Teil 28 - Auf Messers Schneide

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Thalia lag schwer in seinen Armen. Sie holte stockend Atem, wurde sofort von Husten geschüttelt. Ein dünnes Rinnsal Blut floss aus ihrem Mundwinkel und hob sich im Mondlicht von ihrer blassen Haut ab. Ihr Haarknoten hatte sich gelöst und die nassen Strähnen umrahmten ihr Gesicht. Sie zitterte. Ihr verschleierter Blick suchte den Eskels.

Die letzten Sekunden kamen ihm unwirklich vor, sein Verstand weigerte sich zu akzeptieren, was passiert war. Er fühlte den Armbrustbolzen zwischen seinen Fingern, der noch immer in Thalias Rücken steckte.

Aus dem Augenwinkel sah er Shani und Yennefer, die auf Thalia und ihn zueilten. Shani ging sofort neben ihrer Freundin auf die Knie, hob ihr Augenlid an und fühlte dann ihren Pulsschlag am Hals. Vorsichtig schob sie Eskels Arm, der Thalia hielt, ein wenig nach oben, um einen Blick auf die Wunde in Thalias Rücken zu erhalten. Ihre Augen weiteten sich kurz, als sie die Verletzung begutachtete.

Auch die anderen hatten inzwischen bemerkt, was geschehen war. Als Eskel kurz den Blick hob sah er, dass Geralt, Lambert und Keira bestürzt zu ihnen herüber blickten.

Laikos war mit fassungsloser Miene in die Knie gegangen, Yonkas Hand lag stützend auf seiner Schulter.

Shanis Miene hatte sich verfinstert. "Der Bolzen hat das Schulterblatt durchschlagen und ist offenbar in die Lunge eingedrungen. Sie hat schon viel Blut verloren." Shani dachte kurz nach. "Wenn wir den Bolzen entfernen, wird die Blutung sich möglicherweise noch verstärken. Aber bleibt er, wo er ist, droht sie zu ersticken."

Die Ärztin blickte Yennefer an. "Wir müssen uns beeilen. Könnt Ihr mit euren Fähigkeiten die Blutung stoppen, während ich den Bolzen entferne?"

Yennefers Lippen bildeten einen schmalen Strich. "Das kann ich. Doch wir müssen auch zügig von hier verschwinden. Ich kann uns alle per Portal von hier wegbringen - nach Kovir, wo eine Kollegin von mir uns bei ihrer Behandlung helfen kann. Ich habe vor Jahren neben ihrem Haus einen Anker platziert, sodass wir es mit nur einem Sprung zu ihr schaffen. Aber wenn ich meine Kräfte zu sehr erschöpfe, kann ich das Portal nicht so lange stabilisieren, bis wir alle hindurchgetreten sind. Keira? Kannst du uns unterstützen?"

Keira trat einen Schritt näher. "Meine Magie kehrt erst langsam wieder zurück, aber ich werde tun, was ich kann. Soll ich versuchen, ihre Schmerzen zu dämpfen, während du dich um die Blutung kümmerst?"

Yennefer nickte kurz, war in Gedanken offenbar bereits dabei, den geeignetsten Zauber auszuwählen.

"Yen ..." Geralt klang besorgt, als er hinter die Zauberin trat.

"Ich weiß, Geralt. Ich werde darauf achten, mich nicht zu verausgaben. Diese Erfahrung einmal gemacht zu haben, reicht mir völlig."

Shani stieß einen tiefen Seufzer aus. "Also gut, wir werden versuchen, sie zu stabilisieren und bringen sie dann schleunigst nach Kovir." Aus ihrer Tasche zog sie saubere Verbände und eine Flasche, mit deren Inhalt sie einen der Stoffstreifen tränkte. Alkoholdunst stach in Eskels Augen.

Mit einer Schere vergrößerte Shani den Riss in Thalias Tunika um die Eintrittsstelle herum.

Eskel hielt sie nach wie vor in seinen Armen, ihr Kopf ruhte an seiner Schulter. Leise flüsterte er ihr beruhigende Worte zu, während die anderen Frauen den Eingriff vorbereiteten. Thalia zuckte zusammen und sog zitternd die Luft ein, als Shani den Bolzen berührte.

Die Zauberinnen gingen neben Thalia in die Knie, legten jeweils eine Hand auf ihren Rücken. Yennefer und Keira begannen, verschiedene Sprüche zu intonieren. Aus Yennefers Fingerspitzen drang ein weißliches Leuchten in Thalias Körper, während von Keiras Hand ein blasses rötliches Strahlen ausging.

Das Herz der Alchemie (The Witcher FF)Where stories live. Discover now