36. Kapitel

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"Verschwindet!", schrie sie uns an und eilte auf ihren Mann zu, neben dessen leblosen Körper sie sich schreiend auf die Erde warf.
Ich war zu unfähig mich zu bewegen, sodass mich Jonah hintersichherziehen musste, damit wir dort verschwanden.
"Was ist da gerade passiert?!", rief ich völlig aufgebracht, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
"Irgendjemand hat ihn offensichtlich aus dem Weg schaffen wollen."
"Aber warum?"
"Das weiß ich genausowenig wie du, aber wir müssen hier so schnell wie möglich weg. Was auch immer ihn umgebracht hat, könnte es auch auf uns abgesehen haben, also hör auf zu hyperventilieren und komm gefälligst mit!"
Ich atmete tief durch und schluckte die anbahnende Übelkeit hinunter.
Jonah hatte Recht, ich musste einen klaren Kopf bewahren und das Schlauste war wirklich zurück zur Academy zu gehen.
Ich kam mir schon sehr egoistisch vor, dass wir nicht blieben und auf Mr. Hatmans Frau und Tochter Acht gaben, aber wenn die Auserwählte der Vampire auf diese Art und Weise ermordet wurde...das wollte ich weder den Vampiren noch meiner Familie zumuten. Sie würden nicht noch mehr ertragen müssen, wenn ich es verhindern konnte.
Völlig durcheinander rannte ich Jonah und Xenia, welche einfach nur ungerührt vor sich hinmurmelte, hinterher.
Ich vertraute auf ihren Orientierungssinn, denn ich kannte mich hier eher weniger gut aus. Genaugenommen hatte ich keine Ahnung wo wir uns befanden.
Auf einmal nahm ich in einiger Entfernung ein Geräusch wahr, das sich sehr nach Schritten anhörte.
Ich konzentrierte mich darauf während wir immer weiter in die Richtung rannten, bis ich mir ziemlich sicher war, dass ich mich nicht verhört hatte und es keiner von uns gewesen war.
"Wartet! Wir sind nicht allein!", sagte ich gerade laut genug, dass ich glaubte, sie wären mit ihren Vampirsinnen fähig es wahrzunehmen. Oder was für Sinne Xenia auch immer besaß.
"Was meinst du?", fragte Jonah und sah sich um.
"Hörst du das nicht?"
"Also ich finde, wir sollten hier einfach nur...", meldete Xenia sich mit nachdrücklichen Unterton zu Wort. War ihr denn egal was wir gerade gesehen hatten?
"Klappe!", unterbrach Jonah sie daraufhin und blickte angespannt in Richtung der Geräuschquelle.
"Was auch immer das ist, wir laufen direkt darauf zu", meinte ich leise, denn die Schritte kamen immer näher.
"Dryadoge", mutmaßte Jonah nachdenklich und runzelte die Stirn.
"Wenn ihr mich fragt, wir sollten wirklich woanders hinlaufen", schlug Xenia gespielt angsterfüllt vor. Man konnte in ihrer Stimme hören, dass sie nicht scharf darauf war gegen den Dryadogen zu kämpfen.
"Dich fragt keiner!"
"Jonah, wir sollten wirklich gehen!"
"Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich mir die Chance jemanden zu töten nehmen lasse."
Jonah grinste mordlustig.
“Unter anderen Umständen sähe ich das genauso...“, murmelte Xenia so leise, dass Jonah noch einmal nachfragte: “Was?“
Xenia sah uns an und überlegte kurz.
"Wenn du unbedingt sterben willst, bitte, ich halte dich nicht davon ab, aber ohne mich!" Mit diesen Worten war Xenia weg. Sie hatte eher geklungen, als hätte sie etwas anderes zu erledigen und nicht als sei sie angsterfüllt.
"Da warn es nur noch zwei..."
"Jonah du willst doch nicht wirklich gegen den kämpfen?"
"Es ist jetzt eh schon zu spät", sagte sie, sodass ich nach den Schritten lauschte und erschrak, als ich erkannte wie nahe der Dryadoge schon war.
"Wir können immer noch rennen."
"Hast du etwa Angst?"
Ich stöhnte genervt. Damit hatte sie mich, denn ich würde niemals zugeben, dass ich nun viel lieber rennen würde!
"Jonah", seufzte ich bettelnd.
Vorhin wollte sie noch so schnell wie möglich von den Hatmans weg und jetzt wollte sie sich freiwillig einem Dryadogen stellen?
