Teil 1 - Hexeralltag

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"Na, komm schon. Mach es uns beiden doch nicht schwerer, als es sein muss. Du weißt doch, wie das hier enden wird..."

Der bereits verletzte Wyvern wich ein Stück zurück, nur um mit seinem stachelbewehrten Schwanz zu einem mächtigen Schlag auszuholen. Eskel warf sich mit einer Rolle zu Boden und sprang in sicherer Entfernung sofort wieder auf die Füße. Der Draconide wusste um die Gefahr für seine Brut und verteidigte das Gelege bis zum letzten Atemzug. Doch dem Hexerschwert hatte er nichts entgegenzusetzen. Eskel täuschte einen Angriff von der linken Seite vor, ging dann zu einer blitzschnellen Pirouette über und schlug dem Wyvern das Schwert in die rechte Seite, direkt unterhalb des Flügels. Die Bestie stieß einen schrillen Schrei aus und ging zu Boden. Der Hexer setzte zum Sprung an und versetzte dem Wyvern den Todesstoß.

Als es vorbei war ließ er seinen Atem zur Ruhe kommen und sah sich den Kratzer an seinem linken Arm an. Der Draconide hatte ihn mit seinem Schwanzstachel gestreift. Die Wunde war nur oberflächlich, doch Eskel spürte bereits das Brennen des Giftes unter seiner Haut. Zum Glück hatte er sich vor dem Kampf mit einem Trank, der die Wirkung des Toxins abschwächte, auf die Konfrontation vorbereitet.

Die Saison neigte sich dem Ende zu. Die Auftragslage war in diesem Jahr sogar noch ein wenig schlechter gewesen, als in den Vorjahren. Hauptsächlich hatte Eskel sich um die Beseitigung von Draconiden und Nekrophagen gekümmert. Der spektakulärste Auftrag war die Jagd auf einen Flatterer gewesen, der die Umgebung von Heidfelde unsicher gemacht hatte.

Von Jahr zu Jahr wurden es weniger Ungeheuer und Bestien, die die Menschen und ihr Vieh bedrohten. Und immer öfter nahmen sich beherzte Dorfbewohner selbst der Bedrohung an und zogen mit Forken, Knüppeln und Armbrüsten gegen die weniger gefürchteten der unerwünschte Kreaturen ins Feld.

Zur größten Gefahr für die Menschen war der Mensch selbst geworden. Redanien, Temerien und die nördlichen Königreiche hatten in der letzten Dekade stark unter dem Joch der Kriege gelitten, die die Mächtigen auf dem Rücken der Bewohner austrugen. Doch das war keine Angelegenheit der Hexer.

Eskel nahm eine der letzten zwei verbliebenen Samum-Bomben aus der Tasche. Zum Anfang der Saison waren es 20 Sprengsätze gewesen. In der Winterpause würde er in Kaer Morhen neue anfertigen müssen.

Er entzündete die Zündschnur und warf die handliche Bombe in das Nest des Wyvern. Dann trat er ein paar Schritte zurück und erzeugte mit Hilfe des Zeichens Quen einen Schutzschild, der ihn vor der Druckwelle und möglichen Gesteinssplittern abschirmen würde. Er spürte die Erschütterung des Bodens, die der Detonation folgte. Danach ging er zum Nest zurück, um sich von der Vernichtung des Geleges zu überzeugen. Mit dem Ergebnis zufrieden zog er ein Tuch aus seiner Tasche und reinigte damit die Schneide seines Schwertes vom Blut des Draconiden. Dann wandte er sich ab und rief nach Skorpion, seinem Schlachtross. Es war an der Zeit, die Prämie in Empfang zu nehmen.

"Tja, also, Meister Hexer..." Der Dorfschulze von Maulbeertal kratzte sich verlegen an der Nase. "Das ganze Dorf hat zusammengelegt, aber wir kommen nur auf 42 Kronen. Da beißt keine Maus den Faden ab..."

"Vereinbart waren aber 50 Kronen."

"Ja ja, keine Frage, das hatten wir gesagt. Aber wisst ihr, die Kuh vom Bauer Hilbertz ist gestern beim Kalben verreckt und jetzt muss er sich ja eine neue kaufen, wie soll er denn sonst über den Winter kommen? Und deshalb fehlt jetzt sein Anteil. Aber unser Schmied hat euch ein paar gute Nieten für den Schwertgurt oben drauf gelegt. Und einen Wetzstein. Mehr ist bei uns im Moment leider nicht zu holen. Tut mir leid, Meister Hexer."

Eskel atmete tief durch. Es war also nun schon soweit gekommen, dass er sich in Naturalien auszahlen ließ... Lambert an seiner Stelle würde nun mit Drohungen und Beschimpfungen reagieren, Geralt mit seiner bedrohlichen Erscheinung vermutlich noch ein paar Kronen herausschlagen. Aber das war nicht seine Art. Und das wusste auch der Schulze von Maulbeertal.

Das Herz der Alchemie (The Witcher FF)Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum