64. Kapitel

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Als wir auf dem Schlachtfeld ankamen, war dort etwas ausgebrochen, welchem sämtliche Definitionen des Wortes Chaos nicht mehr gerecht wurden.
Die Dryadogen hatten gespürt, als der Palast in Schutt und Asche gelegt wurde und dass dieser ihren König mit in den Tod gerissen hatte.
Viele Dryadogen ließen augenblicklich ihr Waffen fallen und hoben ergebend die Hände. Ein paar jubelten auch, darunter die ganze Bruderschaft und ein paar Dryadogen die von Eldon gezwungen worden waren für ihn zu kämpfen. Eldons Anhänger rannten jedoch weg und wir beschlossen uns ein andermal um diese zu kümmern.
Genauer gesagt hatten wir dazu keinerlei Energie und Nerv mehr.
Glücklich beobachtete ich wie sich Familien und Wiedervereinte in den Armen lagen.
Ich rannte durch das Durcheinander und versuchte meine Freunde als auch meine Oma zu finden.
Ich blieb stehen, als ich Celeste auf dem feuchten Boden knien sah und Libby traurig danebenstand.
“Es tut mir so leid“, sagte ich den Beiden und eine Träne lief meine Wange hinab. Frey hatte sich geopfert. Seine Zukunft für die Freiheit aller gegeben.
Die zwei Hexen hatten ihren Bruder verloren, nicht lange nachdem sie ihn erst wiedergefunden hatten.
Libby stellte sich aufrecht hin, als Reginald sich zu uns gesellte und sagte: “Mein herzliches Beileid! Euer Bruder hat gewollt, dass du seinen Platz einnimmst, Libby. Es war sein Wille gewesen, dass du an seiner Stelle die Redwoods anführst!“
Libbys Augen wurden groß und Celeste fragte traurig lächelnd: “Er hat das von Anfang an geplant, stimmst?“
“Ja.“
Nun liefen mir endgültig die Tränen übers Gesicht. Die Welt hatte heute einen weiteren selbstlosen Helden verloren! Ich würde dafür sorgen, dass er selbst nach seinem Tod dafür gerühmt wurde und ihn niemand vergessen wurde.
Ich ließ die Hexen alleine und suchte weiter nach meiner Oma.
Wo steckte sie denn?
Hätte ich sie durch die Blutsverbindung nicht fühlen müssen? Ich spürte nicht einmal mehr das brodelnde Feuer in mir. Schockiert erstarrte ich. Was wenn das der Fall war, da ich ihre Kräfte zu überstrapaziert hatte?!
Meine Beine fingen wie von selbst an zu rennen und trugen mich an den Rand des Feldes, wo ich Ray stehen sah.
“Wo ist sie?“, schrie ich ihn panisch an und er schien genau zu wissen was ich meinte.
“Violet...“
“NEIN!“ Ich zuckte zurück und starrte ihn entsetzt an. Das konnte nicht wahr sein! Ich konnte nicht meine komplette Familie verlieren!
“Beruhige dich! Sie ist umgekippt und ruht sich in der Academy aus“, beruhigte Ray mich und hob beschwichtigend die Hände. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Sie war nicht tot.
Ich drehte mich um und ließ mich von meinen Beinen zur Academy tragen, wo ich die Tür aufstieß und Lady Devone fast vom Stuhl fegte, als ich mich in ihre Arme warf.
“Ganz ruhig, was ist los?“, fragte sie nachdem sie gerade noch rechtzeitig Halt an der Stuhllehne gefunden hatte.
“Ich habe deine Kräfte nicht mehr gespürt, ich dachte du seist tot!“
Ich schrie sie zwar fast an, doch das war mir im Moment herzlichst egal. Ich war einfach nur froh meine Oma lebend zu sehen.
“Also bitte, es gehört schon mehr dazu mich umzubringen, als eine Überbeanspruchung meiner Kräfte“, grinste sie empört.
“Eldon ist tot, Frey hat sich geopfert, als er den Palast hat einstürzen lassen“, klärte ich sie auf, da ich nicht wusste wie viel sie von dem mitbekommen hatte.
“Ich weiß“, erwiderte sie und löste meine klammernden Arme von ihrem Hals und zog sich hoch.
“Wir sollten wieder rausgehen, es muss einiges erledigt werden!“
Nachdem wir die Academy hinter uns gelassen hatten und aufs Feld gekommen waren, kam mir auch schon Cole entgegen: “Ich habe die Dryadogen zumindest schon soweit aufgeklärt, dass sie sich ruhig verhalten und niemand einen Aufstand anfängt, da er nicht weiß was er tun soll.“
“Gut“, lobte meine Oma ihn anerkennend.
