Six

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~ 'Ocean' - Khalid ~

LOUISE

Rumps.

Mit einem Schlag fiel die Tür hinter uns zu.

Dann war es ganz still. Gespenstisch still.

Meine Augen suchten verwirrt die meiner Mutter, die so dicht vor mir stand. Sie war es gewesen, die mich ins Haus gezogen und die Tür zu geschlagen hatte. Doch solange ich sie auch anschaute, ihre Augen waren auf den Boden gerichtet; ich spürte deutlich, wie sie es krampfhaft vermied, mir in die Augen zu schauen. Ihr Körper war wie erstarrt und auch ich rührte mich nicht. Es schien, als sei die Zeit stehen geblieben. Die Gedanken in meinem Kopf begannen zu rattern. Der Fluss, der kurz eingefroren war, floss wieder. Doch in seinem Bett lagen viele große und kleine Steine, die seinen Fluss behinderten und es dem Wasser schwerer machten bis zu seiner Mündung zu gelangen.

Genau damit könnte man in diesem Moment meine Gedanken vergleichen. Sie kamen einfach zu keinem Ergebnis. Der größte Stein im Weg war die Frage: Wer war dieser Mann? Und warum kannte er meine Mutter? Und sie ihn? Warum hatte er mich angestarrt wie einen Fisch auf dem Fahrrad? Warum hatte er nichts zu mir gesagt? Warum hatte sein Erscheinen eine solche Angst und Wut in meiner Mutter ausgelöst? Warum hatte sie ihn nicht sehen wollen und ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen?

Es waren bestimmt noch tausend weitere Fragen, die mir in diesem Moment durch den Kopf schossen, und es gab nur eine einzige Person, die sie beantworten könnte. Meine Mutter.
Natürlich auch der Mann vor der Tür, aber den hatte Mom ja gerade erfolgreich ausgesperrt.

"Mom..." Ihr Blick galt immer noch dem Boden, doch meine Stimme schien in ihr etwas auszulösen. Sie straffte die Schultern, ihr Kopf ruckte nach oben. Ihre Hand glitt zu der heruntergerutschten Handtasche, die andere griff nach den beiden Einkaufstüten. Sie entfernte sich von mir und stellte das Zeug auf den Küchentisch, machte aber keinerlei Anstalten, mir zu antworten.

"Mom!" Meine Stimme wurde dringlicher, sie konnte mich doch jetzt nicht einfach ignorieren!

"Louise, bitte. Ich will jetzt alleine sein."
"Aber..." Mir gingen so viele Fragen durch den Kopf, dass ich im ersten Moment nicht wusste, welche davon ich jetzt stellen sollte. Doch dadurch hatte ich mir meine einzige Möglichkeit, jetzt eine Frage zu stellen, verbaut.
"Nein. Geh bitte auf dein Zimmer!" Es war mindestens drei Jahre her, dass meine Mom mich auf mein Zimmer geschickt hatte. Sie umklammerte mit ihren Händen den Rand der Arbeitsplatte und wandte ihr Gesicht zum Fenster. Draußen regnete es immer noch. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor.

In diesem Moment wurde mir klar, dass es keinen Zweck hatte. Mom würde mir jetzt nichts erzählen.

Meine Füße trugen mich zur Küchentür, die ich öffnete. Bevor ich hindurch treten konnte schlüpfte Mo vor mir hindurch, ich folgte ihm. Stufe für Stufe erklomm ich die alte Holztreppe, den Blick auf meine Füße gerichtet. In meinem Zimmer ließ ich mich aufs Bett fallen und betrachtete gefühlt die nächsten sechs Stunden die dunklen Holzbalken an der Decke.

Ich war in diesem Moment furchtbar wütend auf meine Mutter.

Das war schon immer so gewesen. Wenn etwas schwierig war, dann schob sie es zurück in die hinterste Ecke ihres Kopfes, um ja nicht mehr daran denken zu müssen. Doch das machte den Schmerz doch nicht besser! Ich wollte nicht, dass sie sich vor mir verschloss. Ich war ihre Tochter! Sie konnte mir alles erzählen.
Aber sie tat es nicht. Warum hatte sie ein Geheimnis vor mir?

Und so tauchten wieder diese ganzen Fragen in meinem Kopf auf.

Es war frustrierend, auf keine von ihnen eine Antwort zu wissen. Meine Faust schlug auf der Bettdecke auf und krampfte sich hinein.

Changes | AbgebrochenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora