60. Kapitel

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Ich hatte mich nun schon das dritte Mal mit Ray nach meinem Training getroffen und er hatte mir mitgeteilt, dass Eldon in drei Tagen den entscheidenden Angriff plante. Der König der Dryadogen soll seine Truppen entsenden um unerwartet anzugreifen, während er selbst im Palast verweilte und den Kampf von dort aus koordinierte.
Man könnte meinen er sorge sich um sein Wohlergehen.
Laut Ray sollte ich dies so schnell wie möglich meiner Oma mitteilen, doch ich wusste ehrlich gesagt nicht wie er sich das vorstellte, ohne dass sie spitz bekam, dass er noch lebte.
Was sollte ich bitte sagen, wenn sie fragte woher ich das wusste? Und sie würde ganz bestimmt fragen!
Aber darüber würde sich mein zukünftiges Ich Gedanken machen.
Eilends lief ich auf die große Wiese hinter der Schule zu, auf welcher zahlreiche auszubildende Wächter standen und sich gerade eine Ansprache Lady Devones anhörten.
Die meisten Gesichter waren mir unbekannt, doch ich erhaschte einen kurzen Blick auf Sir Mathis, der wohl zu den Ausbildern gehören musste.
Ich stellte mich neben Jonah, die das Ganze mit verschränkten Armen und skeptischem Blick beobachtete.
“Ich bin mir nicht sicher, ob diese Waschlappen das Potenzial dazu haben, Wächter zu werden!“
“Vielleicht entpuppen sie sich ja als die geborenen Kämpfer. Dir sieht man auch nicht unbedingt an, dass du...ok gut, aber von mir zum Beispiel würdest du auch nicht denken, dass ich trainiere!“
Sie warf mir einen zweifelnden Blick zu und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder den Vampiren vor uns.
Oma hatte gerade aufgehört zu reden und übergab die Vampire den Ausbildern.
Sie schritt auf uns zu und ich ging ihr entgegen.
“Ich muss mit dir reden!“
“Ok.“
Ich überlegte kurz hilflos. Ich hatte das nicht so gut durchdacht. Wie sollte ich nun überhaupt anfangen? Warum hatte ich das nochmal meinem zukünftigen Ich überlassen wollen?!
Oma hob wartend eine Augenbraue, während ich nachdenklich neben ihr herlief und mir den Kopf darüber zerbrach wie ich es formulieren sollte.
“Eldon wird in drei Tagen angreifen. Er wird seine Truppen vorschicken und sich selbst im Palast verbarrikadieren.“ Die Worte kamen so schnell aus meinem Mund, dass Lady Devone irritiert die Stirn runzelte und stehen blieb. Mist!
“Woher weißt du das?“
Wie aufs Stichwort begannen meine Schweisdrüsen verrückt zu spielen und ich schluckte. Das war genau die Frage vor der ich mich gefürchtet hatte. Ich konnte Ray nicht auffliegen lassen, das musste er schon selbst tun, doch ich wusste auch nicht was ich sonst sagen sollte!
Während ich mir nachdenklich auf die Lippe biss, stemmte die Schulleiterin die Arme in die Hüfte und sah mich eindringlich an.
Bevor ich den Mund öffnen konnte und irgend eine Ausrede stammeln konnte, erklang hinter meiner Oma eine raue Stimme: “Von mir.“
Lady Devone fuhr herum und ich riss ungläubig die Augen auf, als ich Ray dort zwischen den Bäumen stehen sah.
Ich hatte gedacht er wollte versteckt bleiben!
Oma zeigte keinerlei Reaktion, sondern kniff nur die Augen zusammen. Wahrscheinlich um zu testen, ob sie sich Ray nicht nur einbildete.
“Ja ich lebe noch, schockierend ich weiß...“
Weiter kam er nicht, denn die Kanzlerin trat sprachlos auf ihn zu und versetzte ihm einen so kräftigen Hieb, dass es ihn von den Socken riss.
Ich sog stark die Luft ein und beobachtete die Situation aus sicherer Entfernung. Ich wollte ja nicht zwischen die Fronten geraten.
“Nicht so stürmisch, meine Liebe“, meinte Ray, als er sich wieder aufgerappelt hatte.
“Du dämlicher, herzloser Bastard“, beschimpfte Lady Devone den totgeglaubten Spion vor sich fassungslos.
“Ich wurde schon Schlimmeres genannt!“
“Dachtest du ich fall dir um den Hals?“, lachte sie empört.
“So in etwa...“
Sie stieß einen ungläubigen Laut aus und entgegnete wütend: “Ich kann nicht glauben, dass du dich meiner Enkelin gezeigt hast, anstatt mir und sie damit auch noch zusätzlich in Gefahr gebracht hast! Es staut sich gerade ein ziemlicher Hass in mir an!“
“Ich wusste ja, dass du nicht erfreut sein wirst, aber dass es so ernst ist!“
Meine Oma schüttelte einfach nur den Kopf und stampfte stumm an ihm vorbei.
Das war ja mal super verlaufen! Zumindest gab es keine Tote, das war schonmal ein positiver Aspekt.
Ray stöhnte genervt und rannte Lady Devone nach, sodass ich alleine zurückblieb.

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