“Das ist mein Junge!“
Wir wirbelten allesamt herum. Hinter uns stand Jayde Feyler, die sich jedoch offensichtlich den Staub und Schmutz von ihrer Haut entfernt hatte, sodass mir erst jetzt auffiel wie bleich sie war. Nur noch ihre Kleidung ließ darauf schließen wo sie die letzten Jahre verbracht hatte. Ihre langen, kohlrabenschwarzen Haare hingen ihr feucht über die Schultern, sodass ich mich wunderte wieso sie nass waren, denn es hatte soweit ich dies mitbekommen hatte, nicht geregnet.
Ich fragte mich wirklich wie sie es geschafft hatte, heil aus der Explosion herauszukommen, während Frey dabei gestorben war. Doch ich vermutete mal, dass es damit zusammenhängen könnte, dass sie um einiges älter war als er und vielleicht einfach fähig dazu war. Vielleicht hatte Eldons Tod aber auch einfach nur ein Opfer verlangt und das war Frey gewesen.
“Jayde?!“ Meine Oma trat einen Schritt vor und hatte erstaunt die Augen weit aufgerissen.
“Alice“, lächelte Jaydes Mutter glücklich, kam auf sie zu und umarmte sie. Mir fiel auf, dass sie um einiges kleiner als meine Oma war.
Ich warf Cole einen fragenden Blick zu, doch dieser zuckte nur ratlos mit den Schultern.
Hatte die Außenwelt gewusst, dass Jayde sich gegen ihren Ehemann gestellt hatte?
“Wie hast du es da lebend wieder herausgeschafft?“, stellte Cole nun endlich die Frage die mir schon seit längerem auf der Zunge brannte.
“Es war der übermäßige Druck zusammen mit einer Art Tornado und dem ganzen Wasser aus dem Palast, der dem Gebäude schlussendlich den Rest gegeben hat. Ich war dafür verantwortlich und meine eigene Magie schädigt mich als ihren Ursprung nicht. Eldons Tod hat ein Opfer gefordert und Frey Redwood hat den Preis dafür auf sich genommen“, berichtete sie uns und ich beschloss einfach nicht weiter zu fragen. Hatte sie etwa einen Tornado heraufbeschworen? Ich würde mich wohl lieber nicht mit ihr anlegen wollen!
“Außerdem hat es mehr als gut getan, nachdem ich meine Kräfte endlich wiederbekommen habe, als ich aus dieser elenden Zelle herausgekommen bin...“, fügte sie grinsend hinzu und verschränkte vergnügt die Arme.
“Cole!“ Isaiah eilte auf uns zu und ich machte sofort einen Schritt zurück. Wieso war er frei?
Als er näherkam, sah ich die Antwort selbst. Seine Augen hatten jenen kalten und gefühlslosen Ausdruck verloren und waren wieder normal. Ich runzelte die Stirn. Wie war das möglich?
“Das Amulett wurde mit Eldon zerstört, wodurch der Fluch aufgehoben wurde“, erklärte Niamh fröhlich, welche soeben hinter Isaiah aufgetaucht war.
Ich schluckte. Das Ganze bedeutete, dass wenn Jake meine Mutter nicht getötet hätte, dass sie soeben ihre Menschlichkeit wiedererlangt hätte. Sie hätte wieder normal sein können.
Cole bemerkte offenbar wie sich mein Gesicht verdunkelt hatte, denn er drückte mitfühlend meine Hand.
Ich schätzte wohl, der Schmerz würde nie vergehen, ganz gleich wie oft mir jemand sagte, dass es mit der Zeit leichter werden würde.
Es war zwar noch nicht so viel Zeit vergangen doch ich konnte diesen Mythos definitiv nicht bestätigen.
In Gedanken versunken zwirbelte ich eine silberne Haarsträhne um meinen Finger.
Die nächsten Tage würden nicht leicht werden. Wir würden um die Gefallenen trauern und viel Arbeit zu erledigen haben. Wir mussten das Vertrauen zwischen Vampiren und Dryadogen langsam wieder aufbauen und das würde lange dauern.
Eldons Herrschaft würde tiefe Spuren hinterlassen haben, in jedem von uns.
Doch ich nahm mir fest vor ein Teil derjenigen zu sein, die für den Frieden und ein fröhliches Miteinander kämpften.
Mir huschte ein leichtes Lächeln über das Gesicht, als mein Blick von Cole, der mich liebevoll ansah, über meine Oma und Jayde, die sich freudig unterhielten, zu Jonah und Niamh, deren eigenartige Spannung ich am besten einfach überging, bis hin zu Celeste und Libby Bloodthorn, die für eine lange nächste Zeit beide Völker der Hexen anführen würden, wanderte. Ich konnte gar nicht in Worte fassen wie froh ich war, dass Mum mich damals hierher verschleppt hatte und mich nicht nach meiner Meinung gefragt hatte. Mütter wussten ja meist bekanntlich was für ihre Kinder das Beste war und Leah Chase hatte Recht gehabt. Das hier war meine Familie und ich würde sie für nichts in der Welt eintauschen wollen!

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