Kapitel 21

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Der nächste Morgen kam und mit ihm die Erkenntnis, das sie ihn immer noch und mehr denn je liebte. Sie hatte gedacht das sie, nach all den Jahren, über ihn weg war, aber nein, das war nicht der Fall. Sie drehte sich auf die Seite und sah in die blauen Augen ihres Sohnes.

„Guten Morgen, Mum. Ich wollte dir nur sagen, das ich gleich los muss. Sev will zum Feld."
„Ja aber du musst doch erst noch was essen."
„Hab ich schon. Zusammen mit Sev."
Hermine schluckte. Ihr fünfjähriger Sohn, war selbstständiger als sie es für möglich gehalten hätte. „Okay, dann lauf." Sie gab ihm noch einen Kuss auf die Wange, dann lief er auch schon aus der Tür.

Sie hörte kleine tippelnde Füße und stellte sich schlafend. Nicole krabbelte auf ihr Bett, hob die Decke hoch und kuschelte sich an ihre Mummy. Im nächsten Moment war sie schon wieder eingeschlafen. Hermine betrachtete ihre Tochter liebevoll. So groß war sie schon geworden. Daran, wie schnell die Kinder wuchsen, konnte man sehen, wie schnell die Zeit verging.

Sie strich ihr durch die schwarzen Locken und dachte unweigerlich an Severus. Ob er ihre Kinder annehmen würde? Sie behandeln würde, als wäre es seine Eigenen? Sie wünschte es sich so sehr, doch traute sie sich nicht, sich viele Hoffnungen zu machen. Sie wusste nicht, wie Severus zu ihr stand und war sich auch gar nicht sicher, ob sie es wissen wollte. Die Angst, abgewiesen zu werden, war einfach zu groß.

Sie wurde durch das Geräusch des abfahrenden Traktors aus ihren Gedanken gerissen. Tim würde wieder einen tollen Tag haben. Was sie mit Nicole zusammen anstellen würde, wusste sie noch nicht. Vielleicht einen Spaziergang im Wald machen. Dieses Mal aber mit einer Karte. Die Angst sich in der unbekannten Gegend zu verlaufen, war zu groß.

Sie rückte ein wenig von Nicole ab und stand auf. Gähnend lief sie ins Badezimmer und gönnte sich erst mal eine ausgiebige Dusche. Anschließend cremte sie sich mit ihrer Lieblingslotion ein und trocknete ihre Haare. Hermine flocht ihre Haare zum Zopf und ging zurück ins Schlafzimmer.

Streichelnd weckte sie Nicole, deren erstes Wort mal wieder „Sev" war. Hermine erklärte ihr, das Sev, zusammen mit Tim, auf dem Feld war um das Stroh zu bearbeiten. Nicole zog eine Schnute.

„Sev weg. Tim weg., nd etzt?", fragte sie und ihre Augen sahen verdächtigt feucht aus.
„Und jetzt gehen wir frühstücken und dann gucken wir mal, was es im Wald so alles Schönes gibt. Gut?"
„Gut.", Nicole nickte.

Hermine wusch sie und zog sie an. Dann gingen sie nach unten. Ein neuer Gast saß an einem der Tische und Hermine grüßte ihn im vorbei gehen. Sie setzte sich an den Tisch, wo sonst immer Severus saß. Nicole hatte einen Bärenhunger und verputzte zwei ganze Semmeln. Hermine konnte wieder einmal nur groß staunen. Sie selber aß ein Brötchen und noch Obst dazu. Als sie fertig waren, verabschiedeten sie sich von den anderen Gästen und machten sich auf den Weg in den Wald.

Beim Bauern holte sie sich noch eine Karte und schon konnte es los gehen. Da Nicole noch auf kurzen Beinen stand, hatte Hermine den Kinderwagen mitgenommen. Nicole lief zwar gerne und auch schon weitere Strecken, aber wenn sie müde wurde, musste Hermine sie sonst immer tragen. Das war ihr bei der Wärme aber zu anstrengend und so kam der Kinderwagen, den die Bäuerin zur Verfügung stellte, gerade recht.

