Teil 27 - Sieg und Niederlage

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Der Alkohol brannte in der Kehle und vermochte doch nicht das Aroma von Schöllkraut und Ranogrin zu überdecken, das sich in Eskels Rachen ausbreitete. Sekunden später spürte er, wie die Wirkstoffe des Hexertranks durch seinen Körper strömten. Minuten zuvor hatte er bereits den Trank Schwalbe eingenommen, um sich auf den bevorstehenden Kampf vorzubereiten. Nun, da sein Körper gleich zwei Tränke verarbeiten musste, waren die Nebenwirkungen der alchemistischen Zutaten um so stärker.

Seine Adern traten deutlich unter der Haut hervor, als sein Blut sich mit den Wirkstoffen anreicherte. Er spürte, wie sich seine Sinne schärften, seine Muskeln spannten sich kurz.

Er blickte zu Geralt herüber, der ein paar Meter entfernt im Gebüsch hockte und gerade dabei war, die entsprechenden Trankflaschen aus seiner Tasche herauszusuchen. Eskel streckte ihm die Flasche Pirol entgegen. "Sicher, dass du nicht lieber ein paar Schlucke von meinem nehmen möchtest? Alchemie war noch nie deine Stärke, Geralt ..."

Der weißhaarige Hexer warf seinem Bruder einen spöttischen Blick zu. "Die Tatsache, dass du Meister Yaris'Musterschüler im Tränkebrauen warst, bedeutet nicht, dass ich nicht im Laufe der Jahrzehnte dazugelernt hätte, mein Freund. Danke, aber ich vertraue auf meine eigenen Tränke."

"Wie du meinst." Eskel verkorkte die Flasche wieder. Sein Blick wanderte zur Gefängnisinsel, die im Nebel, der vom Pontar aufzog, nur schwer auszumachen war. Geralt beobachtete, wie Eskel den Korken im Flaschenhals zwischen seinen Fingern drehte - erst in die eine, dann in die andere Richtung. Ein Zeichen dafür, dass er innerlich ganz und gar nicht die Ruhe empfand, die er versuchte, nach außen zu zeigen.

Geralt zog die Trankflaschen aus seiner Tasche, nahm von der Schwalbe, dann vom Pirol mehrere Schlucke und wartete, wie zuvor Eskel, die einsetzende Reaktion seines Körpers ab. Als sein Metabolismus die Substanzen verarbeitet hatte, erhob er sich und ging zu Yennefer, die zusammen mit Shani inmitten der Baumgruppe am Ufer stand.

"Eskel und ich machen uns dann jetzt auf den Weg. Der Nebel, den du geschaffen hast, sollte uns lange genug Deckung geben. Verwahrst du das bitte kurz für mich?" Er reichte Yennefer sein Silberschwert. Kurz blickte sie verwirrt, dann bemerkte sie, dass eine ihr fremde Klinge in der zweiten Halterung auf Geralts Rücken befestigt war. "Ich habe für Lambert ein Schwert besorgt", erklärte er. "Bestimmt nicht so gut, wie sein altes, aber besser als nichts."

"Wie nobel von dir. Es ist hoffentlich stabiler, als diese verschnörkelte Parierstange vermuten lässt." Yennefer bedachte die Verzierung des Schwertes mit einer hochgezogenen Braue.

"War das beste, das der Schmied hier zu bieten hatte. Lambert wird so oder so daran herummäkeln, egal, welche Klinge ich ihm mitbringe." Geralt blickte Yennefer an, fast so, als wolle er sich ihren Anblick noch einmal einprägen. Dann beugte er sich zu ihr herüber, legte eine Hand in ihren Nacken und küsste sie. Yennefer schmiegte sich an ihn, erwiderte seinen Kuss. Geralt sog ihren Duft nach Flieder und Stachelbeere noch einmal tief ein, öffnete dann wieder die Augen.

"Komm gesund zu mir zurück." Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

"Nichts anderes habe ich vor." Er löste sich von ihr, nickte Shani kurz zu. "Shani. Wir danken dir für deine Hilfe. Für alles. Bring dich jetzt besser in Sicherheit, bevor es hier gleich ungemütlich wird."

"Glaubst du wirklich, ich würde gehen, ohne zu wissen, ob ihr alle wohlbehalten wieder aus dem Gefängnis herausgekommen seid? Ich bleibe, Geralt. Falls etwas schief gehen sollte, könntet ihr meine Hilfe vielleicht brauchen."

Geralt nickte langsam. "In Ordnung, Shani. Hoffen wir, dass es nicht dazu kommen wird." Er wandte sich zu Eskel um. "Bereit?"

Eskel löste seinen Blick vom Gefängnis und sah Geralt an, wirkte wieder gelassen wie immer. "Lass uns aufbrechen. Ich bin froh, wenn diese Warterei ein Ende hat." Eskel ging noch einmal zu Skorpion, der neben Arenaria zwischen den Bäumen graste, und verabschiedete sich kurz von seinem Schlachtross. Das Tier begann unruhig zu tänzeln, bemerkte anscheinend die Anspannung seines Herrn. Eskel klopfte ihm auf die Flanke und murmelte ein paar beruhigende Worte.

Das Herz der Alchemie (The Witcher FF)Where stories live. Discover now