58. Kapitel

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Nachdem Frey Redwood die beiden Vampire wieder aus dem Hexenreich begleitet hatte, schritt er zurück zum Palast seiner nicht viel jüngeren Schwester.
Der Thronsaal war leer, doch er wusste wo er seine Geschwister finden würde. Schnell eilte er die Treppe in den ersten Stock hinauf und ging auf das Esszimmer zu. Hier hatten sie früher immer jeden Abend mit ihren Eltern verbracht und alle möglichen dummen Spiele gespielt. Er verband diesen Raum mit puren Kindheitserinnerungen. Es stiegen wehmütige, aber auch glückliche Gefühle in ihm hoch, als er leise die Tür öffnete und eintrat.
Der Raum hatte sich kein Stück verändert. In der Mitte stand immer noch der große Esstisch und vor dem riesigen Fenster war die lange Fensterbank mit bunten Kissen ausgestattet.
Beide Schwestern saßen mit dem Rücken zu ihm darauf und starrten durch das Fenster in die klare Nacht hinaus.
Seine Eltern hatten immer größte Mühe gehabt die drei ins Bett zu bekommen, da sie es viel schöner gefunden hatten, einfach nur begeistert am Fenster zu sitzen und die Sterne zu betrachten.
Er hatte sich immer gefragt wie es wohl außerhalb des Palastes sein mochte.
Es war nicht so, dass er nie draußen war, seine Eltern hatten ihn oft überall mithin genommen, doch er hatte nie das Gefühl gehabt, die große weite Welt gesehen zu haben. Nachdem er seinem Fernweh nun jedoch nachgegeben hatte, wünschte er sich nichts sehnlicher als wieder der kleine unwissende Junge zu sein, dem seine Mutter jeden Abend vor dem Schlafen eine Geschichte von der Welt erzählte, in der sie aufgewachsen war. Auch wenn Mabel Redwood ihre Familie nicht besonders vermisst hatte, hatte Frey diese immer besuchen wollen. Die Geschichten waren einfach zu spannend und aufregend gewesen und er hatte nicht verstanden was es hieß, dem Tod ins Auge zu blicken.
Er lächelte beim Anblick Libbys kurzer, rotblonder und Celestes langer, schimmernder roter Haare. Schon von klein auf wollten sie unterschiedliche Frisuren haben und waren gar nicht damit zufrieden gewesen, als ihre Mutter ihnen einmal die selbe Haarlänge verpasst hatte. Als er ihre schockierten Gesichter vor Augen hatte, musste er schmunzeln.
Er erinnerte sich zu gut daran, als alle drei Geschwister auf der Fensterbank saßen, sich nach einem heftigen Streit versöhnt hatten und in den Armen hielten.
Er hatte es keinen einzigen Tag nicht bereut, damals einfach so gegangen zu sein. Doch sobald er sie verlassen hatte, hatte es kein Zurück mehr gegeben und er hatte sich ebenfalls nach seiner anderen Familie gesehnt. Er hatte schon von Anfang an bemerkt, dass er nur zur Hälfte Teil der Familie Bloodthorn gewesen war. Auch wenn sein Stiefvater ihn nie benachteiligt und ihm dieselbe Liebe wie seinen eigenen Töchtern entgegengebracht hatte. Seinen richtigen Vater hatte er nie kennengelernt, denn dieser war noch vor seiner Geburt gestorben.
Frey wusste, dass er anders war als der Rest seiner Familie. Auch wenn es seiner Mutter sicher nicht gefallen hätte, dass er einfach so gegangen und seinen Onkel aufgesucht hatte. Sie hatte nie verstanden, wieso er sich diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte.
“Es tut mir leid“, flüsterte Frey traurig und sah insbesondere Libby an, da er sich mit Celeste schon etwas versöhnt hatte.
Sie antwortete nicht, sondern sah weiter die Sterne an, während sich Celeste umdrehte und ihn zufrieden ansah. 
