Teil 17 - Aussprache

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Thalia eilte die Treppe hinunter. Der Klang ihrer Schritte auf den steinernen Stufen wurde von den Wänden des Turms zurückgeworfen. Zum Glück schien Eskel ihr nicht zu folgen. Sie hätte sich in diesem Moment dem Gespräch, um das er sie gebeten hatte, nicht gewachsen gefühlt. Heute Morgen, im Labor, als er ihr plötzlich so nahe gekommen war, als er sie berührt hatte und seine Hand dieses wundervolle, prickelnde Gefühl auf ihrer Haut hinterlassen hatte - da war sie sich sicher gewesen, dass er ebenso für sie empfand, wie sie für ihn. Dass sie sich ihrer Gefühle nicht zu schämen brauchte, sie nicht länger für sich behalten musste. Es hatte sich so richtig angefühlt.

Doch dann, als Triss aufgetaucht war, hatte er sich von ihr zurückgezogen, so schnell, als habe er sich an ihrer Haut verbrannt. Als fühle er sich ertappt bei etwas Verbotenem. Also war es so, wie sie bereits vermutet hatte: Eskel und Triss waren mehr als nur Freunde. Und falls sie daran noch den Hauch eines Zweifels gehabt haben sollte, so war dieser eben Gewissheit gewichen.

Sie hatte nur ein Buch aus ihrem Zimmer holen wollen, um etwas nachzuschlagen, als sie auf der Treppe fast mit Eskel zusammengestoßen war. Als er gerade mit offenem Hemd Triss' Kammer verließ. Sollte Thalia davor noch gehofft haben, dass er sich doch noch für sie entscheiden würde, so war diese Hoffnung nun zerschlagen. Zersprungen in tausend kleine Splitter, die sich nun in ihre Eingeweide zu bohren schienen.

Er wollte mit ihr reden. Natürlich. Ihre Reaktion auf seine Berührung heute Morgen war ihm nicht entgangen und nun wollte er bestimmt für klare Verhältnisse sorgen. Ihr sagen, dass er und Triss ein Paar waren. Dass es ihm leid täte. Er sich geschmeichelt fühle und sie auch sehr mögen und als Freundin schätzen würde. Aber dass sie zu viel in seine Geste hineininterpretiert und sein Verhalten falsch verstanden habe. Dass sie Freundlichkeit mit ... etwas anderem verwechselt habe.

Thalia kam sich unglaublich dumm vor. Ihr schnürte sich der Magen zu. Sie wusste, dass sie das Gespräch nur hinauszögerte, indem sie ihm nun aus dem Weg ging. Aber sie brauchte etwas Zeit. Zeit, um sich zu fangen. Zeit, um sich innerlich zu wappnen, damit sie ihm gefasst entgegentreten konnte. Sie würde nicht würdelos in Tränen ausbrechen oder ihm vorwerfen, widersprüchliche Signale ausgesendet zu haben. Einen Rest von Stolz wollte sie sich bewahren.

Doch dazu musste sie nun erst einmal einen klaren Kopf bekommen. Wenn sie ins Labor zurückginge, würde sie riskieren, dass Eskel sie dort aufsuchte, bevor sie dazu bereit war, mit ihm zu sprechen. Sie wollte die Festung verlassen, weg von alledem hier. Irgendwo draußen in der Natur durchatmen und sich sammeln.

Entgegen ihrer Behauptung Eskel gegenüber, hatte sie sich natürlich bereits um das Liquor gekümmert, so dass es nicht verderben würde. Ihre Arbeit konnte - musste - warten. So unkonzentriert, wie sie gerade war, würde sie schlimmstenfalls noch eine der gewonnenen Essenzen ruinieren.

Am Fuß der Treppe angekommen, eilte sie schnellen Schrittes auf das Hauptportal zu, zog im Laufen ihren Umhang vom Haken an der Wand und warf ihn über.

"Grüß dich, Thalia." Die Angesprochene zuckte zusammen. Geralt saß auf einer Bank und polierte offensichtlich alte Waffen. Sie hatte ihn zuvor gar nicht bemerkt.

"Oh. Grüß dich, Geralt."

"Willst du frische Luft schnappen?"

"Ich, äh ... ja. Ich brauche noch ein paar Kräuter, die ich sicherlich in der Nähe des Sees finden sollte."

"Was brauchst du denn? Vielleicht haben wir noch etwas in unseren Vorräten."

"Nein, ich ... habe schon nachgesehen. Ich nehme mein Pferd und bin schnell wieder zurück."

"Sei bitte vorsichtig, Thalia. Die Gegend um den See herum habe ich zwar Vorgestern kontrolliert und keine Spur von Ertrunkenen oder anderen Kreaturen gefunden - aber man kann nie wissen. Außerdem wird das Wetter heute Nachmittag umschlagen."

Das Herz der Alchemie (The Witcher FF)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن