46. Kapitel

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Jemand rüttelte mich unsanft an der Schulter, sodass ich widerwillig meine Augen öffnete und in Celestes makelloses Gesicht blickte. Sie hatte ihre roten Haare unordentlich hochgesteckt und sah mich mit ihren grünen Augen ungeduldig an.
“Violet, steh auf. Ich will dir etwas zeigen.“ 
Ihre Stimme hatte einen Hauch Vorfreude in sich, wenngleich sie angenehm ruhig war. Anders als die Stimme meiner Mutter, mit der sie mich früher Morgens immer aufgeweckt hatte.
Gähnend richtete ich mich auf. Es war mitten in der Nacht, was wollte sie denn nun schon wieder von mir?
Seufzend schwang ich die Beine aus dem Bett und zog mich mit einem Griff an die Kante des Nachttisches hoch.
Sie führte mich hinaus hinter das Schloss, auf einen Balkon von dem ich einen guten Blick auf die vor uns liegende Stadt hatte. Bisher hatte ich nur vereinzelte Häuser um die andere Seite des Turmes gesehen und angenommen, dass die restlichen Hexen einfach mit etwas Abstand zur Königin wohnten. Doch wie es aussah, hatte ich mich ganz offensichtlich getäuscht.
Die Stadt die sich vor uns erstreckte war riesig, so riesig, dass ich nicht erkennen konnte wo deren letztes Haus stand.
Wie war es möglich, dass man sie auf der Seite des Eingangs zum Turm nicht sehen konnte? War das eine Art Zauber?
Es war wunderschön. Überall funkelten verschiedene Lichter und tanzten um die Wette durch die Nacht. Hier und da hörte man Kinder und Erwachsene lachen, die ihren Spaß hatten. Feuerwerke entzündeten sich durch Hexenhand und ließen einen bunten Funkenregen auf die Dächer niederprasseln. Wie durch Zauberhand übertönte eine leise, festliche Melodie den Krach der Explosionen. Alles war hell erleuchtet, sodass es aussah als würde ich in ein einziges Lichtermeer aus verschiedensten Farben blicken.
Dass ich dies im Schlaf nicht gehört hatte, musste definitiv an Magie liegen.
Fasziniert wandte ich meinen Blick gen Himmel.
Über der Stadt leuchteten tausende Sterne.
Ein paar Kinder jauchzten am Rande der Stadt und stürzten sich in den Trubel.
Überall lachten und tanzten sie und ich wünschte mir ein Teil von ihnen zu sein.
Ich war nicht fähig meinen Blick abzuwenden. Es war zu anziehend. Zu magisch.
“Verstehst du jetzt, warum ich mich nicht in diesen Krieg einmischen wollte?“
Nichts hiervon erschien böse oder auch nur in irgendeiner Weise nach gandenlosen Killerhexen, wie ich sie eingeschätzt hatte.
Celeste wollte ihr Volk beschützen. Den Kinder und Frauen nicht ihre Väter und Männer wegnehmen. Den Frieden bewahren. Ihre Stadt vor Eldon verstecken und sie vor großem Unheil und Leiden bewahren.
Und als ich meinen Blick wieder der bunten, fröhlichen Stadt zuwandte fasste ich einen Entschluss. Ich würde ihr dabei versuchen zu helfen wo ich konnte.
Niemand würde sterben wenn ich es verhindern konnte!
“Ich könnte vielleicht deiner Mutter helfen.“
Mein Kopf zuckte erstaunt zu ihr rüber. Hatte ich mich gerade verhört?
“Ich wollte es nicht erwähnen, da die Chance so dermaßen gering ist, dass sich der Aufwand eigentlich nicht lohnt, aber da du eingewilligt hast mir zu helfen...“

Die Königin hatte mir gestern Nacht noch erzählt, dass sie mit ihrer Macht eigentlich dazu fähig sein müsste den Geist meiner Mutter in ihrem Körper anzusprechen, und die Kontrolle Eldons zu lösen, dennoch hatte dies anscheinend noch nie funktioniert, weshalb die Chance verschwinden gering war.