Einige Zeit liefen sie immer gerade aus. Der Wald war schön schattig und da wo die Sonne durch die Baumkronen fiel brach sich das Licht auf den Blättern der Farne und anderen Pflanzen am Boden. Sie sahen Eichhörnchen und sogar einen Buntspecht, der mit seinem Schnabel auf einen Baum ein hieb.

Nicole summte vor sich hin und Hermine genoss die Ruhe. Das Zwitschern der Vögel beruhigte ihre Nerven ein wenig und so merkte sie auch nicht, das ihr Jemand folgte.

An einer Abzweigung gingen sie nach rechts und kamen an einen kleinen Weiher. Enten schwammen darin und Nicole jauchzte vor Vergnügen, als sie sah, das diese auch noch Junge hatten.

Als es hinter ihr im Unterholz knackte, fuhr Hermine erschrocken herum, konnte aber nichts entdecken. Tiere, dachte sie und widmete sich wieder ihrer Tochter. Nach einiger Zeit gingen sie weiter und kamen an ein großes Feld. Weit entfernt machte sie einen Traktor aus und beschloss, sich am Feldrain nieder zu lassen. Sie packte die mitgebrachte Decke aus und setze sich, zusammen mit Nicole darauf. Hinter ihr stand ein Baum und daran lehnte sie sich an.

Nicole war müde und schlief relativ schnell ein, Hermine aber sah in die Ferne und beobachtete den Traktor. Wieder knackte es hinter ihr, doch dieses Mal drehte sie sich nicht um und das war ein fataler Fehler. Denn im Unterholz kauerte der neue Gast vom Bauernhof und beobachtete sie.

So eine schöne Frau und dann auch noch ganz alleine unterwegs, dachte er und lachte fies. Er wartete noch eine Zeit lang ab, dann schlich er näher an sie heran. Er sah, das dass Kind schlief und das die Frau mit geschlossenen Augen dalag. Er trat hinter den Baum, schlang einen Arm darum und hielt Hermine den Mund zu. Sie riss die Augen auf und sah, das der Traktor nicht mehr weit entfernt war. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und sie wollte schreien, als sie eine Stimme vernahm.

„Schscht, wer wird denn da schreien. Ich will doch nur ein wenig Spaß haben. Halt den Mund oder der Kleinen passiert was."
Hermine roch ekeligen Atem und hätte am liebsten in die schwitzige Hand, die ihr den Mund zu hielt, gebissen, aber dann besann sie sich und starrte auf den Traktor. Der Fremde befummelte sie. Schob ihr den Rock nach oben und langte unter ihre Bluse, als Hermine eine Idee kam. Sie beherrschte zauberstablose Magie und entschloss sich, ihren Patronus zu Severus zu schicken.

Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Ein heller Lichtstrahl entstand vor ihr und verwandelte sich in einen Otter. Der Otter lief einen Kreis und preschte dann auf den Traktor zu.

„Was zum Teufel war das?", zischte der Fremde hinter ihr, doch Hermine konnte nicht antworten, denn er hielt ihr noch immer den Mund zu. Sie hielt die Augen geschlossen und lies es über sich ergehen, das er sie betatschte.

Als Hermine ein Geräusch vernahm, öffnete sie die Augen und sah Severus, der mit großen Schritten über das Feld gerannt kam. Als er bei ihr war und den Fremden sah, erfasste er die Lage sofort. So schnell wie Severus ihm die Faust ins Gesicht hieb, konnte der Fremde gar nicht gucken.

Hermine schluchzte auf, als sie endlich wieder Luft bekam. Sie sprang auf und besah sich den Fremden und erkannte ihn als den neuen Gast aus dem Hotel. Severus hatte ihn gefesselt, denn auch er beherrschte die zauberstablose Magie.

Erleichtert fiel Hermine auf die Knie und weinte bittere Tränen. Severus kniete sich neben sie und drückte sie an sich. „Scht, es ist vorbei. Es wird alles gut." Zärtlich streichelte er ihr über die Haare. „Er wird seine Strafe bekommen. Scht, es ist gut. Es ist alles gut." Leise flüsterte er ihr die Worte ins Ohr. Hermine schmiegte sich an ihn und war einfach nur froh, das er bei ihr war.


Urlaub auf dem BauernhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt