Three

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~ 'Best Friend' - Sofi Tukker ~

LOUISE

Toll! Das hatte ja super geklappt. Da fragte mich jemand etwas und ich reagierte direkt wie eine wildgewordene Furie!
Warum musste ich auch so verdammt stur sein? Und stolz noch dazu.

Aber irgendwas war auch komisch an dem Typen gerade gewesen. Ich war mir sicher, ihm schon mal begegnet zu sein, doch mir wollte partout nicht einfallen wo oder wann. Sein Gesicht kam mir bekannt vor, es erinnerte mich an jemanden, war mir sogar sehr vertraut, als würde ich dieses Gesicht jeden Tag sehen. Ich war richtig verwirrt.

Ob es mit der Verwirrung zu tun hatte, dass ich gerade irgendwo falsch abgebogen war und jetzt in der fast leeren Cafeteria stand? Aber wahrscheinlich lag es einfach daran, dass mein nicht vorhandener Orientierungssinn und dazu noch eine Links-Rechts-Schwäche einfach nicht für große Schulgebäude geeignet waren. Obwohl die Princeton Highschool sogar kleiner war als meine alte Schule. Doch dort war immer jemand gewesen, den ich kannte und hinterher laufen konnte.

Endlich! Ein Schild verriet mir, dass ich nun wirklich vor der Tür stand, die ich suchte. Leider verriet mir die Uhr an der Wand auch, dass ich mittlerweile schon fünf Minuten zu spät war.

Ich klopfte, strich mir die Haare zurück und trat ein.
Alle Köpfe drehten sich zu mir. Na gut, alle außer der des Lehrers. Na toll. Ich räusperte mich, um auf mich aufmerksam zu machen, und endlich wandte Mr Cole (so hieß er doch, oder?) seinen Kopf von der Tafel ab. Er war vielleicht Mitte 50 und sah ziemlich grimmig aus. Mit dem war bestimmt nicht gut Kirschen essen.
"Wer sind Sie denn?", quakte er.
"Ähm ich bin Louise Edwards, die Neue."
"Ach ja, Mrs Martens hatte da ja sowas erwähnt. Naja setzen Sie sich erstmal hin. Ich hasse dieses Vorstellungsrunden, wir sind doch hier nicht in der Grundschule!"

Na, immerhin musste ich nicht vor der ganzen Klasse über meine eh nicht vorhandenen Hobbys reden. Aber insgesamt wirkte Mr Cork (oder war es Cone?) schon etwas gestört. Seine Stimme erinnerte mich an das Quaken eines Frosches.

Anscheinend stand es mir frei, wo ich mich hinsetzte. Oder auch nicht. Es war nur noch ein Platz neben einem Mädchen mit ehrlich gesagt sehr schönen braunen Haaren frei. Mir gefiel der Platz auf Anhieb, in der vorletzten Reihe am Fenster. Und das Mädchen sah auch nett aus.

Mr Cole beachtete mich nicht weiter, also machte ich mich auf den Weg zu meinem Platz. Immer noch starrten mich alle an wie einen Fisch auf dem Fahrrad. Jetzt reichte es aber wirklich.
"Habt ihr noch nie ein Mädchen gesehen, oder wie?", zischte ich, dass Mr Coan auch noch vorne stand fiel mir erst im nächsten Moment wieder ein. Mist. Ich biss mir auf die Unterlippe und warf einen Blick zu ihm. Doch er war schon wieder völlig vertieft in sein Geleier über...es schienen die amerikanischen Präsidenten zu sein und hatte mich nicht gehört. Die Köpfe der Schüler hatten sich nach meiner Ansage auch wieder nach vorn gewandt, manche tuschelten noch, aber die meisten verfielen wohl schon wieder in den Tiefschlaf. Etwas anderes war bei diesem Lehrer auch nicht möglich.
Schnell schlängelte ich mich weiter zu meinem Stuhl, dort angekommen schenkte ich dem Mädchen neben mir ein freundliches Lächeln und setzte mich.

"Hey!", sagte sie leise, "ich bin Sunny."
"Louise. Du hast sehr schöne Haare", antwortete ich prompt und lächelte sie breit an.
"Oh äh...danke!" Sie war etwas verlegen und schien ein wenig schüchtern, doch erfreut.
"Am besten reden wir nach der Stunde. Mr. Cooke kann echt stinkig werden, wenn er das mitkriegt", schlug Sunny vor. Hieß er wirklich Cooke? Oh.
"WENN er das mitkriegt", wiederholte ich, was Sunny zum Lachen brachte. Dann schaffte ich es wirklich meine Klappe zu halten.

Kurz versuchte ich Mr Cooke zuzuhören, wirklich! Einfach nur, um meiner Geschichtsnote etwas Gutes zu tun, doch das, was er erzählte war so langweilig, dass ich es bald aufgab. Er erinnerte mich ein bisschen (neben dem Frosch) an Professor Binns aus 'Harry Potter'. Nur dass er kein Geist war.
Ja, ich war ein Potterhead, hatte alle Bücher gelesen und Filme geschaut, und jedem jetzt einen Vortrag über eine x-beliebige Harry-Potter-Figur halten können. Zum Glück tat ich es nicht. Obwohl Severus Snape bestimmt spannender gewesen wäre, als John F. Kennedy.

Ich ließ meinen Blick über die Gesichter in meinem Kurs schweifen.

