30. Kapitel

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Ich war irgendwann mitten in der Nacht wegen eines Geräusches  aufgewacht, nur um festzustellen dass Cole dessen Verursacher war, da er fluchend über meinen Rucksack gestolpert war, als er sich neben mich in mein Bett schleichen wollte. Lächelnd hatte ich ihm Platz gemacht, bevor ich wieder seelenruhig eingeschlafen war.
Heute war Samstag, ich hatte also folglich keine Schule und konnte endlich mal wieder ausschlafen, doch ich hatte meinen Plan ohne Cole gemacht. Dieser zog mir nämlich gerade die Decke weg und drängte mich dazu aufzustehen.
“Cole! Ich hab heute nichts zu tun“, versuchte ich ihm nuschelnd zu erklären, doch er sah das offenbar anders.
“Wir werden heute trainieren, ich habe einen super Platz dafür gefunden!“
Ich stöhnte und wollte mich wieder umdrehen, doch er hob mich einfach aus dem Bett und trug mich ins Badezimmer.
“Wenn du dich jetzt nicht sofort fertigmachst, dann tue ich es!“, drohte er und ich schob ihn mürrisch aus dem Zimmer um ihm dann die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Das hatte sich auf gewisse Weise befriedigend angefühlt.
Ich sprang unter die Dusche, um wenigstens etwas wach zu werden und ließ mir das Wasser aufs Gesicht prasseln, während meine Gedanken wieder zum Wettkampf abschweiften. Jake hatte einfach beschlossen, dass zwischen uns alles gut war und so sehr ich mir das auch wünschte, wusste ich nicht ob ich so schnell darüber hinwegkommen würde. Es war mir egal, ob ich vielleicht übertrieb, denn er hatte mich eindeutig verletzt. Indem er mir weder von seiner Fähigkeit erzählt hatte, noch sich freundschaftlich mir gegenüber gezeigt hatte, war mein Vertrauen zu ihm beschädigt worden. Was mich allerdings am meisten beschäftigte, waren diese besonderen Kräfte, von denen ich noch nie gehört hatte. Wie konnte er andere Vampire halluzinieren lassen? Natürlich war es möglich, dass er es geerbt hatte, doch wenn seine Eltern mächtigere Vampire waren, hätte ich doch bestimmt schon von ihnen gehört.
“Wenn du noch länger brauchst, komm ich rein!“, meine Cole und klopfte leise an die Tür.
Ich drehte das Wasser ab und machte mich fertig, entschied mich aber gegen ein Handtuch, als ich in mein Zimmer zurückging um mir etwas anzuziehen.
Ich musste grinsen, als ich Coles gierigen Blick und seinen offenen Mund sah und wusste, dass er sich sehr zurückhalten musste, um nicht über mich herzufallen. Was ich ihm, nebenbei bemerkt, hoch anrechnete.
Herausfordernd hielt ich seinem Blick stand, als ich mir eine Jeans und einen grauen Pulli aus dem Schrank holte und mich wie in Zeitlupe anzog.
“Hätten wir es nicht so eilig, wärst du mir nicht so leicht davongekommen!“
Das glaubte ich ihm aufs Wort.