Mir stieg nun auch schon der typische Dryadogengeruch in die Nase, sodass ich wusste, dass er nicht mehr weit entfernt war. Ich fragte mich woran es lag, dass Cole nicht so stark roch wie seine Artgenossen.
Konnte ich meine ängstlichen Gedanken denn irgendwie ausschalten, damit ich mich auf den Kampf vorbereiten konnte?
Ich hörte ein hinterhältiges Lachen und wusste, dass der Dryadoge uns nun auch bemerkt hatte.
Schneller als ich bis drei zählen konnte schoss Jonah mit gezücktem Dolch auf ihn zu und rammte die Waffe mit voller Wucht in seine Brust. Er hustete und verspritze etwas Blut auf ihrem Oberteil, bevor er zusammenbrach und sich nicht mehr rührte.
Jonah drehte sich triumphierend um und sagte: "Und du hattest Angst!"
"Ich bin ja auch nicht davon ausgegangen, dass du den so einfach umnietest", verteidigte ich mich.
"Dann solltest du mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten setzen!"
"Es hätte ja trotzdem etwas passieren können."
"Nach allem was du gerade ges-"
Ich stieß noch einen warnenden Schrei aus, als sich hinter ihr der Dryadoge plötzlich erhob und etwas schimmerndes auf sie zuschwang, doch es war zu spät.
Das Messer traf ihren Körper und trat auf der Vorderseite wieder aus.
Der Lebensgeist des Dryadogen, welcher seine letzte Kraft aufgewendet haben musste, verließ seinen Körper und er fiel in sich zusammen.
Jonah stand mit weit aufgerissenen Augen da und tastete an die Stelle in der das Messer steckte.
Bevor ihr Kopf auf dem Boden aufschlagen konnte, war ich bei ihr und verhinderte einen harten Aufprall. Wieso besaßen die Dryadogen Waffen die ausgerechnet aus einem Material geschmiedet waren, welches Vampire töten konnte?
Ich rief alles in mir zusammen und flehte meine Macht an, Jonah zu helfen und sie zu heilen, doch als der Ausdruck in ihren Augen immer mehr verschleierte, wusste ich dass es nichts brachte.
Ein schmerzerfüllter Schrei verließ meine Lippen.
Ich wusste nicht was ich tun sollte und kniete auf dem dreckigen Waldboden neben ihrem immer kälter werdenden Körper.
Ich konnte mich nicht erinnern wann ich zum letzten Mal solch einen Schmerz verspürt hatte, der nicht körperlichen Ursprungs war.
Ich saß einfach nur bewegungslos neben ihr und konnte nicht fassen was gerade passiert war.
Es war alles meine Schuld, wenn ich sie nur überzeugt hätte zu gehen bevor der Dryadoge aufgetaucht wäre! Darüber wie ich das ihrer Schulleiterin erklären sollte, wollte ich mir erst gar keine Gedanken machen. Oder ihren Eltern. Ich hatte diese nie kennengelernt. Ich merkte wie sich langsam die Panik in meinem Körper ausbreitete und alles umhüllte, was auch nur einen Funken Angst besaß.
Auf einmal spürte ich wie ein Ruck durch Jonahs Körper ging, da ich immer noch ihre Hand hielt und starrte sie an.
Was passierte hier?
Sie schlug die Augen auf, setzte sich aufrecht hin und hustete.
Ich befand mich wie in einer Trance, nichts davon kam mir real vor.
"Sterben ist auch eher eine Angelegenheit, bei der ich keinen Wiederholungsbedarf habe", meinte sie angewidert und verzog das Gesicht.
Ich lachte und fing gleichzeitig an zu Weinen.
Sie war doch gerade eben noch tot gewesen! Aber das war eindeutig Jonah, daran bestand keinerlei Zweifel.
"Jonah?"
"Offensichtlich besitzt du die Fähigkeit, Tote wieder zum Leben zu erwecken."
"Vielleicht warst du noch gar nicht richtig tot...", setzte ich an, doch Jonah zog ihr Oberteil hoch und brachte mich damit zum Verstummen. Sie zog das Messer mit einem Ruck heraus, doch anders als erwartet blutete es nicht. Die Wunde verschloss sich und es war nichts mehr zu sehen.
"Wie ist das möglich?"
"Die Auserwähltensache bringt wohl einige recht nützliche Vorteile mit sich."
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und fiel meiner Freundin um den Hals.
"Immer mit der Ruhe", lachte sie und drückte mich wieder weg.
"Ich wüsste nicht wie ich ohne dich weitermachen sollte."
"Ich bleibe dir noch etwas länger erhalten wie es scheint."

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