“Nach dem Tod unserer Eltern habe ich es einfach nicht geschafft, diesen Palast wieder zu betreten. Ich war ja indirekt Schuld an ihrem Tod und das konnte ich mir nicht verzeihen. Es war so selbstsüchtig von mir gewesen zu glauben, dass ich endlich einen Freund gefunden hatte der genauso war wie ich. Ich hätte niemals einem Dryadogen trauen dürfen. Den Fehler werde ich nicht noch einmal machen! Als er unsere Eltern an Eldon verriet, konnte ich nicht anders als mir Vorwürfe zu machen. Ich wusste, dass wenn ich bleiben würde, dass ich euch auch in Gefahr bringen würde. Nicht sofort, doch irgendwann würde es geschehen.
Ich wollte nicht so von euch gehen, das müsst ihr mir glauben, aber die Aussicht auf ein halbwegs normales Leben bei den Redwoods, den Menschen, die mir ihre Art vererbt hatten, war verlockend. Also entschied ich mich zu gehen.
Ich kann euch wirklich nicht sagen warum ich so dumm gewesen war und einfach verschwunden bin ohne mich zu verabschieden. Ihr hättet denken können, ihr hättet mich auch noch verloren, weshalb ich sofort dafür gesorgt habe, dass ihr wisst wo ich bin. Ich schätze ich wusste, dass ihr mir mein Vorhaben ausreden werden würdet und das durfte ich nicht zulassen! Meine Anwesenheit war zu riskant.
Mir war von Anfang an klar, dass du eine hervorragende Königen sein würdest Celeste und Libby, du bist zu der Frau geworden, bei der ich stolz bin sagen zu können, dass sie meine Schwester ist.
Es tut mir unendlich leid, dass ich mich nicht gemeldet habe und dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich hoffe nur, ihr könnt mir eines Tages verzeihen und du kannst mir wieder in die Augen schauen, Libby. Ich wünsche mir seit meinem Verschwinden nichts sehnlicher!“
Libby drehte sich langsam um und er konnte sehen, dass sie Tränen in den Augen hatte.
“Du hast mich damals sehr verletzt, Frey und das wird nicht einfach weggehen.“
“Ich weiß“, erwiderte Frey Redwood bedauerlich und senkte den Blick. Es tat weh, seine Schwester leiden zu sehen, vor allem, da er der Grund dafür war.
Sie stand auf und sagte: “Aber ich werde alles tun, damit es schneller geht!“
Sie stand auf und fiel ihm hastig in die Arme. Sie umarmten sich fest für einige Zeit, als Frey merkte, wie Celeste dazukam und ihre Arme um die beiden schlang. Er spürte wie Libby lautlos schluchzte und streichelte beruhigend ihren Rücken.
“Warum hast du dich nie gemeldet?“, fragte ihn Celeste, nachdem sie von einander abgelassen hatten.
“Ich wusste nicht, ob ihr überhaupt noch von mir hören wolltet.“
“Natürlich!“
Frey fragte sich, ob sie das nur sagte um ihn aufzumuntern, oder ob sie es tatsächlich ernst meinte.
“Ich würde gerne Mums und Dads Grab besuchen...“
Celeste lächelte glücklich und nickte: “Aber nicht allein!“
Er war seit der Beerdigung seiner Eltern nicht mehr dort gewesen und er schuldete ihnen einen dringenden Besuch!
Sie begaben sich schweigend zum Grab und standen einige Minuten stumm davor.
Frey holte tief Luft, als er den Namen seiner Eltern auf dem Stein stehen sah und stieß diese wieder geräuschvoll aus.
Daraufhin griff Libby unterstützend nach seiner Hand und stellte sich näher neben ihren Bruder.
“Sie wären stolz, wenn sie euch sehen könnten“, meinte Frey zuversichtlich und legte einen Arm um Libby.
“Sie wären genauso stolz auf dich wie auf uns!“, behauptete Celeste felsenfest und Frey lächelte leicht. Vielleicht würde er dies auch eines Tages glauben können. Aber noch nicht heute. Heute war er nur dafür dankbar, dass ihm die Chance gegeben wurde sich auszusprechen und bei seinen Schwestern sein zu können, ohne Hass in ihren Augen erkennen zu können.
Er bedankte sich stumm bei wem auch immer, der hierfür gesorgt hatte und betete, dass seine Eltern ihren wohlverdienten Frieden gefunden hatten. Vielleicht sahen sie ja gerade in diesem Moment auf die drei herunter und lächelten sich glücklich an, wer wusste das schon?

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