Teil 5 - Einkehr

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Sie waren nun seit fünf Tagen unterwegs.

Noch vor Einbruch der Dämmerung erreichten sie die Stadt Rinde, die letzte größere Ortschaft, bevor ihr Weg sie in nur dünn besiedelte Gegenden bringen würde. Am nächsten Tag würden sie ins Kestrel-Gebirge abbiegen. Sobald sie in der Wildnis waren, mussten sie nicht nur mit Banditen, sondern auch vermehrt mit Ungeheuern rechnen, die abseits des Weges auf arglose Reisende lauerten.

Im Pontar-Gebiet hatten sie bisher viele Ortschaften passiert, sodass sie abends immer in Gasthöfen eingekehrt waren und den Komfort einer warmen Mahlzeit und eines einigermaßen bequemen Bettes genießen konnten - auf Kosten des Spesenkontos der Akademie. Ab morgen würden sie auf diesen Luxus aber für wenigstens ein paar Tage verzichten müssen.

Nachdem Thalia beim Wirt einer dem Augenschein nach gepflegten Gastwirtschaft Zimmer für die Nacht und ein Abendessen in Auftrag gegeben hatte, brachten sie die Pferde in den Stall und sattelten ab. Die beiden Wächter nahmen ihre Satteltaschen an sich und gingen zum Haupthaus. Eskel und Thalia versorgten die Pferde. Wie jeden Abend nach einem langen Ritt striegelte der Hexer das schwarze Fell seines Hengstes, kontrollierte die Hufe und tätschelte Skorpion dann zum Abschied die Flanke.

Thalia striegelte ihre Stute ebenfalls, hatte darin jedoch wesentlich weniger Übung als der Hexer. In der Akademie versorgten Knechte die Pferde, die für Expeditionen gebraucht wurden. Aber vernachlässigen wollte sie ihr Pferd auch nicht, schließlich hatte es sie in den letzten Tagen stundenlang getragen, ohne sich über ihre mangelhaften Reitkenntnisse zu beschweren.

Schweigend gingen sie zusammen zum Gastraum, wobei Eskel sowohl seine als auch ihre Satteltaschen scheinbar mühelos auf den Schultern trug. Thalia war dankbar, dass sie sich nicht selbst mit der Tasche plagen musste. Sie hatte nur wenig Garderobe und andere persönliche Gegenstände eingepackt, aber die Auswahl der alchemistischen Bücher, die sie mitnehmen sollte, war ihr schwergefallen. Die Taschen waren deshalb nicht gerade leicht. Eskel brachte das Gepäck nach oben zu den Schlafkammern und stieg dann wieder zu ihr die Treppe hinunter.

Im Schankraum der Gastwirtschaft herrschte reger Betrieb. Die Luft war erfüllt vom Geruch nach Bier, Braten und Schweiß. Viele Einheimische und auch einige Reisende saßen an den Tischen, tranken Bier und aßen ihr Mahl.

Olbertz und Jonas saßen an einem Tisch an der Seite und waren schon beinahe fertig. Sie vertilgten gerade die letzten Bissen ihres Wildbratens, als Eskel und Thalia sich zu ihnen an den Tisch setzten. Das Gespräch, das sie zuvor miteinander geführt hatten, verstummte und machte einer etwas drückenden Stille inmitten des fröhlichen Geschwatzes der anderen Gäste Platz. Olbertz trank sein Bier aus und warf dem Hexer einen undeutbaren Blick zu. „Ich geh ins Bett. Magister van de Wintervoord. Hexer." Er nickte beiden wenig freundlich zu und stand auf.

„Ich geh auch schlafen. War ein anstrengender Tag heute... Gute Nacht", verabschiedete sich auch Jonas und eilte Olbertz hinterher die Treppe ins Obergeschoss hinauf.

„Was ist denn mit denen los? Eigentlich sollte ich doch eher todmüde sein und nicht unsere wackeren Recken..." wunderte sich Thalia mit einem Hauch von Spott. Während der letzten Tage hatte sie während des stundenlangen Reitens in Ermangelung einer anderen Unterhaltung den Geschichten von Olbertz gelauscht, die dieser nicht müde wurde, seinem Kollegen zu erzählen. Wenn man ihm Glauben schenkte, so war er auf seinen zahlreichen Expeditionen schon so mancher gefährlichen Situation entkommen – meistens durch seinen den Wissenschaftlern überlegenen Verstand oder durch seinen unbändigen Mut. Vielleicht aber auch eher durch seine blühende Fantasie...

Die Gäste am Nebentisch hatten Eskel bereits seit seinem Eintreten in den Gastraum beobachtet und warfen ihm nun feindselige Blicke zu. "Widerlicher Mutant. Nicht besser als die Monster, die er abschlachtet...", murmelte einer der Männer, gerade laut genug, um am Nebentisch gehört zu werden. Er und seine zwei Gefährten nahmen demonstrativ ihre Teller und Bierkrüge und setzten sich damit an einen weiter entfernten Tisch. Eskel, der mit dem Rücken an der Wand saß und den gesamten Raum überblicken konnte, machte viele feindselige Blicke aus, die ihm begegneten. Die übliche Reaktion der Menschen auf seinen Anblick. Thalia schien jedoch irritiert vom Verhalten der anderen Gäste und peinlich berührt.

Das Herz der Alchemie (The Witcher FF)Onde histórias criam vida. Descubra agora