5. Kapitel

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Im Schatten meines Zimmers stand niemand geringeres als Cole. Er war komplett in schwarz gekleidet und wäre es ein Anderer gewesen, hätte ich nicht leugnen können, dass er gut aussah. Bei seinem Anblick stieß ich einen unterdrückten Schrei aus. "Du hast wohl schon von meiner Abstammung gehört", riet er anhand meines Gesichtausdrucks. "Was willst du?", zischte ich ihm entgegen. Er antwortete nicht sofort, sondern ließ seine schönen dunklen Augen durch mein Zimmer wandern. Moment mal SCHÖN?! Wie kam ich denn auf den Unsinn, er war immer noch ein Dryadoge. "Mich hat nur interessiert was du so machst", kam nun die Antwort. Pff ja klar, er kam von wo auch immer er wohnt her um zu sehen was jemand tut, den er gar nicht kennt. Wers glaubt..."Das glaubst du doch selbst nicht!" "Warum denn so aufgebracht Schnucki?" "Steck dir dein Schnucki sonst wo hin!", sagte ich genervt, doch er lachte nur. "Wie gehts dir?", fragte er nun ernst. "Was interessiert dich das", giftete ich zurück. Er machte ein paar Schritte auf mich zu und funkelte mich bedrohlich an, worauf ich mich noch näher an die Wand drückte. "Hat da etwa jemand Angst?" Ich musste schlucken. "Vor dir? Niemals!", doch es kam nicht ansatzweise so rüber wie ich es geplant hatte. Er schritt noch näher auf mich zu, sodass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Ich spürte kein Kribbeln in der Magengegend oder ähnliches, sondern eher eine gewisse Vertrautheit, das kam bestimmt von der Angst vor Cole, dass mein Körper schon verrückt spielte. "Viola, alles ok bei dir?", drang Liz Stimme aus dem Nebenzimmer zu uns herüber. "Jaja, hatte nur einen Albtraum", rief ich zurück. "Ach ich bin also ein Albtraum", stellte Cole amüsiert fest. "Allerdings!" "Ist das so?" Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und seine dunklen Augen musterten mich. Ich wusste nicht wieso, aber ich stellte mir vor, wie es wäre von seinen starken Armen umarmt zu werden. Doch das verwarf ich sofort wieder, da ich mich daran erinnerte wer er war. "Wenn ich deinen Tod wollte, hätte ich es längst hinter mich gebracht", sagte er, während er sich lautlos vor mir zurückzog und in Richtung Fenster schlich. Mit einem Satz stand er auf dem Fensterbrett und drehte sich noch einmal um bevor er in die sternenlose Nacht sprang: "Man sieht sich, Violet." Dann war er verschwunden und es dauerte ein paar Minuten bis ich realisierte, was da eben passiert war. Hatte er mich etwa Violet genannt? Er konnte doch unmöglich wissen, dass dies mein Geburtsname war. Meine Mutter hatte mich irgendwann einmal zufällig Viola genannt und seitdem war das mein Name gewesen. Ich wusste nicht einmal warum, hatte es aber auch nie hinterfragt. Nur sehr wenig Menschen wussten davon, nicht einmal meine beste Freundin aus meiner alten Schule.
Dadurch, dass ich mir darüber noch lange den Kopf zerbrach, konnte ich nicht einschlafen und lag noch bis tief in die Nacht wach.

Ich stöhnte genervt, als ich am nächsten Morgen die dunklen Augenringe unter meinen Augen bemerkte. Ich stand vor dem Badezimmerspiegel und sah fürchterlich aus. Man merkte mir durchaus an, dass ich letzte Nacht nicht viel Schlaf gefunden hatte. 
"Wow siehst du fertig aus", begegnete mir meine Mutter im Flur, "Was hast du denn letzte Nacht getrieben? Oder mit wem?" "Mum!", rief ich entrüstet. "Ist ja schon gut, ich mach doch nur Spaß!" "Ja haha wirklich sehr lustig!" Sie lachte und ging neben mir her, bis sie vor der Treppe zum Speisesaal nach rechts abbog. "Isst du nichts?", fragte ich erstaunt. "Nee, keinen Hunger." Ich merkte, dass sie mir auswich und versuchte mich abzuschütteln. Doch ich ließ mir nichts anmerken, nickte nur und setzte meinen Weg nach unten fort.

Der Tag verlief ruhig, ohne jegliche derartige Ereignisse. Nach der Schule gammelte ich mich auf ein Sofa in der Bibliothek um ein Buch zu lesen, welches schon lange ungelesen bei mir rum lag. Nach ein paar Kapiteln bereute ich es nicht mehr, es nicht gelesen zu haben. "Hier steckst du also, ich hab dich schon überall gesucht." Liz setzte sich auf einen der Sessel mir gegenüber und sah mich erwartend an. "Ich brauchte einfach mal Ruhe, auch wenn das Buch hier nicht wirklich fesselnd ist." Sie lachte und zog sich ihre Jacke an: "Und jetzt gehen wir raus!" "Och nee, warum denn?", maulte ich, nachdem ich einen kurzen Blick aus dem Fenster geworfen hatte. Ich hatte keine allzu große Lust bei den dichten Wolken rauszugehen, es fing sicher gleich zu regnen an. Aber ich hatte meine Pläne ohne Liz gemacht, denn sie zog mich einfach auf die Beine und schleppte mich nach draußen. Zum Glück hatte ich mir noch rechtzeitig meine Jacke schnappen können, denn hier wehte ein sehr starker Wind und ich begann augenblicklich zu frösteln. Wir machten einen langen Spaziergang, wobei wir dem Tor immer näher kamen, welches am Tag natürlich offen stand, was nicht hieß, dass jeder beliebig hinein spazieren konnte. Überraschend spürte ich wieder den selben Schwindel wie am Tag zuvor, nur dass mir diesmal noch zusätzlich schlecht wurde. "Liz. Lass uns zurückgehen, ich fühle mich nicht besonders gut." Ich wurde immer blasser und versuchte auf den Beinen zu bleiben, da sich die ganze Welt um mich herum drehte. "Viola, was hast du?" Man konnte einen leichten Anflug von Panik in ihrer Stimme hören, als ich nach ihrem Arm griff um mich an ihr festzuhalten. Mein Mund tat auf einmal höllisch weh, so als würden meine Zähne wachsen. Moment mal...Zähne? "Liz ich glaube mein Vampir kündigt sich gerade an", presste ich zwischen den Zähnen hervor. Liz fragte nicht weiter nach, sondern führte mich zurück zur Schule. Wie auf Kommando prasselte nun auch starker Regen auf uns nieder und ich verspürte einen kleinen Ruck in meinen Körper. Mir war es mittlerweile sogar egal ob wir durch die Haupttür gingen, wo uns jeder sehen konnte und alle sich über mich lustig machten, dass ich mich ja so anstellte. Während wir uns dem Gebäude näherten, verwandelte sich der Schmerz plötzlich in Wut und ich wurde von einer riesigen Hungerwelle gepackt. Diese verlieh mir ungeheure Kraft, sodass ich mich aus Liz Griff befreien konnte und sie zurückstieß. Ich wollte nur noch eins: BLUT. Und zwar schnell! So sog ich den Geruch in meiner Umgebung auf und da nahm ich auch schon eine Witterung auf. Vom Hunger beherrscht, stürmte ich ins Haus und folgte der Spur ins unterste Stockwerk. Da stand sie. Ein Mädchen, doch so unschuldig sie auch aussehen mochte, ich dachte nur daran meinen Hunger zu stillen. Also rannte ich unglaublich schnell auf das Mädchen zu und griff sie aus dem Hinterhalt an. Sie schrie, doch dies brachte den Vampir in mir erst richtig in Fahrt. Gleich nachdem mir zwei riesige Fangzähne gewachsen waren, bohrte ich diese auch schon in den Hals des Mädchen. Ich konnte das mehr als berauschende Gefühl nicht beschreiben, das Überhand nahm. Ich wollte mehr, mehr mehr! Immer mehr frisches Blut floss meinen Hals hinunter und ich konnte fühlen, wie ich mich beruhigte und der Hunger langsam verschwand. Als er vollständig gestillt war, zog ich meine Zähne zurück und ließ das Mädchen fallen. Mit jedem weiteren Atemzug kehrte mein Verstand wieder zurück und die Erkenntnisse über meine Tat trafen mich mit voller Wucht. Was hatte ich getan?! Ich lauschte angestrengt nach dem Herzschlag des Mädchens und tastete nach ihrem Puls. Der Herzschlag war schwach, aber noch vorhanden. Ich hatte sie beinahe getötet! Ich sank auf die Knie und ließ meinen Tränen freien Lauf, welche auch sogleich über meine Wangen liefen und auf den Boden tropften. Ich nahm die Schritte hinter mir nur nebensächlich war, da ich wie erstarrt auf den Körper vor mir starrte. "Bringt sie hier weg!", befahl eine Stimme gedämpft an meinem Ohr und mehrere Menschen rannten auf das Mädchen zu um sie auf eine Liege zu legen und diese in die Krankenabteilung zu schieben. Zumindest nahm ich an, dass sie dorthin gegen würden. Inzwischen war ich vom Boden aufgegabelt worden und wurde von zwei muskulösen Armen die Treppe hinauf getragen. Schwach erkannte ich den Flur, welcher zu meinem Zimmer führte. Ich wurde sanft aufs Bett gelegt und sah kurz in Jakes Gesicht. Hatte ER mich etwa den ganzen Weg hier hoch getragen? Er gab mir einen Kuss auf die Stirn, wurde jedoch sofort von meiner Mutter aus dem Raum gescheucht. Sie trat an mein Bett heran und umarmte mich, während ich weiter leise vor mich hin schluchzte. "Mum, ich hab sie fast umgebracht", heulte ich mich leise bei ihr aus. "Du konntest nicht wissen, welche Auswirkungen deine Entwicklung mit sich bringen würde. Liz sollte eigentlich auf dich aufpassen und dich augenbicklich zu deiner Großmutter bringen wenn es anfängt, wie unverantwortlich von ihr!" "Ich hab sie weggestoßen, wo ist sie? Ich hab sie wahrscheinlich auch noch verletzt." "Soweit ich das sehen konnte geht es ihr gut, sie muss sich nur einem ernsten Gespräch stellen. Bei der ersten Verwandlung ist man meistens unberechenbar und so hungrig, dass man das Gefühl hat zu verhungern, aber es ist dennoch ein Wunder, dass sie dich nicht aufhalten hatte können. Sie ist schon länger ein Vampir und dementsprechend stärker als du." Meine Tränen waren langsam versiegt, doch ich war nicht weniger aufgelöst und geschockt als vorher. "Woher weißt du das alles?" "Du vergisst, ich bin als Kind von zwei Vampiren aufgewachsen, noch dazu von zwei sehr mächtigen", erklärte sie mir und reichte mir ein Taschentuch, mit dem ich mir die Nase putzte. "Wieso bist du dann keiner?" "Das kann schon vorkommen, dass das Gen eine Generation überspringt, nur ist das eher selten der Fall. Ich habe natürlich etwas Vampirblut im Körper, deswegen altere ich auch sehr viel langsamer als normale Menschen, aber ich bin kein wirklicher Vampir. Es ist nur logisch, dass du es dann geerbt hast." Wieso hatte sie mir nie davon erzählt? "Ich konnte mir nicht zu hundert Prozent sicher sein, dass du einer bist", beantwortete sie meine unausgesprochene Frage. Genau in diesem Moment klopfte es an der Tür und die Sekretärin, an deren Namen ich mich nicht erinnerte, trat ein: "Ich soll Ihnen ausrichten, dass es Miss Roth den Umständen entsprechend gut geht und sie sich wieder vollständig erholen wird, dennoch mussten sehr viele Maßnahmen zur Heilung getroffen werden, da sie schon so gut wie tot war." Mit diesen Worten drehte sie sich um und schloss die Tür hinter sich. So gut wie tot! Wenn nicht jemand gekommen wäre, hätte ich eine Person auf dem Gewissen. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie etwas so bereut, wie hatte ich nur die Kontrolle verlieren können!?

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