Ich hatte sie trotzdem angefleht es wenigstens zu versuchen, denn ich wusste nicht wie ich meiner Mutter sonst helfen konnte und die Tage an Celestes Hof sollten nicht unnütz gewesen sein.
Nachdem ich mich fröhlich von Libby verabschiedet hatte, hielt mir Celeste die Hand hin um uns wieder zurück zur Academy zu bringen.
Leider war das Schwindelgefühl nach wie vor da, sodass ich kurz die Augen schließen musste um es loszuwerden, bevor ich mich über den Anblick meines Zuhauses freuen konnte.
Die hohen Türme der Academy tauchten vor meinen Augen auf und ich blickte in Lady Devones blaue Augen als ich meinen Blick senkte.
“Wie ich sehe lebst du noch.“
Das war wohl ihre Art mich zu begrüßen. Ich quittierte mit einem frechen Grinsen.
“Was hat Sie dazu veranlasst meiner Tochter helfen zu wollen?“, fragte sie Celeste misstrauisch.
Woher wusste sie denn schon wieder davon?
“Hat mein Bote Ihnen das etwa nicht mitgeteilt?“
“Er war nicht sehr auskunftsfreudig.“
“Hätte ich mir auch denken können“, lachte die Königin und bewegte dabei ihren Kopf, sodass die Krone darauf das Sonnenlicht reflektierte und meine Oma sie nun auch wahrnahm.
Sie nickte wissend und ließ uns ohne Proteste in die Academy, in der wir schnurstracks in den Kerker gingen um meine Mutter aufzusuchen.
Diese sah aus als hätte sie sich seit unserer letzten Begegnungen kein Stück bewegt und starrte durch uns hindurch.
Celeste legte eine Hand auf Leahs Stirn und ich sah zu wie ihre grünen Augen aufleuchteten und wartete ab.
Keiner rührte sich vom Fleck und jeder schien die Luft anzuhalten. Ich deückte verzweifelt und hoffnungsvoll die Daumen.
Plötzlich kippte Mum zur Seite weg und Celeste riss ruckartig ihre Hand zurück, als wäre sie gerade von einem Blitz getroffen worden.
“Was ist passiert?“, fragte ich panisch, da meine Mum keine Reaktion zeigte und Celeste nicht sonderlich zufrieden aussah.
“Der Geist deiner Mutter befindet sich nicht mehr in diesem Körper!“
“Was? Nein, das kann nicht sein!“
Ich stürzte zu ihr und starrte in das bleiche Gesicht meiner Mutter.
“Komm schon, Mum!“
Sie konnte jetzt nicht einfach sterben, das durfte nicht passieren!
Bevor ich etwas tun konnte, schlug sie die Augen auf und ich schlang überglücklich meine Arme um sie.
Als sie nicht reagierte, löste ich mich von ihr und sah geradewegs in dieselben ausdruckslosen Augen wie zuvor.
“Es tut mir leid, es gibt nichts was ich tun könnte!“
Nein, nein, nein!
Während sich Celeste langsam erhob und ein paar Schritte Abstand nahm, sank ich auf den Boden und nahm Mums Hand in meine.
Ihr Blick zuckte zu mir und sie riss zischend ihre Hand weg.
“Eldon hat anscheinend ziemlich großen Spaß daran dich zu verletzen“, murmelte die Königin der Hexen daraufhin.
Ohne zu antworten sah ich in das Gesicht jedes Anwesenden und weinte geräuschlos.

Geistesabwesend hatte ich den Unterricht an diesem Morgen irgendwie ertragen und sogar die Hausaufgaben erledigt, doch für deren richtigen Inhalt wollte ich nicht garantieren.
Der hasserfüllte Gesichtsausdruck meiner Mutter verfolgte mich von Minute zu Minute, sodass ich mich auf nichts anderes konzentrieren konnte.
Wie hatte das alles nur passieren können? Vor einem Jahr war ich einfach nur ein ganz normales Mädchen gewesen und jetzt?
Als sich das Fenster langsam öffnete wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und war darüber nicht unbedingt traurig.
“Hey“, begrüßte mich Cole, als sein Gesicht vor meinem Fenster auftauchte.
Ich erwiderte mit einem leichten Lächeln.
“Der Zustand deiner Mutter ist unverändert?“, riet er anhand meines Gesichtsausdrucks mitfühlend.
