33. Kapitel

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Jonahs Zimmer war in einem cremigen weiß gestrichen, in welchem gleich ein riesiger Kleiderschrank stand, welcher neben dem mit schwarzer Decke ausgestatteten Bett wohl das größte Objekt im Raum war. Unter dem Fenster stand ein kleineres Bett, auf welchem pinke Kissen und Decken lagen. Das sollte wohl mir gehören.
“Ist das dein Ernst?“, fragte ich mit einem verächtlichen Blick auf die grelle Farbe.
“Ich habe extra etwas ausgesucht, das zu dir passt“, meinte Jonah stolz und ich konnte nicht definieren, ob sie dies ernst meinte oder ein Hauch von Sarkasmus in ihrer Aussage zu hören war.
“Inwiefern passt rosa bitte zu mir?“
“Muss ich dir das jetzt wirklich erklären?“, fragte sie lustlos und legte den Kopf schief.
“Ja!“
“Mach ich aber nicht.“
Wenn ich für jedes Mal, bei dem ich in Jonahs Gegenwart die Augen verdrehte einen Strich machen würde, wollte ich nicht wissen wie viel Platz ich dafür verbrauchen würde.
“Ich habe mich seit unserem letzten Gespräch mal ein bisschen umgehört und tatsächlich jemanden gefunden, der auf deine Beschreibung passen könnte.“
“Und das sagst du mir erst jetzt?“
“Ich bezweifle, dass er etwas damit zu tun hat.“
“Wenn er die Person aus meiner Vision ist, bin ich mir vollkommen sicher!“
“Glaubst du ich hätte sonst meine wertvolle Zeit mit sowas verbracht?“
Ich beschloss ihre Frage überhört zu haben und fragte stattdessen:
“Wer ist es jetzt?“
“Sein Name ist Hatman, er lebt mit seiner Familie ein paar Meilen hinter dem Wald, den du wahrscheinlich gesehen hast als du gekommen bist.“
“Das ist doch schon mal was, wann gehen wir?“
“Ich hätte zwar jetzt schon das Verlangen Blut zu vergießen, aber ich fürchte, das muss bis morgen Nacht warten.“
“Warum?“ Je früher wir der Sache nachgingen, desto besser.
“Lady Harrison will, dass wir uns heute Abend im großen Saal einfinden und einander kennenlernen“, sie sprach diesen Satz so abwertend aus, dass ich lachen musste. Sie war nicht die Art von Person, die sich auf Events begab und sich mit verschiedenen Leuten anfreundete.
“Wer ist Lady Harrison?“
“Unsere Schulleiterin.“
“Und deswegen werden die immer mit Lady angesprochen?“
“Ja, das gilt unter den Vampiren als höherer Posten, wenn man der Besitzer und Leiter einer Academy ist.“
Ich nickte verstehend.
“Eigentlich solltest du das wissen“, merkte sie spitz an.
“Tut mir leid, dass ich erst seit einem Jahr von eurer Existenz weiß!“
“Entschuldigung akzeptiert.“
Ich warf ihr einen meiner ernsthaft-Blicke zu, den sie jedoch völlig unbetroffen überging.
“Oh, schon so spät! Wir sollten zum Essen gehen, sonst bekommen wir nur noch die ekligen Reste“, fiel ihr mit einem kurzen Blick auf die Uhr, welche über einer Kommode hing, auf.
“Dann leite mir den Weg“, meinte ich mit einer ausladenden Geste und hielt ihr untertänig die Tür auf, sodass sie an mir vorbeigehen konnte.
“Natürlich.“
Wir eilten zum Speisesaal und stellten uns in die Reihe vor der Essensausgabe.
“Mal wieder zu spät?“, sprach uns plötzlich ein älterer Mann von der Seite an. Er trug gewöhnliche Kleidung und hatte eine große schwarze Brille auf der Nase. Er hatte nur noch ein paar einzelne graue Haare auf dem Kopf und blickte mit fiesem Blick auf uns herab, obwohl er nicht mal viel größer als Jonah war.
“Sie haben auch noch kein Essen, sehe ich das richtig?“, entgegnete Jonah scharf. Der Mann kniff die Augen zusammen und mahnte ärgerlich: “Treiben Sie es nicht zu weit!“ Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand aus meinem Sichtfeld. Neugierig wandte ich mich an Jonah: “Wer war das?“
Diese rümpfte angewidert die Nase.
“Mr. Sullivan, mein Lehrer, der hasst mich!“
“Das ist mir aufgefallen.“
“Die Frau da drüben, mit dem gelben Kleid und den dunklen Haaren ist Lady Harrison.“ Ich folgte ihrem Blick und sah eine kleinere, etwas rundlichere Frau an einem der Tische stehen. Sie hatte ihre dunkelbraunen, fast schwarzen Haare locker hochgebunden, was jedoch sehr unordentlich aussah, denn ihr hingen massenweise Strähnen im Gesicht. Jedoch sah sie sehr sympathisch aus und ich musste schmunzeln, als ich ihre übertriebene Gestikulation beobachtete, während sie sich mit einem der Lehrer unterhielt, der uns bei der Ankunft begrüßt hatte. Ich schätzte sie ungefähr auf das selbe Alter wie meine Oma.
“Wie ist die so?“
“Nett.“
“Ominöse Beschreibung.“
Jonah grinste und hielt ihren Teller der Köchin hin, welche diesen großzügig mit Kartoffeln und Bratlingen belud.
“Du magst sie?“, fragte ich neugierig weiter.
“Ich mag niemanden“, bekam ich als Antwort, wonach sie mich an einen leeren Tisch führte und sich setzte.
“Ja klar“, kommentierte ich nur.
Sie machte immer sofort dicht, wenn es um ihre Emotionen ging.
“Wir sind beide besondere Personen, die oft nicht besonders gemocht werden.“ Das war wohl das Gefühlvollste das ich von ihr zu hören bekommen würde.
Ich verstand, dass manche sie einfach aufgrund ihrer harschen Art nicht mochten, aber die verstanden sie einfach nicht. Jonah hatte nur das beste verdient und brauchte diese Menschen, die sie so abwertend anstarrten, ganz bestimmt nicht. Ich wollte sie schon fragen, wie Lady Harrison Schulleiterin wurde, wenn sie nicht so beliebt war, aber dann fiel mir ein, dass sie diesen Posten wahrscheinlich geerbt hatte.
In diesem Moment wandte die ältere Frau ihren Kopf in unsere Richtung und sah mich an. Ich hatte das Gefühl, sie würde tief in mein Inneres blicken, als sie mir zuwinkte und lächelte, als wüsste sie genau wer ich war. Irritiert sah ich in beide Richtungen, um sicherzugehen, dass sie nicht doch jemanden hinter mir meinte. Bevor ich ihr ein schüchternes Lächeln schenken konnte, hatte sie sich wieder umgedreht und führte ihr Gespräch mit dem Mann zu ihrer Linken fort.
“Woher kennt die mich?“
“Fragst du mich gerade wirklich, ob die Leiterin einer Academy die Enkelin der Kanzlerin und gleichzeitig Auserwählte kennt? Ist das dein Ernst?“
“Ich wusste nicht, dass ich so bekannt bin.“
“Was erwartest du?“
Da hatte sie wohl recht.
Nach dem Essen begaben wir uns in den großen Saal und stellten uns an die Wand, wo wir flüsternd darauf warteten, dass uns gesagt wurde was wir tun sollten.
“Willkommen, willkommen meine Lieben! Wir wollen diesen Abend nutzen um einander näher kennenzulernen. Viel Spaß“, begrüßte uns Lady Harrison schallend.
Als sich niemand rührte, fügte sie hinzu: “Na los, bewegt euch“ und schubste die zwei nächstbesten Schuler sanft auf einander zu. Ich musste, wie ein paar andere, schmunzeln. Lady Harrison war wirklich eine ungewöhnliche Person.
“Wollen wir uns einfach zu ein paar Bekannten von dir gesellen?“, fragte ich, da sich nun mehrere Schüler in Bewegung setzten und wie geheißen Gespräche begannen.
“Eigentlich mag ich die alle nicht!“
“Wieso überrascht mich das nicht?“
“Violet?“, sprach mich auf einmal jemand von hinten an.
Als ich mich umdrehte, blickte ich direkt in Serildas hübsches Gesicht.
Es war mir gar nicht aufgefallen, dass auch sie im Bus anwesend gewesen war.
“Hey, Serilda das ist Jonah, Jonah das ist Serilda“, stellte ich die beiden ihnen gegenseitig vor.
Jonah schnaubte, zwang sich jedoch zu einem freundlichen Lachen, nachdem ich sie unauffällig in den Arm kniff.
“Ich wollte mich schon länger bei dir bedanken, dass du dem Typ, der mich ausgeknockt hat, eine Lektion erteilt hast“, meinte sie fröhlich und ich winkte abwertend ab.
“Ist doch keine große Sache.“
Ich fühlte mich unwohl, wenn sie so tat als sei das eine große Tat gewesen, denn letztendlich war ich zwar wegen ihr auf ihn losgegangen, jedoch war er auch zwischen mir und dem Sieg gestanden.
“Mir zeigt es, dass ich dir nicht egal bin.“
“Natürlich nicht!“
“Hast du ihnen endlich klargemacht, dass man sich mit dir nicht anlegt?“, fragte Jonah zufrieden.
“Offenbar wirst du schon jetzt zu den Helden gezählt.“
Ich schrak beim Klang von Lady Harrisons Stimme neben uns zusammen. Wo kam die denn auf einmal her?
“Oh, ich wollte dich nicht erschrecken, tut mir leid“, sagte sie freundlich und ich wunderte mich dann doch, wieso sie sich die Mühe machte und sich entschuldigte.
“Kein Problem“, beruhigte ich sie verdattert.
“Ich muss gestehen, ich habe euer Gespräch etwas belauscht“, gluckste sie und sah mich entschuldigend an.
“Du trittst wohl in die Fußstapfen deiner Großmutter, wie es aussieht. Sie war auch schon immer ein kleiner Rebell“, fuhr sie fort und ich konnte mir Lady Devones vernichtenden Blick auf diese Bezeichnung bildlich vorstellen.
“Das sollten sie lieber nicht in ihrer Gegenwart sagen“, merkte ich lachend an.
“Oh das habe ich schon getan.“
“Und sie leben noch?“, rutschte es mir heraus, bevor ich es verhindern konnte.
Serilda biss sich auf die Lippe um sich das Lachen zu verkneifen.
“Es wundert mich auch, ehrlich gesagt“, antwortete Lady Harrison und zwinkerte mir grinsend zu.
Da musste meine Oma ihr aber wohlgesonnen gewesen sein!
“Ich gehe dann mal weiter und mische mich in andere Gespräche ein“, meinte die Schulleiterin gut gelaunt und schlenderte leichtfüßig davon.
“Der gehts eindeutig zu gut“, äußerte sich Jonah und ich konnte nicht anders als ihr gewisser Weise zuzustimmen.

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