Kontrollverlust

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Vorsichtig schüttete sie mit dem Schöpfer die Suppe in die Schüssel des Mannes in der Schlange.
Sie lächelte ihm ermutigend zu, doch wie alle anderen erwiderte er es nicht.
Mayisa schnaufte und ließ sich nicht unterkriegen.
Den nächsten Mann, der anstand, lächelte sie wieder an und schüttete ihm die gekochte Suppe in die Schale.

Seit zwei Stunden stand sie hier und gab den Männern ihr Essen aus.
Sie hatte es gemeinsam mit zwei anderen Frauen zubereitet und verteilte die Suppe nun alleine.
Es war kalt und der Dampf der Suppe wärmte sie, weshalb sie nicht sonderlich frierte.
Wieder trug sie ihren warmen Mantel, den Jon ihr vor einer Weile gegeben hatte, und dazu noch das Kleid, dass Sansa ihr geschenkt hatte.
Es war abends und noch immer fragte sie sich weshalb Jon ihren Versuch nach seiner Hand zu greifen, abgeblockt hatte.
Zuerst hatte es sie verwirrt, doch mittlerweile bewirkte es, dass sie sich schlecht fühlte.
Er wirkte nun völlig unerreichbar auf sie.
Wie schnell sich doch so ein Gefühl verändern konnte.







Plötzlich hörte man einen schmerzerfüllten Aufschrei.

Mayisa schreckte hoch und riss die Augen auf.
Die Männer in der Schlange schienen unbeeindruckt und blieben seelenruhig stehen.

"Das kommt nur vom Übungsplatz."
Der Mann der nun dran war, war der Erste, der Mayisa freundlich ansah, als er ihr seine Schüssel hinhielt.
Sie runzelte die Stirn und füllte einen Schöpfer in den Behälter.

"Übungsplatz?"
Sie legte den Kopf schief.
Das schien eine sehr schmerzvolle Übung zu sein.

"Ja.
Der Kommandant hat das Training von unerfahrenen Männern selbst in die Hand genommen.
Er ist seit einer Stunde dort und scheint aber eher seinen Zorn an den Männern auszulassen."

Mayisa zog die Augenbrauen ungläubig hoch.
"Was sollte den Kommandanten, denn wütend machen?"

Der Mann sah neugierig in die Richtung des Platzes.
"Es heißt er habe mehrere Rückmeldungen von den Häusern bekommen und viele hätten ein Treffen abgelehnt."

Das Mädchen seufzte traurig und schüttete dem Nächsten Suppe in die Schale.
Der Mann, der gerade mit ihr geredet hatte, blieb neben ihr stehen und blickte sie an.

"Ihr seid doch die Vertraute von Lady Sansa. Solltet ihr soetwas nicht wissen?"

Mayisa schenkte weiter ein und zuckte mit den Schultern.
"Wie ihr seht war ich die ganze Zeit beschäftigt," sagte sie und der letzte Mann bekam seine Suppe.

Sie nahm sich einen Lappen und wischte die Hände etwas ab.
"Nun esst eure Suppe um zu Kräften zu kommen."
Freundlich lächelte sie den Mann an und legte den Schöpfer in den leeren Kessel.






Mayisa begab sich in Richtung Übungsplatz.
Vorbei an Wildlingen und Mormonts.
Das einzige zweite Haus, das bisher zugesagt hatte, waren die Hornwalds.
Einige Männer schienen gerade angekommen zu sein und bauten ihre Zelte auf.
Die Armee von Sansa und Jon schien langsam zu wachsen.

Mayisa hatte gemerkt, dass durchgehend eine Verlierer Stimmung im Lager herrschte und alle sich bereits mit dem Tod angefreundet hatten.
Jon müsste mal das Wort ergreifen und ihnen Mut zusprechen, anstatt sie zu verkloppen, dachte sie sich.

Der Weg durch das Lager senkte sich etwas und schon konnte sie den Platz sehen.
Es standen Männer im Kreis um zwei Kämpfende.
Sehr nützlich war es nicht, wenn immer nur zwei gleichzeitig kämpften und der Rest zusah, fand sie.
Mayisa hatte Jon noch nie kämpfen sehen, weshalb sie gespannt nach seinem Körper Ausschau hielt.

Mit etwas Abstand zur Menge blieb sie stehen und folgte dem Geschehen.
Der Kommandant stand mit verschränkten Armen und einem gnadenlosen und wütenden Gesicht auf dem Platz uns beobachtete die zwei Kämpfer genau.
Beide Männer hielten Übungsschwerter in der Hand und sahen sich ängstlich an.
Sie waren voller Schlamm und Dreck und trugen schon einige Schrammen.
Mayisa krümmte die Augenbrauen und sah zu Jon, der grimmig drein blickte.
Sie hatte ihn noch nie so gesehen.
Er schien kampflustig und gewaltbereit und für Mayisa wurde klar, dass sie diese Seite an ihm noch nicht entdeckt hatte.
Sonst war er immer friedlich und meistens ruhig, doch in diesem Moment fühlte sie sich so, als wenn ein anderer Mensch dort stehen würde.
Es war beklemmend, dass sie ihn wohl doch noch nicht so kannte, wie sie dachte.


Drachenfeuer | jon snowWhere stories live. Discover now