One

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~'Set Fire to the Rain' - Adele~

LOUISE

"Oh nein", stöhnte ich. Meine hennarot gefärbten Haare sahen im Spiegel absolut schrecklich aus. Eigentlich waren sie braun, aber ich hatte nie das Gefühl gehabt, dass braun zu mir passte - deswegen hennarot. Nur leider sahen sie heute auch rot nicht so gut aus. Dabei hatte ich sie gestern extra gewaschen und dann zu einem Dutt gebunden, damit sie heute besonders schön aussehen. Guter erster Eindruck und so, denn heute war mein erster Tag an der Princeton Highschool. Ich lebte erst seit zwei Wochen in - richtig! - Princeton, Bundesstaat New Jersey.

Nachdem auch das Kämmen nichts gebracht hatte und meine Haare immer noch auf der einen Seite glatt herunter hingen und auf der anderen Seite total aufgebauscht waren, flocht ich mir einfach einen seitlichen Zopf, das würde wenigstens etwas gut aussehen. Dann zog ich mich an. Eine blaue Skinny Jeans, die ich bis zu den Knöcheln hochkrempelte, ein giftgrünes Tshirt, dazu meine roten Sneaker und die orangenen Haare - perfekt!

Ich musste schließlich in der Küche feststellen, dass ich wohl doch ein wenig zu sehr getrödelt hatte und musste das Frühstück ausfallen lassen.
"Tschau, Mom!", rief ich noch durchs Haus.
"Tschüß Lieschen. Viel Spaß! Und benimm dich!" Eigentlich hieß ich Louise, aber manchmal nannte Mom mich Lieschen. Das war einfach schon immer so, und solange nur Mom das tat, war alles gut.

Ich lebte allein mit meiner Mutter hier in diesem schönen Haus am Stadtrand von Princeton. Wir hatten eigentlich ein relativ gutes Mutter-Tochter-Verhältnis. Mein Vater hatte uns kurz nach meiner Geburt verlassen. Er war anscheinend ein ziemlich mieser Arsch, sorry aber...wer lässt seine Frau mit seinem neugeborenen Kind plötzlich allein dastehen?
Ich hatte ihn nie kennengelernt und ehrlich gesagt wollte ich das auch gar nicht.
Mom war noch relativ jung gewesen, als sie mich bekam, genauer gesagt 23. Sie und der Idiot, alias mein Dad, hatten sich ziemlich schnell verliebt und dann auch ziemlich schnell mich bekommen.

Mehr als das wusste ich aber über das Thema der Liebe meiner Eltern auch nicht. Meine Mom war Spezialistin, darin, das tot zu schweigen und rasant das Thema zu wechseln, wenn jemand darauf zu sprechen kam.

Mittlerweile war ich mit dem Skateboard, beziehungsweise meinem allerheiligsten Schatz, auf dem Weg zur Schule. Ich mochte die Stadt, in der wir jetzt lebten. Sie war zwar nicht allzu groß, aber dafür sehr schön. Auf kleinen Erkundungstouren in den letzten Tagen hatte ich den Weg zu meiner Schule schon herausgefunden. Es war nicht allzu weit, mit dem Skateboard vielleicht in zehn Minuten zu schaffen.

Alles in allem hatte ich nicht viel dagegen gehabt, als Mom das Jobangebot aus New Jersey bekommen hatte. Ich hatte Atlanta, wo wir vorher gewohnt hatten nie wirklich gemocht. Mein einziger Freund war vor ein paar Monaten nach LA gezogen, sodass mich nichts mehr dort gehalten hatte.

Wie immer war es ein befreiendes Gefühl, sich morgens vor der Schule auf dem Skateboard mal ordentlich den Wind um die Nase pusten zu lassen. Ich ging im Kopf nochmal alles durch, was ich mir für heute vorgenommen hatte. Erstens: Einen relativ guten Eindruck auf die Lehrer zu machen. Ob der sich dann später als falsch erwies, war eine andere Sache. Zweitens: Vielleicht ein paar neue Leute kennenlernen und mich dabei von meiner besten Seite zu zeigen. Ich wollte mein Abschlussjahr nicht komplett alleine verbringen, die Erfahrung hatte ich letztes Jahr schon gemacht, als Aiden (mein bester Freund) nach Los Angeles ziehen musste. Andererseits hatte ich mir aber auch keine Mühe gegeben, mich irgendwo anzuschließen. Ich hatte mir immer gesagt, dass ich ja gut allein klarkam, doch eigentlich hatte ich mir nie wirklich geglaubt. Klar geworden war mir das erst bei unserem Umzug. Deswegen wollte ich das jetzt ändern!

Als ich durch das Schultor fuhr, war ich relativ motiviert. Skateboardfahren bewirkte bei mir Wunder. Hoffentlich würden die Leute aus meinem Jahrgang nicht allzu nervig sein.

Unauffällig schlängelte ich mich durch die Schüler auf den Gängen, mein Board in der Hand. Ich war nicht schüchtern - nein, eher im Gegenteil. Es war vielmehr so, dass ich ein klitzekleines bisschen zu vorlaut war und nicht besonders viel auf die Meinung anderer gab. Sollten sie doch denken was sie wollten, entweder sie kamen mit mir klar, so wie ich war, oder eben nicht.

"Hallo, ich bin Louise Edwards, die... Neue."
Mittlerweile war ich am Sekretariat angekommen, hatte geklopft und war hereingebeten worden.
Nachdem ich der jungen, und zugegeben ziemlich hübschen Sekretärin meinen Namen vorgestammelt hatte, sagte sie: "Aah Hallo, Miss Edwards. Ich hatte Sie schon erwartet. Hier ist ihr Stundenplan, sie haben jetzt Geschichte bei Mister Cooke. Und ich bin Miss Cunningham, die Sekretärin"

Die hübsche Miss Cunningham drückte mir zusammen mit dem Stundenplan einen Raumplan (Gott sei Dank!) und einen Zettel mit meiner Spindnummer und dem dazugehörigen Code in die Hand.

Mit einem "Dankeschön" verabschiedete ich mich und machte mich auf den Weg zu meinem Spind um mein Board zu verstauen.

Neben meinem blauen Blechschrank stand eine Gruppe von Jungs, etwa in meinem Alter. Als ich ziemlich laut meine Spindtür zuschlug, wurde einer von ihnen auf mich aufmerksam. Ein Wunder, dass er mich durch ihr lärmiges Gegröle überhaupt gehört hatte. Erst musterte er mich prüfend, wahrscheinlich weil er mich hier noch nie gesehen hatte und ich in seinem Jahrgang sein könnte. Schließlich kam er auf mich zu und fragte ganz unverblümt:

"Wer bist du?"

Changes | AbgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt