48 | Was ist Immersion und wie wende ich sie an?

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Hallo, ihr Menschen da draußen.

Heute tauchen wir in ein ganz besonderes Thema ein. Ha, an dem Spruch habe ich ganze zwei Minuten gefeilt. Denn Immersion beschreibt das Eintauchen in eine andere Welt. Gerade deshalb eignet sich die Immersion so gut, um das Verständnis zum eigenen Geschriebenen zu stärken. Wie das Ganze funktioniert, welche Abwandlungen in anderen Lebensbereichen es gibt und welche Varianten der Immersion es gibt, zeige ich euch in der heutigen Ausgabe. Dieses Thema ist in seiner Erläuterung zwar nicht so umfangreich wie andere, aber dafür umso interessanter. Denn jetzt mal ehrlich: Wer würde schon nicht gerne in einem Buch leben?


Meine 1. Frage: Gibt es ein Buch, bzw. eine Buchreihe, in der ihr gerne existieren würdet? Und würdet ihr als ihr selbst auftreten, eine bereits bestehende Figur übernehmen oder einen vollkommen neuen Charakter erschaffen?


48.1 | Begriffsdefinition

Der Begriff 'Immersion' kommt wie sie viele Fachbegriffe aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie 'Eintauchen', bzw. 'Einbetten'. Eine klassische Art der Immersion in eine Welt, die ich gleich noch genauer ansprechen werde, sind Rollenspiele. Doch die sind nicht für jeden etwas, jedenfalls nicht im klassischen Sinn. Ich beispielsweise betreibe Immersion am liebsten für mich selbst und ohne andere Menschen – was aber auch daran liegen kann, dass ich krankhaft introvertiert bin.

Für Personen wie mich sind Gedankenrollenspiele perfekt. Man legt sich hin, macht es sich bequem ... schaltet vielleicht seine Lieblingsmusik ein, die zum aktuellen Schreibprojekt passt, und macht eine Kerze an – irgendetwas, das entspannend wirkt und Sicherheit bietet. Und dann taucht man in seine Buchwelt ab. Das geht über simples Planen der Handlung hinaus, denn man lebt den Alltag seiner Figuren und spielt nicht einfach den Plot nach, sondern forscht nach den Verhaltensmustern der Buchcharaktere und lernt sie somit besser kennen. Es ist wie ein Traum, den man bewusst steuert. Aber dazu später mehr.

Meine 2. Frage: Habt ihr schon einmal bewusst an Rollenspielen teilgenommen? Dabei spielt es keine Rolle, ob diese in der Realität und in Verbindung mit anderen Menschen oder in eurem eigenen Kopf geschehen sind.


48.2 | Andere Beispiele für Immersion

Neben der Immersion beim Schreiben von literarischen Werken gibt es auch andere Abwandlungen. Ein klassisches Beispiel für die Immersion geschieht durch Virtual-Reality-Spiele. Bei solchen Computersimulationen fühlt es sich an, als lebe man in dieser erschaffenen Welt. In den letzten Jahren ist auch die Immersion beim Sprachenlernen bekannt geworden. Vorher umschrieb man es einfach als 'Eintauchen in die Sprache', jetzt ist dieser Begriff dafür wieder neuentdeckt worden. Wie genau man Immersion beim Sprachenlernen anwendet, wenn man beispielsweise Spanisch lernen möchte? Sprache auf dem Smartphone ändern, mit anderen Menschen Spanisch sprechen, Serien und Filme im Originalton auf Spanisch sehen, sich über die spanische und lateinamerikanische Kultur informieren, usw. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten und die Immersion wird als eine der erfolgreichsten Sprachlernmethoden bezeichnet. Wenn man nicht die Zeit oder das Geld hat, um im Ausland zu leben, holt das Ausland durch die Immersion zu sich.

Meine 3. Frage: Fallen euch noch weitere Beispiele für Immersion ein – egal ob in Literatur oder sonstigen Bereichen?


48.3 | Rollenspiele in der Realität

Nein, ich rede hier nicht von ... solchen Rollenspielen. Gerade Science-Fiction oder Fantasy (aber eigentlich auch alle anderen Genres) eignen sich perfekt für Rollenspiele, bei denen man sich als eine Buchfigur anziehen kann und sich wie sie verhält. Am bekanntesten ist das für Reihen wie Harry Potter und Co., aber warum dreht man den Spieß nicht um und macht das für sein eigenes Buch?

Eine Bekannte von mir, die ebenfalls gerne schreibt, hat ihre 21. Geburtstagsfeier für ein solches Rollenspiel genutzt, das an ihrer High-Fantasy-Reihe orientiert ist. Vorher bekamen die Gäste die Bücher zugeschickt und durften sich ihren Lieblingscharakter aussuchen – und ihn durch ihre Variation neu interpretieren. Gerade als Urheber dieser Figuren stelle ich es mir unglaublich berührend vor, sehen zu können, wie Leser meiner Bücher die darin handelnden Menschen wahrnehmen. Und wer weiß... Vielleicht erhält man dadurch auch gleich noch einen Schub Inspiration und Motivation?