Ich schüttelte entmutigt den Kopf, sodass er sich in mein Zimmer zog und das Fenster hinter sich schloss.
“Celeste Bloodthorn hat versucht ihr zu helfen, doch wie es aussieht ist meine Mutter hilflos verloren.“
Ich hatte ihm gleich nachdem sich meine Oma mit der Hexe getroffen hatte, erzählt, dass ich einige Tage bei diesen Wesen verbringen würde. Er war nicht sonderlich begeistert gewesen, doch er hatte schließlich eingesehen, dass es notwendig war.
“Das tut mir leid“, meinte er als er sich neben mich aufs Bett setzte und legte einen Arm um mich.
“Du kannst ja nichts dafür.“
“Ich hasse meinen Vater jeden Tag ein Stück mehr, dass er dir das antut!“
“Lass dich nicht von meiner Stimmung beeinflussen! Wie geht's dir so? Was ist mit deiner Mutter?“, fragte ich ihn und musterte ihn forschend.
“Sie sieht besser aus als bei unserer Begegnung letztens, aber ich muss jedes Mal gegen das Bedürfnis ankämpfen sie aus dieser Zelle herauszuholen und das Gebäude zum Einsturz zu bringen!“
Ich bewunderte diese Stärke an ihm mit der er es schaffte mit diesem Monster unter einem Dach zu leben und nicht schon vollkommen durchgedreht zu sein.
“Aber es gibt auch gute Nachrichten! Ich habe eine Organisation einiger Dryadogen gefunden die im Untergrund tätig sind und gegen meinen Vater hetzen. Isaiah ist schon seit langem Mitglied, doch er hat mir das bisher verschwiegen, da er der Meinung war es sei zu gefährlich für mich, als sei ich irgendein kleines wehrloses Baby das sich nicht gegen seinen Vater wehren kann!“
Man sah ihm auf jeden Fall an, dass er nicht gerade glücklich darüber war.
“Wie hast du reagiert?“
“Nun wir haben uns sehr ausführlich darüber unterhalten was es bedeutet ein Freund zu sein!“
Ich lachte über seinen eingeschnappten Tonfall.
“Ich meinte eigentlich die Organisation.“
“Achso, naja ich habe mich ihnen angeschlossen.“
“Und das haben sie einfach ohne Weiteres zugelassen? Ich meine, du bist Eldons Sohn und in ihren Augen bestünde die Chance, dass du sie verraten könntest.“
“Niemand kann einem so talentierten, attraktiven Mann wie mir einen Wunsch abschlagen!“
Ich hob zweifelnd die Brauen und er hielt herausfordernd meinen Blick, bis er schließlich grinsen musste.
“Gut, es hat etwas Überzeugungskraft gekostet aber schlussendlich sind sie eingeknickt.“
“Bist du dir sicher, dass sie nicht einfach nur Angst vor dir hatten?“
Ich musste bei der Vorstellung schmunzeln.
“Wenn dann nur vor meiner unglaublichen Macht!“
“Von der habe ich bisher aber noch nicht viel gesehen!“
“Das wirst du“, sagte er bestimmt.
“Und wann?“
“Wenn wir Eldon bezwingen.“
Ich konnte nur hoffen, dass er dann nicht völlig außer Kontrolle geraten würde!
“Kannst du mir nicht einfach einen kleinen Teil zeigen, damit ich weiß auf was ich gefasst sein muss?“
Er schüttelte stur den Kopf.
“Ich will nicht, dass sie dich verletzt“, murmelte er leise, woraufhin ich berührt die Lippen zusammenpresste. Er hatte doch nicht etwa wirklich Angst mich mit seiner eigenen Macht zu verletzen?
“Ich bin nicht zerbrechlich, Cole“, widersprach ich ihm.
Seine Lippen verzogen sich zu einem anzüglichen Grinsen. “Ich weiß.“
Ich verdrehte genervt die Augen. Wieso konnte dieser Mann nicht einmal ernst bleiben?!
Seine dunklen Augen funkelten gierig, als er mich packte um mich zu sich zu ziehen. Lachend gab ich nach und ließ mich von ihm küssen.

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