin. Als wir nach fünf anstrengenden Minuten dort angekommen sind öffne ich erschöpft die Tür und sehe Dalia, deren gehetzter Blick zu mir wandert.

"Da bist du ja!" ruft sie erleichtert und ich gehe auf mein Bett zu. Jetzt erst merke ich, wie kaputt ich eigentlich bin.
Ich antworte nichts auf Dalias Aussage und lege mich auf mein Bett. Sie mustert mich und bleibt geschockt an meinem Arm hängen, der blutverschmiert ist.

"Ich hole den Arzt." sagt sie sofort und ich will sie gerade davon abhalten, als sie auch schon aus dem Zimmer verschwunden ist.

Hello againWhere stories live. Discover now