Aber es kann auch inspirierend wirken, sich mit Werken anderer Autoren durch Rollenspiele auseinanderzusetzen, wenn diese sich in den gleichen Genres bewegen. Vielleicht fällt euch ein Schlachtruf ein, den ihr in eurem Fantasykrieg zwischen Elben und Orks verwenden könnt (Ideen dazu bitte in die Kommentare, jetzt bin ich neugierig), oder ihr wandelt eure erfundene Figur so weit ab, dass die als selbstständiger Protagonist einer neuen Reihe funktionieren könnte. So oder so übt ihr euch darin, in verschiedenste Welten abzutauchen – und das ist die perfekte Voraussetzung, um möglichst realitätsnah schreiben zu können.


48.4 | Rollenspiele in Gedanken

Wie bereits erwähnt sind Gedankenrollenspiele meine präferierte Version der Immersion. Ich kann in meine Buchuniversen abtauchen, ohne mich mit anderen Menschen darüber absprechen zu müssen, und muss mein selbstaufgestelltes Regelwerk mit niemandem totdiskutieren. Auch hier stellt sich die Frage: Möchte ich eine außenstehende, im eigentlichen Buch nicht existente Figur sein oder als ein bereits bekannter Charakter agieren? Bei der ersten Wahlmöglichkeit ergibt sich durch die Distanz, die man so zur Welt bekommt, ein klareres Bild von allen in der Geschichte Agierenden. Es ist ein wenig vergleichbar mit der auktorialen Erzählperspektive, die ich in der Ausgabe zu den Perspektiven bereits näher erläutert habe. Anders ist es aber, wenn man sich dazu entscheidet, selbst als eine bestimmte Figur zu leben – diese Variante ist der Ich- Erzählperspektive sehr ähnlich und eignet sich für Werke, in denen man diese Erzählweise gewählt hat.

Sobald das Abtauchen dann gelungen ist, habt ihr freie Hand. Ob ihr wie ich den Alltag der Figuren kennenlernen oder die Nachbarschaft erkunden möchtet, steht euch vollkommen frei. Das ist das Tolle an der Sache; denn auch wenn man theoretisch solche Erlebnisse der Figuren niederschreiben kann, nur um es später wieder zu streichen, weil es nicht pointiert genug ist oder zum Fortgang der Handlung beiträgt, ist es viel einfacher und intensiver, diese Situationen selbst zu erleben. So müssen eure Leser sich nicht durch zwanzig Seiten an Alltagsbeschreibungen quälen, aber ihr kennt all diese Abläufe und wisst, wie sie eure Figuren formen. Eure Protagonistin Katharina achtet besonders auf ihre Ernährung und ist unter ihren Freunden für ihre tolle, sportliche Figur bekannt? Vielleicht besteht ihr Morgen dann aus Joggen und Proteinshakes. Solche Kleinigkeiten wirken vielleicht auf den ersten Blick unwichtig, tragen aber dazu bei, euren Charakter wie eine echte Person erscheinen zu lassen. So erschafft man Realitätsnähe.


Es tut so gut, wieder eine Ausgabe hochzuladen, wirklich! Wie ich bereits in einer Ansage im Newsfeed erwähnte, bin ich momentan total im Schreibfieber für meine fiktiven Projekte und wende daher mehrmals täglich die Immersion durch Gedankenrollenspiele an. Wie verhalten sich meine Figuren in bestimmten Situationen? Wie reagieren sie auf die Entscheidungen und Einstellungen anderer Menschen? Meiner Meinung nach gibt es keine besser Möglichkeit, um seine Charaktere kennenzulernen. Beziehungen werden durch gemeinsame Erfahrungen geschaffen. Wie soll man also eine Beziehung zu einer fiktiven Buchfigur aufbauen, wenn man sie sich nur grob beim Planen und Schreiben vorstellt? Warum nicht also in ihren Alltag eintauchen und wie ein investigativer Journalist alles über sie herausfinden?

Ich hoffe, euch mit dieser Ausgabe die Immersionsmethode ein wenig nähergebracht zu haben, denn in meinen Augen führt sie in den meisten Fällen zu realitätsnahem Schreiben und einer tollen Charakterentwicklung. In den vergangenen zwei Monaten erreichten mich mehrfach Nachrichten zu der Frage, wie man Buchfiguren realistischer wirken lässt ... hier ist meine Antwort!

Frohes Schreiben!

P.C.

P.C.'s SchreibratgeberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt