Five

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~ 'Oft gefragt' - Annenmaykantereit ~

LOUISE

Gedankenversunken starrte ich die Iris meiner Augen an, die mir im Badezimmerspiegel zublinzelten. In den 17 Jahren meines Lebens hatte ich es noch nie geschafft, ihre Farbe genau zu definieren. Sie waren relativ dunkel, ins Graue gehend, aber auch grünlich oder braun.
Ein Wassertropfen löste sich aus meinem Haaransatz und suchte sich seinen Weg über meine Schläfe, meine Wange, bis er meinen Kieferknochen erreicht hatte und ins Waschbecken fiel, an dessen schneeweißen Rand meine feuchten Hände lagen.
Nur mit einem Handtuch bekleidet wirkten meine sonst nicht allzu zierlichen Schultern merkwürdig klein und zerbrechlich.

Ich war nicht die Kleinste und auch nicht die dünnste, aber meiner Ansicht nach alles noch im grünen Bereich. Meine Haare hatte ich, um noch mehr Nässe zu vermeiden, während des Duschens zu einem Knoten hoch gebunden. Mittlerweile hatte sich eine einzelne rote Strähne über meinem rechten Ohr gelöst und fiel auf mein Schlüsselbein hinunter. Meine Haare waren lang, fast bis zur Taille und glatt, obwohl ich eigentlich gerne Locken hätte. Tja, man konnte eben nicht alles haben.
Ich ließ das Handtuch fallen und stand nun vollkommen nackt da. Das einzige Fenster zeigte zum Garten raus und dahinter war auch bloß eine Wiese und weiter hinten nur ein kleiner Buchenwald, so konnte mich also niemand sehen.

Obwohl mir eigentlich wieder wohlig warm war, bildete sich nun doch eine feine Gänsehaut auf meinem nackten Körper. Schnell kroch ich in Unterwäsche, Jogginghose und ein Sweatshirt. Dann sah ich mich um, um herauszufinden, wo ich meine Socken vorhin hingelegt hatte. Das Bad war eines der wenigen Zimmer, die schon komplett eingerichtet waren. Wahrscheinlich weil es hier nicht so viel einzurichten gab. Irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass ich mir wohl gar keine Socken mitgenommen hatte und ging quer über den Flur zurück in mein Zimmer. Im ersten Stock lagen nur noch Moms Schlafzimmer und Büro, also im Prinzip ein Zimmer mit Bett und Schreibtisch, und das Gästezimmer. Unten waren dann die Küche und das Wohnzimmer in einem Raum und noch eine kleine Abstellkammer.
Meine Füße tappten über den weichen, dunklen Holzdielenboden, dann öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer. Das warme Licht, das die Kirschrot gestrichenen Wände zurück warfen, empfing mich, ebenso der Geruch nach Farbe und frischem Holz, und ich bereute es kein bisschen, diese Farbe für meine Wände gewählt zu haben, denn das Licht und der Geruch ließen sofort ein Gefühl von Zuhause und Geborgenheit in meinem Bauch entstehen.

Aus meinem halbeingeräumten weißen Ikea-Schrank holte ich ein paar Socken mit Motiven von Donald Duck und streifte sie mir über. Ich wäre gern noch ein bisschen in meinem Zimmer geblieben, obwohl die drei Umzugskartons nicht unbedingt das Ambiente verschönerten, jedoch hatte ich Hunger. So also verließ ich das Zimmer und ließ die Tür halb offen stehen, dann ging ich die Stufen der ebenso wie der Dielenboden braunen Treppe hinunter bis zur Küche. Vor unserem Kühlschrank, der die Farbe von Quietscheentchen hatte, kam ich zum Stehen. Was die Auswahl von Farben betraf, waren meine Mom und ich uns eindeutig einig - Je bunter, desto besser.

Im Inneren des Kühlschranks sah es leider nicht so üppig aus. Nur jede Menge von Moms komischen indischem Zeugs, auf das sie neuerdings total abfuhr. Hoffentlich ging diese Phase bald vorbei. Meine hungrigen Augen erblickten unbekanntes Grünzeugs, merkwürdige Gewürzgurken, Hähnchenfleisch, eine butterähnliche Paste, die sie immer als 'Ghi' bezeichnet und noch jede Menge anderes unbekanntes Zeugs. Seufzend schloss ich die Kühlschranktür wieder und drehte mich um. Da fiel mir ein Zettel auf dem Küchentisch auf, an dem ich vorhin einfach vorbeigegangen sein musste. Er war von Mom.

Hey Liese,
Ich musste noch zu einer
Hausbesichtigung und danach
noch einkaufen. Komme gg
Fünf.

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