19. Kapitel

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Ich befand mich in einem ellenlangen Flur, der kein Ende zu haben schien, denn es kam mir ewig vor, wie lange ich schon geradeaus wanderte. Immer auf der Suche nach einer Tür die mich befreite und zurückbrachte. Es fühlte sich an, als wäre ich in meiner eigenen Fantasie gefangen und konnte diese nicht verlassen. Ich sah keine Möglichkeit, als immer weiter zu gehen und darauf zu hoffen, einen Ausgang zu finden. Es war kühl hier, sodass ich in meinem kurzen Pyjama eine Gänsehaut bekam und mir fröstelnd die Arme rieb. Wann nahm das nur ein Ende? Konnte ich nicht endlich aufwachen und mich wieder in dem farblosen Krankenzimmer befinden? Dort war ich wenigstens nicht allein und wusste wo ich mich befand. Ich hatte nämlich das seltsame Gefühl nicht alleine im Raum zu liegen und da mein Geist in diesem Flur gefangen war, ließ mich nicht unbedingt ruhiger werden. Auf meinem Weg brach der Flur plötzlich ab und ich ging um die Ecke. Ich konnte mein Glück kaum fassen, als ich in einiger Entfernung vor mir die Umrisse einer Tür erkennen konnte. Schnellen Schrittes eilte ich darauf zu und ging durch die Tür. Grelles Licht blendete mich und ich musste blinzeln bis sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Einige Meter entfernt standen zwei Männer, beide gleich groß, der eine jedoch viel jünger als der Andere. Der Ältere strahlte eine uralte Macht aus, wie ich sie noch nie erlebt hatte und gab mir das Gefühl niemals in seine Nähe kommen zu wollen, wofür es nun allerdings zu spät war. Noch hatten die Zwei mich nicht bemerkt, doch dann knallte die Tür hinter mir ins Schloss und ich zuckte zusammen. Doch zu meiner Überraschung zuckten die beiden Männer nicht mal eine Wimper und schienen mich nicht zu bemerken. Ich räusperte mich. Wieder keine Reaktion. Gerade als ich sie umrundet hatte, fing der Jüngere an zu sprechen: “Es ist getan Meister!“
“Ist sie tot?“, fragte der Ältere darauf mit eiskalter Stimme, die mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ.
“Noch nicht, doch es gibt keine Hoffnung auf ihre Heilung. Binnen einer Woche wird sie nur noch Asche sein.“
“Und du wurdest nicht entdeckt?“
“Nein Meister. Havering wurde zwar freigesprochen, doch sind alle gerade zu beschäftigt sich Sorgen zu machen, als die Ermittlungen wieder aufzunehmen.“
Der Schrecken über das Gehörte setzte sich tief in meinen Knochen fest. Die sprachen über mich! Und Liz und die Academy. Und das Schlimmste war, dass sie stark nach Dryadogen rochen.
“Lass alle Beweise verschwinden. Deine Aufgabe ist getan! Geh zurück nach Transsilvanien und tue dort was ich dir aufgetragen habe!“
Der Jüngere erinnerte mich immer mehr an jemanden, doch ich konnte sein Gesicht nicht zuordnen, was mich ärgerlich machte.
“Aber Meister...“
Der Andere hob nur die Hand und brachte ihn so zum Schweigen, woraufhin er plötzlich verschwand und sich Beide nacheinander in Luft auflösten.
“Hallo?“, fragte ich verängstigt, doch es war weit und breit kein Geräusch zu hören. Ich rätselte wer die zwei Männer gewesen sein könnten, doch mir kam niemand in den Sinn. Wahrscheinlich hatte ich sie noch nie gesehen. Aber ich hatte so einen Verdacht wer der Ältere sein könnte. Diese Art von Macht konnte nur ein bestimmter Dryadogen besitzen!