Cole hatte mir gesagt, wir würden uns am Waldrand treffen, da es für ihn nicht sicher war, wenn er einfach so auf dem Hof herumspazieren würde.
Zum Glück schliefen die meisten Schüler heute länger, weshalb ich niemandem begegnete.
“Auch schon da?“, fragte er verschmitzt und ich strafte ihn, indem ich einfach wortlos an ihm vorbeiging.
“Bist du bereit zu rennen?“, fragte er und hastete mir hinterher.
“Und wie ich das bin!“
“Wir gehen nach links, wenn der Wald endet kommst du auf eine große Wiese, auf der du stehenbleibst, verstanden?“
Ich nickte, nahm einen Atemzug der frischen Waldluft und setzte mich in Bewegung. Dass mich Cole überholte und mich selbstgefällig angrinste, versetzte meinen Kampfgeist in Aktion und ich ließ meiner Vampirgeschwindigkeit freien Lauf, sodass ich an Cole vorbeischoss. Ich konnte gerade noch sein verdutztes Gesicht sehen, da war er auch schon Meilen hinter mir und verschwand schnell aus meinem Sichtbereich.
Schadenfroh richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den Weg den mir Cole beschrieben hatte und kam meinem Ziel mit jedem Schritt näher. Ich wusste, dass sich der Wald von der Academy aus nach links nicht besonders weit erstreckte, sodass ich die Grasfläche bald erreicht hatte und auf Cole wartete. Mit ein paar Minuten Verspätung und einem ärgerlichen Ausdruck kam er neben mir zum Stehen und versuchte seine unkontrollierte Atmung zu verstecken, was ihm allerdings nicht sonderlich gut gelang.
“Was machen wir hier?“, fragte ich ihn neugierig, nachdem er sich etwas erholt hatte und ich mich aufmerksam umgesehen hatte.
Wir standen auf einer Wiese, die über und über mit den verschiedensten Blumen und Sträuchern bewachsen war, sodass es kein Spaß werden würde da durchzulaufen.
Ein paar Kilometer entfernt erkannte ich einen Kirchturm und mehrere Hochhäuser, deren Dächer und Spitzen bis weit in den Himmel ragten. Dies musste wohl die Stadt sein, in der ich mit Jonah shoppen war.
“Trainieren“, presste er zwischen den Zähnen hervor und warf sich mit einem Kampfschrei auf mich. Sein Angriff traf mich unerwartet und ich fiel ins Gras.
Stöhnend rieb ich mir den schmerzenden Kopf, der beim Aufprall ungeschützt auf den Boden geknallt war.
“Lektion Nummer eins, lass deinen Gegner nie aus den Augen!“
“Wenn mir ein mordlustiger Dryadoge gegenüber stehen würde, wäre ich vorbereitet gewesen“, verteidigte ich mich schmollend.
“Oft sind es die Personen die uns am nächsten stehen, die uns überraschend die kalte Schulter zeigen. Jeder noch so freundliche Mensch kann sich gegen dich stellen und dich verletzen, weil du nicht damit rechnest.“
Er hielt mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen und ich ergriff sie. Doch anstatt mich hochzuziehen zog ich mit aller Kraft an seiner Hand und beförderte ihn damit neben mich auf den Boden.
“Gibt es auch die Lektion, dass man seinen Feinden nicht trauen soll?“, fragte ich scheinheilig und versuchte mein Lachen zu unterdrücken. Er sah einfach zu lustig aus, wie er da mit entsetztem Gesicht auf dem Rücken lag.
“Na warte!“
Schnell wie der Blitz war ich auf den Beinen und rannte davon.
Nachdem er mich gejagt und gefangen hatte, brachte er mir ernst weitere seiner Lektionen bei, welche ich halb dankbar, halb spöttisch verinnerlichte.
Ich musste zugeben, es gab keine einzige Kampftechnik der Dryadogen die mir vor Coles Unterricht bekannt gewesen war.
Völlig erschöpft lehnte ich mich an Coles Brust und schloss genießerisch die Augen.
“Bist du etwa schon müde?“
“Ich habe Hunger!“
“Während des Krieges wirst du auch Hunger haben und trotzdem nicht die Gelegenheit bekommen etwas essen zu können.“
“Durst habe ich auch!“
“Du bist wie ein kleines Kind“, stellte er frustriert fest, nachdem er bemerkt hatte, dass ich ohne Pause ganz bestimmt nicht mehr zum Training zu gebrauchen war.
Unschuldig blickte ich zu ihm auf und betrachtete seine entspannten Gesichtszüge. Diese dunklen, geheimnissvollen und wunderschönen Augen!
“Dann gehen wir halt in die Stadt dort drüben, wenn du keine Ruhe gibst und mich weiterhin so gruselig anstarrst.“
Empört trat ich von ihm weg und sagte: “Du verwechselst wohl gruselig mit romantisch.“
Er schien kurz zu überlegen, bevor er schließlich bestimmt sagte: “Nein, ganz sicher nicht!“
Ich schlug in gegen die Schulter und suchte entschlossen meinen Weg aus der Wiese hinaus. Cole holte mich mit schnellen Schritten ein und wir gingen entspannt auf die Stadt zu.
“Ist es nicht etwas riskant uns zusammen in der Öffentlichkeit zu zeigen? Wenn dein Vater davon erfährt...“
“Wird er nicht. Ich bezweifle doch sehr, dass ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt andere Wesen als Menschen dort unterwegs sind.“
“Und was wenn doch?“
Er setzte seine Kaputze auf und zog sie sich tief ins Gesicht, sodass man ihn ohne genauer hinzusehen nicht erkennen würde.
“Zufrieden?“
Ich nickte und hoffte, dass er Recht behielt und uns niemand entdeckte.

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