Och nö. Der unhöfliche Typ von vorhin war auch in meinem Jahrgang. Ich sah ihn mir genauer an. Er hatte braune Haare, ähnlich den meinen, als sie noch ungefärbt waren, seine Schultern waren relativ breit, aber nicht all zu sehr. Eigentlich sah er ja ganz gut aus, doch er war nicht mein Typ.

Den Rest der Stunde verbrachte ich damit, die Leute aus meinem Kurs zu beobachten und die Linien auf der Vorderseite meines Blockes nachzuzeichnen.

Als es endlich klingelte, fragte ich Sunny: "Wie lange haben wir jetzt Pause? Und was hast du dann?"
"Wir haben jetzt nur zehn Minuten Pause, da lohnt es sich nicht, noch irgendwo hinzugehen. Und ich habe jetzt gleich Englisch."
"Hey cool, ich auch!", rief ich mit einem Blick auf meinen Stundenplan aus.
"Dann müssten wir beide die gleiche Kursleiterin haben. Mrs Martens, die kann zwar streng sein, wenn du ihr blöd kommst, aber eigentlich ist sie auch fair und nett."

Sunny und ich machten uns zusammen auf den Weg zum Englischunterricht.
Währenddessen redeten wir in einem fort.
"Und du bist vor kurzem erst hierher gezogen?", fragte Sunny.
"Jap. Bis vor zwei Wochen habe ich noch in Atlanta gewohnt."
"Oh...war es schwer, sich zu verabschieden?"
"Nein, eigentlich nicht. Mein einziger Freund ist im Frühjahr nach LA gezogen, und sonst hatte ich niemanden dort. An meiner Schule waren nur Tussen und Vollidioten.", erzählte ich ihr.
"Ach ja, das kenne ich. Meine beste Freundin ist auch diesen Sommer weggezogen, das war echt schwer. Und hier wimmelt es auch nur von Barbiepüppchen und Kindergartenkindern. Ich bin echt froh, dass du hier bist! Du scheinst ziemlich normal zu sein."
"Danke für das Kompliment!", grinste ich, "Ich mag dich auch. Und du hast recht, ich bin eigentlich ziemlich normal. Bis darauf, dass ich manchmal meine Klappe einfach nicht halten kann, wie du ja vorhin gemerkt hast!" Ich lachte laut auf.
"Hey, der Spruch war voll cool. Mir wären diese ganzen Gaffer auch auf die Nerven gegangen", meinte Sunny und trat nach links in ein Klassenzimmer.
Sie ging zielstrebig auf einen Platz am Fenster zu, anscheinend mochte sie Fenster genauso wie ich.

"Darf ich?" fragte ich nett, bevor ich mich neben ihr niederließ.
"Klar! Ich hab dir doch eben erzählt, dass du meine einzige Verbündete hier bist", scherzte Sunny. Von ihrer Schüchternheit von vorhin merkte ich nichts mehr.
"So", ich schmiss meine Federmappe auf den Tisch, "erzähl mir mal, wer hier wer ist."
"Mit Vergnügen! Also: Die da vorne sind unsere lieben Streber, Antony und Clemens, obwohl ich nicht wirklich was gegen sie hab, die könnten bloß etwas mehr Spaß vertragen. Das dort sind Charlotte und Gefolge", sie deutete auf eine Blondine, deren weißes Oberteil so ziemlich überflüssig war, weil man auch mit ALLES sah. Mich wunderte es, das ihr Kopf nicht auf die Schulter sackte, denn auf ihrem Gesicht waren mindestens drei Kilo Schminke. Das "Gefolge" sah nicht anders aus und war in eine Art Dauerkichern verfallen.
"Die, denen Charlotte die ganze Zeit schmachtende Blicke zuwirft, sind sozusagen unsere männlichen Schulschlampen. Sie brauchen die Barbies eigentlich nur um ihre 'Bedürfnisse' zu befriedigen, wenn du weißt was ich meine", sagte Sunny.
Wow, sie war ja um einiges weniger unschuldig, als ich dachte!

"Und wer ist das? Ich bin ihm vorhin vor dem Unterricht schon mal begegnet..."
"Uh, ähm, das ist John. Eigentlich auch einer von uns Normalos, aber...naja." Damit beendete sie ihre Aussage und quatschte schnell weiter: "Die dort ganz hinten sind die Kiffer. Mike und Jeremy. Mit denen könnte man sich ja eigentlich ganz gut unterhalten, aber Gras ist ehrlich gesagt nicht so meins." Ihr Lachen klang etwas nervöser als vorhin.

"Stopp, stopp, stopp!", rief ich, bevor sie noch weiter plappern konnte, "Was war mit John? Aber was?"

Ein kleines bisschen Sehnsucht schlich sich in ihre braunen Augen.
"Er ist mit Naomi zusammen, auch in unserem Jahrgang, aber nicht in dem Kurs..."

Mir wurde so einiges klar. "Du bist in John verliebt!"
"Nein!", stritt sie es ab.
"Doch!"
"Ich war es. Aber ich bin es nicht mehr. Ich darf es nicht mehr sein." Ihre Stimme war zum Ende hin fast nur noch ein Flüstern und sie vergrub ihr Gesicht in den Händen.
"Du redest dir das ein! Sieh der Wahrheit ins Gesicht! Alles ist besser, als sich selbst anzulügen." Ich wusste selbst nicht so genau, warum ich meiner Sache so sicher war und fragte mich, ob mein Gerede überhaupt Sinn ergab.

"Vielleicht hast du recht."

Sie wollte nicht über das Thema reden, also ließ ich es auch, aber ich hatte es definitiv noch nicht abgeschlossen.

Changes | AbgebrochenWhere stories live. Discover now