Schwer atmend schreckte ich hoch und suchte in Windeseile mein Zimmer mit den Augen nach Fremden ab, da ich immer noch das Gefühl hatte beobachtet zu werden. Doch da war niemand. Ich wagte nicht zu atmen und da geschah es.
Aus heiterem Himmel sprang das Fenster auf und knallte mit solch einer Wucht gegen die Wand, dass das Glas zersplitterte und die Scherben zu Boden rieselten. Ich stieß einen spitzen Schrei aus. Welcher der Grund war, dass die Tür aufgerissen wurde und Lady Devone auf mich zugerannt kam.
“Was ist los?“
Ich deutete wortlos auf das Fenster, oder eher auf den noch übriggebliebenen Rahmen. Bei dem Anblick riss sie die Augen auf und fragte schockiert: “Wie ist das passiert?“ Ich schüttelte den Kopf um ihr zu signalisieren, dass ich selbst keine Ahnung hatte was hier gerade geschehen war.
“Wahrscheinlich nur der Wind“, winkte sie ab und schloss die Fensterläden. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass dieses Haus welche besaß. Ich schenkte ihr voller Hoffnung Glauben und ließ mich wieder zurück in die Kissen sinken.
“Wie geht es dir?“, fragte sie mich mit weicherer Stimme als man von ihr gewohnt war.
“Ich hatte einen komischen Traum, der sich sehr real angefühlt hat.“
Sie verzog wissend das Gesicht: “So fängt es an.“
Ich stöhnte. Hieß das etwa dass mein Geist noch an schlimmeren Orten gefangen sein wird?
“Du weißt, dass ich alles tun werde um ein Heilmittel zu finden?“
Ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte, ich wollte ihre Hoffnung nicht zerstören, aber nach einem ausführlichen Gespräch mit Dr. Allard wusste ich, dass es keine Heilung für mich gab.
“Das ist nett, aber...“, setzte ich an, doch sie unterbrach mich sofort: “Nein! Ich will nichts hören. Du wirst mir nicht auch noch vor der Nase wegsterben!“
Mich überkam eine riesige Welle Mitleid für sie. Sie hatte damals schon ihre Tochter verloren und jetzt auch noch ihre Enkelin. Wieso hätte ich nicht einfach sterben können ohne es vorher zu wissen? Dann müsste ich jetzt nicht diesen Schmerz fühlen und wissen, was ich meinen Verwandten und Freunden damit antun würde! Es tat mir so leid, wie hielt man das nur aus? Ich biss mir auf die Lippe, bevor ich fragte: “Wo ist Mum?“
“Die nimmt sich eine kurze Auszeit. Könnte ich übrigens auch mal vertragen, wenn du mich fragst.“
Ich gönnte es meiner Mutter ja, wenn sie mal ihre wohlverdiente Ruhe von alledem wollte, aber ihre Tochter lag gerade im Sterben und brauchte ihre Mum.
“Sie geht mit solchen Nachrichten anders um als die Meisten“, erklärte sie mir als sie meinen enttäuschten Blick sah.
“Weglaufen hilft mir auch nicht!“
“Ich kann ihr Verhalten nicht entschuldigen, aber es ist ihre Art das Geschehene zu verarbeiten.“
“Ich weiß“, stimmte ich ihr bitter zu. Es war nicht richtig, sich jetzt über meine Mum aufzuregen, aber ihr Verhalten hatte mich verletzt.
“Du Oma, ich muss dir etwas beichten“, fing ich an, da ich zunehmend das Bedürfnis hatte, mir die Seele rein zu reden.
“Und das wäre?“
“Liz hat dir doch von ihrem Opa erzählt und sie hatte an dem Abend keine Zeit mehr ihn zu befreien und war die Tage darauf in ihrer Zelle...“
“Du hast ihn nicht ernsthaft selbst befreit!“
“Ähm doch“, gab ich kleinlaut zu.
Sie setzte zu einer Strafpredigt an, besann sich dann aber doch eines Besseren und seufzte: “Ach Violet, wieso machst du sowas immer und bringst dich dabei selbst in Lebensgefahr?“
“Liz konnte ihn ja schlecht selber freilassen und außerdem war es gar nicht sooo gefährlich.“
“Ich weiß, dass er neben einem Dryadogenlager gefangen war.“
“Oh“ Betreten sah ich auf meine Hände.
“Warum hast du ausgerechnet das von mir geerbt?“
“Was?“
“Die Fähigkeit nicht nach Regeln zu handeln und sich dabei selbst in Gefahr zu bringen. Die Folgen dessen habe ich nur zu oft schon ausbaden müssen und das war alles andere als schön, kann ich dir sagen!“ Das hatte ich nicht erwartet. Sie war doch diejenige, die sich immer an alle Regeln hielt und harte Strafen austeilte wenn einer gegen ihre verstieß. Selbst die drei Tussen von Kollegen hatten sich am Ball darüber lustig gemacht.
“Das kannst du dann aber sehr gut geheim halten!“
“Du hast mich nur noch nicht lange genug erlebt.“
“Dann werde ich das wohl auch nicht mehr mitbekommen.“ Gut, das klang melodramatischer als geplant.
Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich und sie verkrampfte sich sichtlich. Ich hätte das vielleicht nicht sagen sollen.
“Es ist ok, es zu akzeptieren, du musst nicht wegen mir an Heilung glauben, ich habe mich schon mit meinem Schicksal abgefunden“, versuchte ich das Gesagte wiedergutzumachen.
“So darfst du nicht denken, du musst kämpfen! Wenn du schon aufgegeben hast-nein! Du darfst nicht sterben!“
“Dann besteht wenigstens nicht die Gefahr, dass ich von den Dryadogen gegen euch eingesetzt werde und mich für den Tod unzähliger Vampire zu verantworten habe, das würde ich nämlich nicht aushalten.“
“Das hält niemand aus. Aber erstens wäre es nicht deine Schuld, weshalb du niemals glauben darfst, dass die Welt ohne dich besser dran wäre und zweitens würde ich das niemals zulassen!“
“Wenn du das sagst.“
“Und ob ich das sage!“
Es entstand eine kurze Pause des Schweigens.
“Ich will doch auch nicht sterben, immerhin hatte ich nie die Chance das Vampirleben zu genießen und meine Oma näher kennenzulernen.“ Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten, als ich daran dachte, dass das mein Ende sein sollte. Ich schluchzte und Oma umarmte mich daraufhin. Als wir uns wieder lösten glitzerten ihre Augen verräterisch.

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