Teil 8 - Zähe Biester

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Drei Tage später erreichten sie Ard Carraigh, die geschäftige Hauptstadt von Kaedwen.
Nachdem sie die Nacht in einer Herberge verbracht und am Morgen neuen Proviant auf dem Markt erstanden hatten, hatte Thalia einen Apotheker aufgesucht und bei ihm Dosen zur Aufbewahrung der Spinnenorgane gekauft. Ihre eigenen hatten sich in den Taschen des verschwundenen Packpferdes befunden.
Dann waren sie nach Norden aufgebrochen. Den Angaben der Archäologen aus Oxenfurt nach sollte sich die Krabbspinnenkolonie in einem Waldgebiet nahe des Dorfes Loina befinden. Thalia hatte den Ort, an dem die Expedition vor wenigen Monaten von den Arachniden überrascht worden war, auf einer Karte markiert. Als sie von der besagten Stelle nicht mehr weit entfernt waren, stieg Eskel von Skorpion und hielt in der Umgebung nach Zeichen Ausschau, die auf Krabbspinnen hinwiesen.
"Die Arachniden leben meistens in unterirdischen Höhlen und Tunneln", erklärte er Thalia. "Bewegt sich etwas oder jemand in ihrem Jagdrevier, spüren sie die Erschütterungen des Bodens und greifen dann blitzschnell aus dem Verborgenen heraus an. Anders als gewöhnliche Spinnen arbeiten sie jedoch kooperativ im Rudel zusammen. Meistens jagen drei bis vier Krabbspinnen gemeinsam."
Thalia war sichtlich unwohl bei dem Gedanken, dass sich die riesigen Spinnen nicht weit unter ihren Füßen in der Erde bewegten. Aber Eskel hatte darauf geachtet, dass sie sich auf festem Gesteinsboden befanden. Hier drohte also keine unmittelbare Gefahr.
"Und? Kannst du Hinweise auf die Spinnen entdecken?"
"Und ob. Dort hinten, wo der Wald beginnt, glitzert ein wenig gesponnenes Gewebe in der Sonne. Damit verschließen sie ihre Tunneleingänge. Wir sind also an der richtigen Stelle."
Thalia atmete tief durch. "Wie gehen wir jetzt vor? Legen wir uns irgendwo auf die Lauer und warten, ob wir von Weitem welche entdecken?"
""Wir" tun gar nichts. Ich werde mich auf den Kampf mit den Krabbspinnen vorbereiten und dann dort, wo der Wald dichter wird, auf die Suche gehen. Du wirst mit den Pferden dort oben auf der Anhöhe in sicherer Entfernung warten."
"Keine Sorge, ich habe nicht das geringste Verlangen, mich so einer Kreatur gegenüber zu sehen. Das überlasse ich ganz dir. Du bist ja schließlich der Fachmann für Monster und Bestien."
"Gut, dass wir da einer Meinung sind..." Eskel öffnete seine Satteltasche und holte seine Trankflaschen hervor, die in einer Stofftasche eingerollt waren.
"Sind das deine Hexertränke? Du verrätst mir wohl nicht, was die Flaschen im Einzelnen enthalten, oder?" Thalia konnte ihr Interesse kaum zügeln. Was gäbe sie nicht alles für die Rezepturen der Tränke.
"Tut mir leid, aber dieses Geheimnis der Hexerschulen wirst du mir nicht entlocken", erwiderte Eskel, der sich wohl bewusst war, dass er der Alchemistin schon viel zu viele der Mysterien der Hexer verraten hatte. "Da die meisten unserer Tränke für alle normalen Menschen hochgiftig sind und nur bei Hexern wirken, würde dir das Wissen um die Zusammensetzung ohnehin nicht viel nutzen. Aber wie du dir denken kannst, muss ich mich vor dem Kampf gegen Krabbspinnen vor ihrem Gift schützen. Hexer sind zwar nicht so anfällig dafür, wie Nicht-Mutanten, und gegen die meisten Gifte immun. Aber auch uns kann das Gift dieser Kreaturen in hoher Dosis Schaden zufügen."
Er entkorkte eine Flasche und trank mehrere Schlucke daraus. Die Flüssigkeit glänzte golden in der Sonne. Eskel verstaute die Flasche wieder und schloss kurz die Augen. Der starke Alkohol kratzte in der Kehle. Wenige Sekunden später begann der Trank bereits, seine Wirkung zu entfalten. Er spürte eine innerlich aufsteigende Wärme und ein Kribbeln in der Magengegend, das sich jedoch schnell abschwächte, als sein Körper die Wirkstoffe aufgenommen hatte. Nach wenigen Sekunden griff er zu einer weiteren Flasche und trank auch aus dieser. Thalia beobachtete ihn genau dabei und betrachtete fasziniert, wie für wenige Sekunden die Adern unter Eskels Haut hervorzutreten schienen. Er atmete mehrere Male tief ein und aus, danach hatte sich der Eindruck der Transparenz seiner Haut wieder verflüchtigt.
Thalia schwankte zwischen beruflicher Faszination und Besorgnis. "Geht es dir gut? Welche Wirkung hat der zweite Trank?"
"Er schärft die Sinne und beschleunigt meine Reflexe. Da Krabbspinnen immer im Rudel auftauchen, muss ich mich auf mehrere Gegner gleichzeitig einstellen. Eine gute Vorbereitung ist unverzichtbar, bevor man sich wissentlich in so einen Kampf begibt."
"Hast... Hast du schon oft gegen Krabbspinnen gekämpft?"
"Einige Male. Aber da sie immer aus ihrem Versteck heraus angreifen, weiß man nie im Voraus, um wie viele Tiere es sich handelt und wie groß die Exemplare sind." Er bemerkte, dass Thalia blass geworden war. Sie blickte ihn beunruhigt an.
"Keine Sorge", beeilte er sich zu sagen. "Ich mache das schon eine ganze Weile. Ich bin schon mit Greifen, Tschorts und Basilisken fertig geworden. Ein paar Krabbspinnen stellen kein großes Problem dar."
"Dein Wort in den Ohren der Götter... Eskel, bitte sei trotzdem vorsichtig. Bring dich nicht unnötig in Gefahr. Wenn die Gruppe zu groß ist und es Probleme gibt, dann..."
"Es wird alles gut gehen, vertrau mir. Halte schon mal die Behälter bereit, gleich hast du deine Zutaten..."

Das Herz der Alchemie (The Witcher FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt