Teil 6 - Unerwartete Intrige

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Die Straße war vom Regen aufgeweicht und mit Pfützen übersät. Sie kamen nicht mehr so schnell voran, wie noch am Vortag.

Vor zwei Tagen hatten sie das dicht besiedelte Gebiet entlang des Pontar hinter sich gelassen und waren nun auf der Straße zum Pass im Kestrel-Gebirge unterwegs, das Redanien und Kaedwen voneinander trennte. Vereinzelt kamen sie an Höfen oder Jagdhütten vorbei, aber manches Mal begegnete ihnen stundenlang keine andere Seele auf der Straße.

Wobei der Begriff "Straße" für den breiten, ausgetretenen aber ansonsten unbefestigten Weg eher als Euphemismus durchging. In den letzten Tagen hatten sich Nieselregen und stärkere Regenfälle abgewechselt.

Nun klarte der Himmel langsam auf und versprach zumindest ein paar trockene Stunden.

Die noch vom Regen schlammige Straße zu verlassen, war keine Option, da das umgebende Gelände bereits felsig wurde und überall Geröll lag, sodass die Pferde dort keinen sicheren Tritt fanden.

Mit Eintreten der Dämmerung wurde es für Thalia und die beiden Wächter zunehmend schwieriger, den tieferen Schlammpfützen auszuweichen. Also schlugen sie ihr Nachtlager in der Nähe eines Bachlaufs auf, der unweit der Straße verlief. Als die Pferde abgesattelt und versorgt waren, nahm Thalia ihre Satteltasche mit zum Bach, um dort ein paar Teile ihrer Wäsche zu waschen. Auf ihre Bitte hin hatte Jonas aus ein paar herumliegenden Ästen ein provisorisches Gestell gebaut, auf dem sie die nasse Kleidung in der Nähe des eben entzündeten Lagerfeuers trocknen konnte.

"Hier, bitte, Frau Magister." Jonas lächelte sie schüchtern an, als er die etwas wacklige Konstruktion aufstellte. "Kann ich... kann ich noch irgend etwas für Euch tun?" "Nein, danke, Jonas. Vielen Dank für eure Hilfe." Jonas Blick war für Thalia nicht zu deuten. Was hatte der junge Wächter denn auf einmal? Ehe Thalia ihn fragen konnte, ob etwas nicht stimme, wandte Jonas sich um und zog sich zu Olbertz zum Kartenspielen an den Rand des Lagers zurück.

Thalia ging zum Bach und begann, ihre Wäsche zu waschen. Sie hörte die leisen Stimmen der beiden Wächter, die sich über irgendetwas stritten - wahrscheinlich ging es wieder um diese verworrenen Gwintregeln... Der Hexer hatte angekündigt, in der näheren Umgebung auf die Jagd gehen zu wollen, um ihnen ein Abendessen zu sichern und war seit einer halben Stunde verschwunden.

Die Aussicht auf eine warme Mahlzeit hatte erheblich dazu beigetragen, Thalias Stimmung zu heben. Auch nach dem heftigen Regen heute Mittag hatte es immer wieder genieselt, sodass sie trotz ihres Reisemantels durchgefroren war. Zum Glück war es nun endlich trocken.

Die Satteltasche neben sich am Ufer liegend, rieb Thalia mit einem Stück Seife die ersten Wäschestücke ein und wusch den Staub und Schweiß der letzten Tage aus dem Stoff. In Gedanken kehrte sie dabei zu dem Gespräch zurück, das sie gestern mit dem Hexer geführt hatte.

Er hatte sein Pferd ohne für sie erkennbaren Grund angehalten und seinen Begleitern per Handzeichen zu verstehen gegeben, dass sie ebenfalls stehen bleiben sollten. Dann hatte er hochkonzentriert gelauscht, schien nach ein paar Minuten beruhigt zu sein und bedeutete ihnen weiterzureiten. Auf ihre Nachfrage hin hatte er ihr erklärt, dass er in etwa einer Meile Entfernung eine Gruppe Nekker gehört habe, diese sich aber in die andere Richtung von ihnen entfernt hätte und keine Gefahr drohe.

Thalia hatte nicht das geringste verdächtige Geräusch gehört. Eskel hatte ihr erklärt, dass die Mutationen, denen Hexer in früher Jugend unterzogen wurden, zu einer extrem sensiblen sensorischen Wahrnehmung führten. Weiter war er leider nicht darauf eingegangen.

Zu gerne hätte Thalia ihn über die Art und Weise befragt, wie diese Mutationen herbeigeführt wurden, welche Mutationen es im einzelnen gab und welche Nebeneffekte diese mit sich brachten. Sie platzte fast vor Neugier beim Gedanken an die Elixiere, die dazu eingesetzt wurden. Aber Eskel wechselte zu ihrer Enttäuschung sofort das Thema. So schnell würde sie aber nicht aufgeben. Vielleicht ergab sich an einem der kommenden Tage noch einmal die Gelegenheit, mehr darüber zu erfahren...

Das Herz der Alchemie (The Witcher FF)Where stories live. Discover now